BRD – Blödsinn,
Raffke und Diäten
Don M. Barbagrigia
Nicht die Diätenerhöhung,
welche sich die Bundestagsabgeordneten im Frühjahr 2008
zu genehmigen trachteten, ist die eigentliche Unverschämtheit.
Nicht die Bezugserhöhung, über welche die Bundesregierung
im gleichen Zeitraum nachdachte, schlägt dem Faß
den Boden aus.
Erstens würden all diese Strategen in der freien Wirtschaft
wahrscheinlich wirklich das Doppelte bekommen, alleine schon
der vermuteten und tatsächlichen Beziehungsgeflechte geschuldet,
die sie während ihrer – ein Journalistenkollege aus
Süddeutschland nannte sie kürzlich: Saalkarrieren
– aufgebaut haben. Saalkarriere – das meint: Kreißsaal
– Hörsaal – Plenarsaal. Von einem zum anderen
dieser Säle scheinen sie durch Tunnel hindurchzuwitschen,
welche sie erfolgreich gegen die gelebte Realität der Außenwelt
abschirmen.
Es ist diese besondere Instinktlosigkeit dieser „Politiker“,
mit der sie zu Werke gehen und die viel darüber verrät,
wie weltfremd sie mittlerweile ihre Lobbyistensüpplein
kochen.
Wir konnten solches in der lokalen Politik ebenfalls bereits
beobachten, als ein junger Karrierist und eifriger Parteibuchwechsler
viel über Einsparmaßnahmen im öffentlichen Haushalt
schwadronierte, die doch – wie üblich wieder andere,
nicht ihn selbst um Gottes Willen – betrafen. Ein alte
Sekretärin endlich meldete sich zu Wort und fuhr ihm, der
im Leben noch keinen produktiven Handschlag getan hatte, böse
übers Maul. Was auf der regionalen Ebene noch angehen mag
– im Reichstag ist diesbezüglich jede Messe gesungen.
Ist es schon ein Irrsinn, daß Abgeordnete über ihre
Gehälter selbst befinden können und wir bei solchen
Abstimmungsrunden seltene Momente der vollkommenen Eintracht
im Hohen Hause erleben dürfen – so macht die Höhe
der geplanten Anhebungssätze schlichtweg schaudern.
Nicht, daß die 16 % in den nächsten beiden Jahren
im ohnehin hochverschuldeten Staatshaushalt einen nennenswerten
Posten abgäben. Es ist diese gnadenlose Frechheit, trotz
eklatanten, kontinuierlichen Versagens über viele Legislaturperioden
hinweg, sich eine Diätenerhöhung in Höhe dieser
16% zu verordnen, wo andere, hart arbeitende Menschen grausam
lange für läppische 2 % streiken müssen, die
noch nicht einmal die Inflation abdecken. Es ist diese Raubrittermentalität,
welche die einfachen Menschen ankotzt. Es ist diese unverfrorene
Unverhältnismäßigkeit zur dargebrachten Leistung
bzw. Fehlleistung. Versagen diese Leute, die sich doch so gerne
auf ihre Verdienstmöglichkeiten in der freien Wirtschaft
berufen, nämlich dort in gleichem Maße, dann sind
sie draußen! Und nix mit Lohnerhöhung, und schon
gar keine 16%! Das ist der eigentliche, der ganz große
Skandal!
Dazu kommt, daß es kein dem Parlament übergeordnetes
Kontrollgremium gibt, welches vom Hohen Hause völlig unabhängig
über die Zuwendungen an die Abgeordneten entscheiden kann.
Über sein Gehalt selbst befinden kann bis zu einem gewissen
Maße nur der selbständige Unternehmer. Dieser muß
sich aber quasi aus der eigenen Tasche bezahlen, während
die Parlamentarier munter in die öffentlichen Kassen greifen,
die nur noch für sie ungehemmt zu sprudeln scheinen. Mit
ungeheurer Arroganz verteidigen sie diese Bubenstückchen
gegen die Fragen der Reporter und des ganzen Volkes. Ist das
die Arroganz, die sich der Souverän anmaßt, als welcher
sich das Deutsche Parlament zumindest stellvertretend für
den Papier-Souverän „Deutsches Volk“ begreift?
Selbst wenn der deutsche Michel nur noch nominell Herr im eigenen
Hause ist und mit seinem schwarz-rot-goldenen Krönchen
auf seinem Ochsenkarren vorgeführt wird, wie der letzte
merowingische König, während ein Rudel von potenten
Hausmeiern, als Wirtschaftsmagnaten und Parlamentarier verkleidet,
längst das Regiment führen, selbst wenn also das Parlament
schon den wahrhaftigen Souverän spielt, so wäre es
doch ganz ohne Beispiel, daß es in einem Lande mit grundgesetzlich
verankerter Gewaltenteilung keine Instanz mehr geben soll, die
dieser Schwatzbude noch ernsthaft auf die Pfoten hauen kann!
Was für jammervolle Gestalten dort mittlerweile das Vaterland
in den Abgrund steuern, merkt man an der Art, wie sie sich vor
dem Druck verkriechen, den sie selbst mit ihren Anmaßungen
und Unverschämtheiten aufbauten.
Wenn nämlich dann die Wut der Volksseele hochzukochen beginnt,
kneifen sie feige die Schwänze zwischen die Beine, nehmen
dabei von der zweiten Phase der Diätenerhöhung großzügig
Abstand, und vergessen dabei tunlichst zu erwähnen, daß
die erste Phase sehr wohl und ungeschmälert durchläuft.
Zeitgleich läuft im Deutschen Fernsehen ein Interview mit
dem von uns immer sehr geschätzten Altbundeskanzler Helmut
Schmidt. Dieser verrät uns plötzlich, daß das,
was heute im Bundesarmutsbericht als arm bezeichnet wird, zu
den Zeiten seiner Großeltern blanker Reichtum bedeutet
hätte. Er meint, als Hartz-IV-Empfänger würde
er sich seine Zigaretten selber drehen und wenn man ein kleines
Häuschen auf dem Lande hätte, dann ließe sich
mit Hartz-IV ganz gut leben. 89 Jahre ist er jetzt alt –
vielleicht sollten wir mit dem alten Manne nicht zu arg ins
Gericht gehen. Das Senium fordert nun wohl seinen unvermeidlichen
Tribut ein. Für unseren Leserkreis jedoch bedarf es wohl
bezüglich dieser völlig blödsinnigen Äußerungen
keines Kommentars. Man möchte Rotz und Blasen heulen: „Herr
Schmidt – Sie jetzt auch schon…?!“
In einem Punkte aber wird der alte Mann von Hamburg schon recht
haben: Deutschland wird wohl zurzeit noch von den letzten Strahlen
einer Abendsonne gewärmt, die wir Deutschen in vollen Zügen
genießen sollten. Bald schon wird sich eine stockfinstere
Nacht über die Heimat senken, die uns Nichtparlamentariern
Heulen und Zähneklappern bescheret und die bittere Erkenntnis
dessen, was Helmut Schmidts Großeltern unter Armut verstanden.