Baaks

zurück zum Landboten

 

 

Heuschrecken

Don M. Barbagrigia
Gott schütze Amerika! Das meinen wir verdammt ernst!
Gegen welche Erzfeinde der Menschheit ist Hollywood nicht schon im letzten Moment erfolgreich zu Felde gezogen... Da waren Meteoriten, die gesprengt wurden, Vulkane, Aliens, Russen (was für die Amis dasselbe sein dürfte), Viren, zum Stillstand gekommene Erdrotation – es wurde immer wunderlicher. Doch eine Gefahr wurde von den Regisseuren der Traumfabrik noch nicht erkannt, die sie unbedingt einmal thematisieren sollten: die Heuschrecken.
Nein, nicht die biblischen, die Moses seinerzeit dem Pharao auf den Hals sandte. Es sind weitaus schlimmere. Und die wohnen nicht unter den Füßen der Amerikaner, nicht neben ihnen, nicht über ihnen in den Weiten des Alls – es sind Amerikaner!
Ja, das wird für die Welterlöser ein schwer verdaulicher Happen sein. The home of the brave itself is the home of the evil. Und wir reden hier nicht von islamistischen Schläfern. Wir reden von einer anderen Spezies: Finanzhaie nannte man sie früher. Aber diese Heuschrecken sind noch einen Zahn schärfer als der gute alte Finanzhai.
Doch nun Schritt um Schritt: Ein gewaltiges Erdbeben erschüttert die internationalen Finanzmärkte. Sein Epizentrum befindet sich unter der Wallstreet. Viele Amerikanische Häuslebauer und -besitzer haben ihren Lebensstandard über Jahrzehnte über die Beleihung ihres Wohneigentums finanziert. Wenn sich aber die Gesamtwirtschaftslage zum Schlechten wendet, können diese Hypotheken nicht mehr bedient werden, die Häusle kommen unter den Hammer. Wenn das aber ein Massenphänomen wird, so fallen die Immobilienpreise ins Bodenlose und die kreditierenden Banken warten auf ihr Geld bis zum St. Nimmerleinstag. Verluste in Milliardenhöhe sind die Folge. Ein Dominoeffekt breitet sich rasend aus. Wenn die Banken illiquide werden, so versuchen viele Anleger in kurzer Zeit ihr Vermögen noch dadurch zu retten, daß sie es so rasch als möglich abzuziehen versuchen – die Finanzlage der betroffenen Kreditinstitute wird noch desolater. Jetzt müssen die Banken das Tafelsilber verramschen. Was läge nun näher als laufende Kredite an solvente Abnehmer zu verscherbeln. Das nun eben sind die Heuschrecken. Eine Unterart zumindest. Die anderen waren, wir erinnern uns, Aufkäufer, Aussauger und Stilleger von Betrieben, die an und für sich schwarze Zahlen schrieben. Die Betriebe wurden weiterverscherbelt, in den Ruin gewirtschaftet, die Belegschaft saß auf der Straße. Welcher Unternehmer wollte unter solchen Bedingungen noch Arbeitskräfte langfristig binden? Hire and Fire – Heuern und Feuern war die Losung. Ein Import übrigens aus den U.S.A. Die deutsche Bundesregierung reagierte brav und glich diesen Standortnachteil mit einer drastischen Lockerung des Kündigungsschutzes aus.
Die Banken wird’s nicht gefreut haben. Ebenso wenig die deutsche Bau- und Zuliefererindustrie, die Bauhandelsketten etc, etc. Denn sie alle lebten vorher nicht schlecht von den deutschen Häuslebauern, die nun weniger und weniger wurden. Denn um einen Hausbaukredit aufzunehmen, braucht es schon eine Planungs- und Einkommenssicherheit über Jahrzehnte. Welche Bank aber vergibt schon Geld an Leute, die keinen festen Arbeitsvertrag mehr vorweisen können?
Doch Kredite sind nun mal die Seele von’s Geschäft! Ja, und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Das Barometer steht auf weltweite Rezession. Das konnten die ignoranten Amerikaner natürlich nicht wissen. Denn wenn ein Volk über Dekaden lang vermittelt bekommt, dass Karl Marx nur ein Pseudonym des ökumenischen Teufels ist, und wenn man den Tag damit verschleudert auf die Glotze zu starren und Sean Connery, Bruce Willis und Nicolas Cage beim fiktiven Retten der Welt zu zuschauen, dann bleibt kein Platz mehr für einen intellektuellen Blick in das „Kapital“ des Karl Marx und seiner ernstzunehmenden These von den zyklischen Krisen des Kapitalismus. Bevor Marx nämlich von einigen Spinnern zu einem modernen Erlöser und Gottvater-Substitut degradiert wurde, hatte sich der Mann beachtliche Referenzen als exzellenter Wirtschaftstheoretiker erarbeitet. Es lohnt schon, seine Werke zu lesen. Wenn auch die politischen Prognosen desto instabiler wurden, in je luftigere Höhen sie sich aufschwangen…
Doch zurück zu unserer kränkelnden Supermacht!
So wie der Meteoriteneinschlag, das Große Erdbeben im St. Andreasgraben, der Ausbruch des Supervulkans unter dem Yellowstone, der vom Teide ausgelöste Tsunami, die virulente Pandemie, der Atombombenanschlag von durchgeknallten Terroristen und dergleichen mehr nur eine Frage der Zeit ist, so ist eine hausgemachte und handfeste Wirtschaftskrise ebenfalls überfällig. Jetzt scheint sie über uns hereinzubrechen. Daß es die Wallstreet am 21. Januar 2008 noch nicht kalt erwischte, lag am gesetzlichen Feiertag des Martin-Luther-King-Day. Die NYSE (New York Stock Exchange, New Yorker Börse) bleib geschlossen.
Ja, Hollywood, was nun? Wie kämpft man gegen Banditen aus den eigenen amerikanischen Reihen? Wo sind deine Superhelden? Reicht das aus, Nieten im Nadelstreifen im Dutzend niederzuballern, niederzustrecken, ihnen Handschellen anzulegen und nach getaner Arbeit die Heldenzunge in den Hals des obligatorischen Filmblondchens zu versenken?
Doch haben wir im Landboten schon mehrfach festgestellt: Amerika sitzt auf dem absteigenden Ast. Amerika hat abgewirtschaftet. Ein sicheres Anzeichen dafür scheint uns – so blasphemisch das klingen mag – die Doppelkandidatur einer Frau und eines Negers für den amerikanischen Präsidentensessel. Wir begrüßen beides, doch scheint uns das keineswegs ein Produkt der inneren Reifung der U.S.A. zu sein. Das hat sicher auch nicht viel zu tun mit den Früchten intensiver Propaganda und Verschärfung von Strafrechtsmaßnahmen im Sinne der Durchsetzung der Political Correctness. Dafür sind die Amis viel zu stur. Wir sehen darin eher ein Anzeichen für sich ausbreitenden Paralyse und Scheiß-egal-Mentalität im Angesicht des absaufenden Dampfers. „Nearer my God to Thee...!“ So nach dem Motto: Nu laßt schon die Lady und den Schwatten auch mal auf die Brücke, das macht doch jetzt auch nichts mehr! Noch ein Schluck Bourbon gefällig, wanna have a drink? Ne? Vielleicht ’ne Nase voll Koks? Ooch nich? Hm.
No, thanks, wir brauchen nämlich noch einen unverstellten Blick auf die deutschen Wirtschaftsprobleme.
Wie kann es sein, daß brave deutsche Kreditnehmer, die ihre Wohneigentums-verbindlichkeiten über Jahre und Jahrzehnte hinweg brav tilgten, plötzlich vor dem Aus stehen. Wir legen den Finger hier nicht auf vereinzelte Tragödien sondern auf ein sich endemisch ausbreitendes Massenphänomen.
Nun, auch die deutschen Banken, die ja längst keine nationalen Kreditinstitute mehr sind, sondern dicke verwoben ins internationale Business, sind selbst mittlerweile in Schieflage geraten. Auch sie brauchen kurzfristig flüssige Mittel. Also verscherbeln sie gutgehende und durchaus gesunde Kredite an die bereits oben erwähnten Heuschrecken, die seit einigen Jahren zumeist über den knallharten und gnadenlosen amerikanischen Markt über den Großen Teich gehüpft kamen. Diese Private-Equity-Gesellschaften, Hedgefonds und andere Killer locken ihre Anleger mit enormen Renditeerwartungen, die sie auf folgendem Wege zu erfüllen trachten: Sie kaufen laufende Kredite von den Banken und fordern diese dann von den Kreditnehmern zur Fälligkeit. Diese aber sind darauf nun überhaupt nicht gefaßt. Sie haben ja schließlich mal einen ganz anderen Tilgungsplan, nicht nur auf Treu und Glauben, sondern vertragsrechtlich abgeschlossen. Wer hat schon in einem solchen Falle die Restschuld parat auf dem Konto zu liegen oder könnte diesen Betrag kurzfristig mobilisieren? Also gehen die allermeisten dieser armen Teufel buchstäblich über Nacht krachen. Sie müssen Insolvenz anmelden, ihre halb abgezahlten Häuser und Eigentumswohnungen kommen für einen Spottpreis unter den Hammer. Es stellt sich heraus, daß die Schuldner jahrelang in den Wind gezahlt haben. Die Heuschrecken streichen die Gelder ein und ziehen weiter. Zurück bleiben kaputte Schicksale. Franz Müntefering hatte es seinerzeit auf den Punkt gebracht und wir schließen uns seiner Meinung an. Man muß diese Plage im Sinne des Überlebens unserer Wirtschaft bekämpfen bis zur völligen Vernichtung des Gegners. Auch wenn sich Herr Wolffsohn von der Münchner Bundeswehr-Universität gegen diese sprachlichen Termini verwahrte und sie in einen Kontext mit der Sprache des Nationalsozialismus stellte, replizierten wir ihm und der Allgemeinheit wie folgt:
Lieber Herr Wolffsohn, bezüglich der sogenannten "Heuschreckendebatte" teile ich generell Ihre Ansicht, daß es ein Unding ist dem Nackten Affen Tiernamen beizulegen. Eine schlimmere Diffamierung der gegen die Mikrobe der Menschlichen Dummheit immunen Fauna läßt sich nicht denken. Gestatten Sie mir dennoch Ihnen zu widersprechen, wenn Sie dem Heuschreckenvergleich eine Kontinuität zur LTI (Victor Klemperer) zuschreiben. Die Juden konnten sich ihr Judentum nicht aussuchen (ich persönlich halte die Juden für ein großes Volk) und einen Juden seines Judentums wegen zu kränken ist infame Blödheit. Die "Heuschrecken" der Investitionswelt aber haben sich sehr bewußt in ihre Lebensphilosophie begeben und vernichten ungerührt menschliche Existenzen, die ihrer Profitgier nichts entgegenzusetzen haben. Sie mögen nun richtig einwenden, daß sei das eigentliche, das natürliche Verhalten des Nackten Affen. Aber dann erübrigt sich auch jede von irgendeinem Ethos getragene Diskussion. Womit ich Sie, verehrter Herr, sehr herzlich grüße und verbleibe als Ihr sehr ergebener
Kotofeij K. Bajun
-Preußischer Landbote-

Schon 2004 begann Herr Müntefering seinen verbalen Kreuzzug gegen das Finanzheuschreckentum. Bis heute scheint sich nichts getan zu haben. Noch immer öffnen deutsche Kreditnehmer, die da hoffen, das Haus oder die Eigentumswohnung würde in absehbarer Zeit ihnen gehören, morgens ihren Briefkasten und denken als erstes an Selbstmord. Das ist eine kriminelle Schwäche der deutschen Jurisdiktion. Die deutsche Regierung hat sich bei Amtsantritt verpflichtet, das deutsche Volk zu schützen. Und zwar nicht am Hindukusch sondern zu Hause – im Reich! Das tut sie definitiv nicht! Nicht, solange sie sich diesem Unwesen nicht wirksam entgegensetzt. Und niemand soll behaupten, das wäre so schwierig!
Was ist denn dabei, gesetzlich festzuschreiben, daß Verbindlichkeiten, wenn sie denn veräußert werden, mitsamt ihren vertraglichen Konditionen weitergereicht werden? Nicht der Kredit kann verkauft werden, sondern der Vertrag! Und schon verlieren Banken die Lust am Verkaufen und die Heuschrecken den Hunger auf so unappetitliche Geschäfte. Wer hindert denn den Gesetzgeber an der denkbaren Alternative, auf solche Verkäufe enorm hohe Verkaufsteuern zu erheben, welche zu gleichen Teilen von Käufern und Verkäufern erhoben werden und die mitnichten auf die Kredit- oder Tilgungsmasse abgewälzt werden dürfen. Diese Steuern können dann nach Abzug der Bearbeitungskosten und eines staatlichen Anteils über einen Fonds an die Geschädigten weitergereicht werden, damit diese im Ernstfalle die Forderungen ad hoc bedienen können. So einfach geht das. Dieses nicht umzusetzen ist nur ein Zeichen mangelnden Willens.
Was immer die deutsche Regierung also in den letzten beiden Legislaturperioden für die Konsolidierung der deutschen Wirtschaft erreichte, durch fahrlässige Unterlassung reißt sie ihre Erfolge durch die Hintertür wieder ein.
Der Handlungsbedarf ist akut. Und wenn Herr Koch seine drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der Jugendkriminalität vorschlägt, die wir im übrigen durchaus unterstützen, dann möge er sich auch im Hinblick auf den nächsten Wahlkampf bewußt werden, daß die Heuschreckenplage ebenjenem Verfall der bürgerlichen Ordnung in jeder Hinsicht Vorschub leistet. Die flächendeckenden Seuche der bewußt herbeigeführten privaten Insolvenzen läßt nicht nur eine große Konsumentenmasse wegbrechen, was die Struktur ganzer Siedlungsareale zum Teufel gehen läßt, sie geht dann auch zu Lasten der deutschen Sozialkassen. Ehemals potente Einzahler, denn nur solche bauen im Allgemeinen ein Haus, werden zu Sozialfällen und strapazieren das ohnehin gebeutelte soziale Netz der Bundesrepublik, bis es reißt.
Und wofür? Damit sich die Anleger dieser Kapitalgesellschaften unter der karibischen Sonne rekeln können? Dafür muß und soll die deutsche Wirtschaft schwer geschädigt werden und der deutsche Michel zahlen?
Für die nächste Wahl sei in Aussicht gestellt: Nur die Partei, die ein rigoroses Vorgehen gegen diese Heuschreckenplage ins Wahl- und Parteiprogramm aufnimmt und dort verbindlich fixiert, sollte eine ernsthafte Chance auf eine der vorderen Plätze haben. Aber das liegt letztendlich in den Händen der Geschädigten, der Wähler nämlich.

11. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008