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Tata, Tibet, Transrapid

B. St. Fjøllfross
Was waren das noch für Zeiten, als das Gleißen des Koh-i-Noors inmitten der britischen Kronjuwelen für die indische Submission unter die Knute Albions stand! Was hatte der Rechtsanwalt Gandhi über Jahrzehnte zu kämpfen, um seiner großen Klientin Indien die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht zurückzuerobern! Der 12. März 1930 ist gerade mal 78 Jahre her. Sie erinnern sich doch: das Datum, das den Beginn des legendären Salzmarsches unter Mahatma Gandhis Führung kennzeichnet; den Anfang vom Ende des britischen Imperiums. 78 Jahre sind ein historisch gesehen verschwindend kleiner Zeitraum.
Die Welt hat seitdem ihr Gesicht gewandelt. Zwischenzeitlich ist das Empire kollabiert, Merry Old England war nach seinem gewonnenen Weltkrieg pleite und näherte sich in weiten Landesteilen selbst dem Dritte-Welt-Niveau. Es erholte sich nach Iron Maggies Roßkur. Zugegeben. Aber daß jetzt der indische Automobilkonzern TATA Motors die ehemals britischen Luxusmarken Jaguar und Land Rover aufkauft, die neben Rolls Roys und Bentley die Aushängeschilder der britischen Automobilindustrie sind, das ist ein Akzent, der Beachtung verdient.
Am liebsten hätten wir den Artikel mit dem römischen „Sic transiet gloria mundi“ getitelt. Aber das stimmt nicht. Der Ruhm der Welt vergeht nicht. Besser gesagt, er „geht nicht vorüber“, wie der Ausruf wörtlich übersetzt hieße. Zumindest nicht, wenn man das „Vorübergehen“ im geographischen statt im temporalen Sinne meint. Denn der Ruhm der Welt sucht sich im Laufe der Zeit auf dem Globus nur andere Hotspots, wenn Sie so gütig wären uns diesen Anglizismus nachzusehen. Der trifft den Nagel nämlich auf den Kopf. Horchen wir doch mal was die Römer uns noch so mitteilen: Hodie mihi, cras tibi – heute mir, morgen dir!“ Auch nicht schlecht. Etwas ausführlicher dargestellt bedeutet das: Heute fasse ich Dir in die Taschen und ich sollte es gründlich tun, denn schon morgen stehe ich meinerseits mit einiger Wahrscheinlichkeit bettelnd an deiner Türe. Die Zivilisationsgeschichte macht sich anscheinend einen Spaß daraus so eklatant immer und immer wieder die selben Pfade auszulatschen und dabei die Narretei derjenigen zu offenbaren, die da allenthalben glauben, sie würden tatsächlich mitweben am Mantel der Geschichte.
Indien also entscheidet nun von gehobener Position aus über das Wohl und Wehe britischer Arbeiter. Daß der britische Arbeitsmarkt vom Subkontinent aus entscheidend beeinflußt wird, ist nicht neu. Nur damals wurde der Kronbrite eben arbeitslos, weil im ausgebeuteten Land der Maharadschas alles viel, viel billiger hergestellt wurde. Einige Handelsherren unter dem Union-Jack gelangten dabei zu sagenhaftem Reichtum, während Karl Marx für die Befreiung des Gros der Bevölkerung Manifest und Kapital schrieb, was im Übrigen vom Gros der Bevölkerung weder gelesen, geschweige denn verstanden wurde.
Nun hat sich seit einigen Jahren der wirtschaftliche Wetterhahn schon ziemlich laut quietschend in Richtung Orient gedreht. Daß China und Indien, ja, daß mehr als ein halbes Dutzend asiatischer Staaten nach einem dreiviertel Jahrtausend erneut zum großen Schlag in Richtung Westen ausholen, ist kein Geheimnis. Nur jetzt bekommt das Orakel der Wirtschafts- und Gesellschaftsauguren aus den Achtzigern des letzten Jahrhunderts plastische Züge.
Wenn die Chinesen ein wenig von der Weisheit ihrer Nation über die Kulturrevolution hinwegzuretten vermochten, dann sollten sie angesichts dieser Entwicklung aufmerken. (Wir wissen doch aus unseren Fernsehfilmen – alle alten chinesischen Männer sind weise; zumindest wenn sie in lange Gewänder gekleidet sind und graue Spitzbärte tragen…)
Im Präsidium der „Kommunistischen“ Partei Chinas aber trägt man seit langem schon westliche Anzüge und mit den Spitzbärten hat sich das schon seit Mao erledigt. Nichtsdestotrotz: Der Gelbe Drache ist brüllend erwacht und rekelt sich nun auf der gewaltigen Landmasse Asiens herum. Unter seinem Schweif stöhnt seit einem halben Jahrhundert das riesige Himalaja-Reich Tibet. Die Tibetaner sind mehrheitlich ein sehr friedliches und bettelarmes Volk, das den chinesischen Invasionstruppen 1950 nur ein paar verrostete Musketen entgegenhalten konnte. Was der Drache in dem kargen Hochland sucht, welches er Xizang nennt, ist rätselhaft. Ein Gigant wie das Reich der Mitte könnte sich Tibets Bodenschätze auch eleganter aneignen. Den engen Schulterschluß zu den Atommächten und Bevölkerungskonkurrenten Indien und Pakistan wird man doch wohl in Peking nicht vordergründig im Auge gehabt haben. Oder wollte man den Gestaden des Indischen Ozeans doch wieder etwas näher sein? Es ist aber auch zu schade, daß Admiral Zheng Hes so erfolgversprechende Expeditionen 1433 sang- und klanglos abgebrochen wurden. Will man die damaligen Zielstellungen am Ende wieder aufnehmen? Das könnte gefährlich sein, denn seit den Seereisen des größten Admirals aller Zeiten sind fünfdreiviertel Jahrhunderte ins Land gegangen. Nicht nur die Indische Küste hat sich stark verändert, auch die geopolitische Situation verbietet ein Zündeln oder An-die-Brustgeklopfe nach Gorillamanier in dieser Ecke der Welt.
China hat überhaupt so seine Probleme mit Nachbarn, welche auf dem Platz des Himmlischen Friedens mitunter für abtrünnige Kinder gehalten werden. Die Insel Formosa, oder Taiwan genannt, macht ja seit den Tagen General Tschiang Kai-scheks und seiner Kuomintang auch gewisse Zicken.
Der Gelbe Drache erlebt seinen Zweiten Frühling und es steht nicht zu befürchten, daß er dessen Zenit schon überschritten hat. Doch daß es einen Zenit geben wird, das steht fest. Und wenn der erst überschritten ist, geht es in aller Regel abwärts. Vielleicht erleben wir noch, daß im Potala der Aufkauf eines chinesischen Konzerns durch eine tibetanische Gesellschaft besiegelt wird.
Man soll sich vorsehen in Peking! Etwas mehr Kooperation und Realitätsbezogenheit stünde den roten Mandarinen nicht nur im Olympiajahr besser zu Gesicht. Ein solches moderates Verhalten bildete auch die beste Grundlage für eine propere Rückversicherung, wenn sich der geopolitische Wetterhahn wieder einmal quietschend in seinen Angeln dreht.
Der Landbote hat diesbezüglich sicherlich gut raten! Was haben wir denn schon noch in der Germania Libera zu verlieren! Diese zukünftige Marginalprovinz am Westrand Chinas wird noch bescheidener auftreten als die lammfrommen Tibetaner. Denn während die tibetanischen Gelbmützen noch auf eine ungeheure Tradition fußen und einen Ozean des Wissens als geistigen Führer reklamieren, haben die alemannischen Schlafmützen all ihre Traditionen in den zwölf braunen Jahren verspielt. Sie sind dabei, im Pisanischen Ozean der Unbildung zu ersaufen und haben sich soeben selbst (!) ihr letztes innovatives As aus der Hand geschnippelt, wie man im Skat sagen würde. Der Transrapid ist futsch. Nicht mal mehr vom Münchener Flughafen in die Innenstadt der Bayernmetropole fährt er noch. Deutschlands Boomtown Nr. 1 knickt ein. Schlimmer können die Auspizien nicht mehr sein. Eine verheerendere, devastierende Auswirkung auf das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist schlicht nicht vorstellbar. Wo ist der Zeppelin NT? Wo ist die Innovationskraft und die daraus resultierende Spitzenreiterrolle der deutschen Industrie, von der die Exportwirtschaft des Reiches ungerechtfertigter Weise noch immer zehrt? Wir saufen ab! Definitiv! Und es wird lange dauern, bis sich die Geschichte der Zivilisation, dieses launische Weib, wieder des Landes unter den Eichen erinnern und erbarmen wird. Der Bundesaar wird schon bald über einem Haufen Habenichtse kreisen, denen das Spotten über die Armut der polnischen Nachbarn im Halse stecken bleibt. Dabei wird Deutschland nicht nur von seiner eigenen Ignoranz und Dekadenz in den Abgrund gerissen, nein, die Vereinigten Staaten von Amerika, an welche Nachkriegsdeutschland sein weiteres Schicksal mit einem unfaßbaren Devotismus kettete, reißt nun seinen europäischen Seppl-Hut-Vasallen unweigerlich mit in den Abgrund des eigenen Wirtschafts-Infarktes.
Lange Zeit haben wir ja darüber spekuliert, wie das Ereignis wohl aussehen wird, welches das Vierte Rom, die abgelebte U. S. A., zu Fall bringt. Die schwer angeschlagene Supermacht hatte ja immerhin bekanntlich den 11. September überstanden und auch die dümmliche Lynndie England, dieses Sinnbild banaler Bosheit, die in ihrer Zerstörungskraft den muselmanischen Hochhaus-Kamikaze durchaus ebenbürtig war. Alle Achtung!
Aber Amerika wäre nicht Amerika, wenn es nicht fortwährend bedroht werden würde! Wir dachten an das Große Beben im St. Andreasgraben, an das Abrutschen des Teide-Westhanges in den Atlantik und die deswegen zu erwartenden nassen Füße der Broker an der NYSE, an die Explosion des Yellowstone, an den von Aliens gerittenen Kometen, oder was sonst noch so die Heimat der Tapferen bedroht und zwangsläufig Billionen von Dollars aus dem globalen Finanzjetstream abzieht.
Aber nein – sie rotten sich selbst aus: Ein so lupenreiner Hypotheken-Harakiri – die japanischen Kriegsgegner von einst hätten den Amerikanern allein für diese Leistung einen Shintoschrein errichtet.
Und der deutsche Michel? Michel ist wie gesagt seit dem letzten Kriege brav hinter den Cowboys hinterhergetrottelt, weil er von denen weniger auf die Fresse bekommen hatte als vom russischen Bären. Und weil die ihn auch mehr hätschelten, als Iwan Medwedjewitsch das tun konnte oder auch nur wollte, da ihm doch selber das Vaterunser durch die Rippen pfiff. Außerdem lockten sie den Obrigkeitshörigen und Diktaturgebeutelten Michel mit dem großen Versprechen der Freiheit, die übersetzt bedeutet, daß auch der kleine Mann versuchen darf, seinen Nachbarn auszubeuten und dabei die Regierungspolitik seines Landes kritisch zu begakeln.
Nun hängt der dumme Michel gemeinsam mit dem großen Bruder im Schlick, so wie der Osten Deutschlands, die Größte DDR der ganzen Welt, einst gemeinsam mit dem roten Bären absoff. Das muß so ein fataler Zug am deutschen Wesen sein, so eine Art kollektiver Selbstzerstörungssehnsucht, welche die Deutschen immer wieder inspiriert, in jedem Hafen mit perfider Sicherheit eine Titanic auszumachen und für sich zu chartern.
Ja, was soll man nun dem Michel raten? Soll er es halten wie die Heuschreckenschwärme des internationalen Finanzkapitals: Soll der Hartz-IVer den aufblühenden Wirtschaftoasen hinterherziehen? Oder soll man sich in ein Bärenfell hüllen, eine Erdhöhle graben und warten, bis die Sonne des Reichtums wieder ein paar Strahlen auf die germanische Erde sendet? Ersteres hieße, sich in absehbarer Zeit mit den von Tanger und der Kyrenaika ablegenden Flüchtlingsbooten der Neger um die paar wenigen Plätze zu prügeln. Letzteres würde bedeuten, daß die Deutschen bald erfahren werden, wie ein weißes Hungerödem aussieht. Bisher kannten wir ja nur die prallen, aufgeblähten, schwarzen Bäuche der vor Hunger sterbenskranken Negerkinder aus Äthiopien.
Aber – um an den Anfang dieses Beitrages zurückzukehren – vielleicht kennt ja ein gnädiger Gott, welcher bekanntlich Eisen wachsen ließ, Erbarmen und veranlaßt ein paar gut situierte Neger aus dem an Diamanten reichen ehemaligen Deutsch Südwest (Namibia) das Altreich aufzukaufen, so wie es Tata Motors mit den Ford-Edelmarken tat. Und aufgepaßt, liebe Afrikaner: durch den freien Fall der Wirtschaft wird Deutschland in absehbarer Zeit recht wohlfeil auf dem Immobilienmarkt zu haben sein. Uns jedenfalls würde es freuen.
Vielleicht kann der Landbote dann einmal seinem Chef einen richtigen Südwester mit herunterklappbarem Halskragen schenken, den er sich schon so lange wünscht.

11. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008