Märchenstunde in Bizerta
Zwei Friedensengel beglücken die ölhaltige
Wüste
Kotofeij K. Bajun
"Vom Himmel hoch da komm' ich her und bring euch gute neue Mär!
Der neuen Mär bring ich so viel, als jeder von euch hören
will!"
Ja, da kommen sie von einem azurblauen, mediterranen Himmel engelsgleich
herabgeschwebt, die liberalen und die christlich-demokratischen Herren
Guido Westerwelle und Dirk Niebel. Sie kommen aus einem Himmel, den
die Alliierten für sie freigeschossen haben und bringen den rebellischen
Wüstensöhnen viel gute neue Mär, oder Märchen, oder
anderes geschäftstüchtiges Geschwätz. Die Frage ist,
wieviel die Araber davon wirklich hören wollen.
Die wollten nämlich eigentlich damals, vor der UN-Vollversammlung,
deutliche Worte des Bundesaußenministers hören, realitätsbezogene,
keine märchenhaften... Sie wollten hören, dass sich das mächtige
Deutschland kompromisslos auf ihre Seite stellt in ihrem Kampf gegen
den verrückten Oberst Gaddafi. Statt dessen aber enthielt sich
der Bundesaußenminister der Stimme gegen den durchgeknallten Despoten
von der Großen Syrte, mit dem ihn doch des libyschen Öls
wegen eine gewisse Herzlichkeit verband. Wenn es um den deutschen Wirtschaftsmotor
geht, der am Brummen gehalten werden muss, dann ist das nicht so wichtig,
was der libysche Geheimdienst mit den Gegnern des Regimes veranstaltet.
Ein paar beschwörungshafte, demokratisch angehauchte Lippenbekenntnisse
sind durchaus ausreichend.
Und nun bringt man ihnen noch aus dem deutschen Steuertopf für
10 Millionen Euro Medikamente mit – ach wie lieb vom deutschen
Gutmenschentum. Vielleicht sind auch ein paar Pflästerchen darunter,
um die Wunden zu verbinden, die den Rebellen von Gaddafis Garden geschossen
wurden. Und nicht zu vergessen, das Haloperidol, Prothazin, Propaphenin
und Tisercin, Valium und Prozac – damit der rebellische Geist
etwas gemildert werde angesichts des deutschen Verrates!
Als die Rebellen am Anfang ihres Kampfes standen, da wünschten
sie und die Vereinten Nationen sich von Deutschland eine eindeutige
Positionierung auf der Seite des Demokratisierungsprozesses. Ja, wie
denn? Wie hätte die unter dem Pantoffel der deutschen Wirtschaft
stehende Regierung das leisten sollen? Keine Kristallkugel war verfügbar,
keine wahrsagende Zigeunerin, Hanussen lag erschossen und vermodert
im Baruther Wald und aus den Sprüchen des Nostradamus ließ
sich auch keine eindeutige Prognose ableiten. Was, wenn man sich auf
die Seite Frankreichs, Englands und der U.S.A. und Gaddafi siegt am
Ende doch noch? Wie teuer wird es dann, dem verärgerten Tyrannen
die Fortführung der alten Lieferverträge aus dem Kreuz zu
leiern?
Nee, nee – Hannemann geh Du voran! Du hast die größten
Stiefel an.
Wie gut, dass die Wehrmacht unter dem Wüstenfuchs vor beinahe siebzig
Jahren im Norden der Sahara so herrlich aufs Maul bekommen hat. Tobruk,
El Alamain – nie waren wir über den Einsatz des Deutschen
Afrikacorps glücklicher als heute! Ein besseres Alibi, um die deutsche
Armee aus dem libyschen Konflikt herauszuhalten, wo sie doch sonst in
jeder Ecke der Welt die Freiheit der deutschen Unternehmer auf Kosten
der deutschen Steuerzahler und des eigenen Lebens verteidigt, kann es
gar nicht geben! Ach Gottchen, sind wir Deutschen belastet! Zum Glück
fiel uns das noch rechtzeitig ein!
Ja, ein bißchen dürfen deutsche Soldaten diese Freiheit von
deutschem Handel und Wandel an den Hindukusch tragen. Am Horn von Afrika
oder auf dem Balkan, der nach Bismarcks Aussage keinen pommerschen Grenadier
wert ist, darf die Welt auch einmal wieder am deutschen Wesen genesen.
Aber an den fragilen libyschen Ölhähnen, wo noch gar nicht
ganz raus ist, wer dort den Hahn auf oder zu dreht? Das wäre doch
Irrsinn!
Nun aber scheinen die Alliierten den Verrückten sturmreif geschossen
zu haben. Jedenfalls sind die Würfel so gefallen, dass es sich
die politischen Schakale langsam leisten können, sich dem gerissenen
Gnu zu nähern. Grinse-Guido, der auf den Schiffen unter Dampf und
Segeln so gerne ansagt, wer die Sache regelt, anerkennt den Übergangsrat
in Ost-Libyen und versichert die Wüstensöhne seiner eingeschränkten
Loyalität. Nein, Truppen könne er nach wie vor nicht entsenden,
aber Öltanker, um das schwarze Gold abzuholen, das ließe
sich machen. Und schließlich will man den begehrten Rohstoff ja
nicht für lau!
Man hätte ja auch dazumal bei der UN ein Veto einlegen können,
statt sich generöser weise zu enthalten – das ist doch schon
mal ein herzliches Dankeschön wert. Doch damit nicht genug: Immerhin
steht schon ein Beraterstab bei Fuß, der Libyen beim demokratischen
Aufbau unterstützen wird und in einem Abwasch die Werte deutscher
Liefervertragstreue vermittelt, um das nordafrikanische Öl desto
sicherer in deutsche Raffinerien zu pumpen.
Blöd nur, dass die Amis, Tommys und die westfränkischen Vettern,
die den Kopf teuer hingehalten haben, gerne sehen würden, dass
sich ihr Einsatz im Mare Nostrum nun auch amortisiert. Immerhin verschlang
der Flugzeugträger "Charles de Gaulle", eine Art französische
Penisprothese für die zu Vichy verlorengegangene Manneskraft der
Grande Nation, solche Summen, dass der Kleine Mann auf dem Pariser Thron
bereits um den französischen Staatshaushalt zu jammern begann.
Schließlich hat er in den Vorstädten der großen gallischen
Städte sein ganz eigenes Rebellenproblem!
Zweitens haben ja auch schon der kleine Guido und der lütte Dirk
einst bei Bernhard Grzimek gesehen, wie schwer es auch für schlaue
Schakale ist, sich dem Kadaver des gerissenen Gnus zu nähern, solange
noch die Löwen und Hyänen ihren Anteil an der schwer erlegten
Beute einfordern. Also schweben sie im Doppelpack in den befreiten und
bereinigten Luftraum ein und verkünden den ungläubig staunenden
Muselmännern viel gute neue Mär. Doch Vorsicht, ihr Kämpfer
von Bizerta. So neu ist diese Mär nun auch wieder nicht. Da erzählt
ihr euch beim abendlichen Tee in euren Zelten allemal weitaus bessere
und vor allem originellere Geschichten. Schickt sie mal wieder heim,
die beiden Weihnachtsengel! Wir wollen ihnen nämlich auch noch
viel gute neue Mär erzählen, bei der nächsten Bundestagswahl
nämlich. Vielleicht nicht ganz so gut für Dirk und Guido.
Für euch und uns aber... Na dann – insch'allah!