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Deutschland und Amerika
– eine asymmetrische Beziehung

B. St. Fjøllfross
Im Fernsehapparat flimmert ein Action-Schinken aus dem Hause Hollywood. Nicolas Cage jagt den Schatz der Tempelritter – Sie erinnern sich: das waren die tragischen Haudegen und Finanzmagnaten des mittelalterlichen Europa. Natürlich beweihräuchern die Amerikaner dabei ausgiebig die Insignien der eigenen, vergleichsweise unbedeutenden Geschichte. Die Unabhängigkeitserklärung, die Freiheitsglocke, die Freimaurersymbole auf den Dollar-Noten. Assistiert werden Sie dabei von der bildhübschen, aber sonst nicht sehr gehaltvollen Hildesheimerin Diane Heidkrüger, besser bekannt als Diane Kruger.
Das läßt uns über das Verhältnis der Deutschen zu den Amerikanern nachdenken. Sehr deliberiert wählen wir diese Reihenfolge. Die umgekehrte Richtung ist nämlich beinahe vernachlässigbar.
Der Vergleich des antiken Rom zu „seinem“ zuerst besiegten und dann etwas romantisierten klassischen Griechenland drängt sich auf. Rom war sich dessen sehr wohl bewußt, daß hier der Sohn den Vater niedergerungen hatte, der ihm an Lebensart und Erfahrung um Größenordnungen überlegen war. Kronos entmannt Uranos, Zeus überwältigt Kronos… Aber dazu später.
Prägend für dieses einseitige Verhältnis der Deutschen zu den Amerikanern war der letzte Weltkrieg, den das Deutsche Reich Gott sei Dank verlor.
Was passierte da? Drücken wir es mal bildlich aus: Der Amoklaufende, weil durch Jahrhunderte am Erwachsenwerden gehinderte Deutsche Michel ist vom großen, starken Cowboy zusammengedroschen worden – allerdings lag da Faschisten-Michel schon blutend am Boden, Bärenbranten und -zähne in seinen mittlerweile morschen Knochen aus Kruppstahl. Seitdem blickt er hündisch ergeben auf zu seinem „Bezwinger“, dem großen, starken Cowboy und versucht nachzuäffen, was er kann: Sprache, Gangart, Denkweise.
Ach, wie sehr hat sich Iwan Iwanowitsch, der große rote Bär, genau diesen nicht erzwungenen, völlig unkritischen Devotismus gewünscht, nachdem er beinahe im Alleingang die Hauptarbeit geleistet hatte, den tollwütigen teutschen Aar niederzuringen. Doch obwohl sich das kommunistische Bärchen den Titel „Großer Bruder“ sogar zulegte, gelang es ihm nie. Er war gefürchtet und verachtet und gehaßt. Auf beiden Seiten der deutschen Demarkationslinie. Sehr zu unrecht übrigens. Denn im Gegensatz zum Vierten Rom war das Dritte schon seit Tausend Jahren eine Kulturnation ersten Ranges. Es sei nicht verhohlen, daß die Rote Armee und die Bolschewisten diesem Hocherbe in keiner Weise gerecht wurden, sondern alles taten, um ihrem Bild als blutrünstige, vergewaltigende Mongolenhorden gerecht zu werden.
Wir wollen aber doch nicht vergessen, wie deutsche Einsatzgruppen, SS und Gestapo und eben auch die Wehrmacht vorher in Rußland hauste, wo sie per se erst einmal nichts, aber auch gar nichts verloren hatten. Hätten die Deutschen die Gelegenheit gehabt, in Amerika genauso zu wüten, die Amerikaner wären schwerlich als lichte Befreier in Erscheinung getreten. Man hätte sie wohl nur an ihrer Uniform von den Russen unterscheiden können.
Desungeachtet: Andrjuscha Rjublow malte seine Kasaner Gottesmutter Jahrhunderte bevor George Armstrong Custer seine lustigen Treibjagden auf wehrlose Indianer durchführte. Doch Kultur interessiert die nach einem laxen Leben dürstende Unterschicht traditionell überhaupt nicht.
Zar Iwan IV. gab wahre Meisterschaft in Politik und Staatskunst zu erkennen, als der amerikanische Kontinent gerade mal ein paar Jahrzehnte erst von den Europäern zum x-ten Male wiederentdeckt worden war und der Indianerschlächter de Soto mit Pulver und Blei die Interessen der Alten Welt auf der neuen Landmasse formulierte. Und genau diese Art Politik zu treiben imponiert den Minderbemittelten in aller Welt – nicht die Diplomatie, die würde ihr weiches, retardiertes und rudimentäres Unterschichtenhirn sowieso nur überfordern. Kraft und Stärke und gelebte Gewalt, das Recht des „Besseren“, des Skrupelloseren, des Gewalttätigeren, des Schnelleren – all das, was der häßliche Cowboy vor dem O. K. Corral zu Tombstone/ Arizona so eindrucksvoll demonstrierte und wofür er sich fortwährend an die Brust trommelte wie King Kong auf dem Empire State Building – das bringt die Augen der Unterpriveligierten in aller Welt zum Leuchten. Doch nirgendwo sonst so sehr wie in im guten alten Teutschland. Ach, der Michel möchte unter seiner Zipfelmütze auch einmal so furchteinflößend und dräuend blicken, daß seine Frau(en) gar nicht anders können, als ihn der schmachtenden Seufzer voll, ins Bett zu flehen. Süße Träume…
Ja, wenn der Elvis mit der Hüfte wackelte; wenn der Luftzug aus dem U-Bahn-Schacht Marilyns Röckchen so launig anhob, von dieser sehr kokett und nur ganz halbherzig wieder niedergedrückt – Gott, Michel, das ist Kultur! Das ist des Anschmachtens wert. Vergiß Bach und Schütz, Brentano und Storm, Caspar David und Dürer! Mit Coke geht die Post ab! Eine Blubberblase aus einem echten Wrigley’s Kaugummi – und wir werden mit allem Streß im Handumdrehen fertig. Wozu brauchen wir da Luther und seine Philosophie?
Daß die Amerikaner erst sehr spät auf der Weltbühne erschienen, dafür können sie nichts. Und in jedem Neuanfang könnte auch etwas Gutes liegen. Dafür steht ja die Unabhängigkeitserklärung, mit der Herr Cage und sein Blondchen durch Philadelphia hetzten. Aber auf Dauer ist das halt mit dem Nackten Affen nicht zu machen. Der braucht allewege nur ein hehres Symbolon, auf das er mit tränenfeuchten Augen verweisen kann, … während er seinem Nachbarn in die Tasche faßt, dabei dessen Weib begehrt und was dergleichen gottgefälliges Treiben mehr ist.
Wir denken, daß es genau diese Attribute des amerikanischen Charakters sind, die den zusammengemöbelten Michel so faszinierten, kaum daß er blutend und leidend aus seiner verschlissenen Blockwartsjacke gekrochen war. Die Unabhängigkeitserklärung wird es jedenfalls kaum gewesen sein.
Nur dreimal größer ist der Cowboy, wenn man die Bevölkerungszahlen vergleicht. Was das Staatsgebiet betrifft, nun gut, so hat Michel wegen seiner vorrausgegangenen Irrsinnstour durch Europa beinahe ein Viertel seines Territoriums eingebüßt. Aber sieht man sich die Vereinigten Staaten von Amerika unter wirtschaftlichen Aspekten an, so finden wir weite Teile, die auf Dritte-Welt-Niveau dahinmurkeln. Der so bewunderte amerikanische Reichtum ist höchst ungleichmäßig verteilt und so nehmen wir an, daß das, was die Amerikagläubigen Völker der Welt so anbeten, eigentlich ein großer bunter Vorhang ist, hinter dem es weitaus bescheidener zugeht. Vom Dritten Rom her kennen wir dafür den Ausdruck des Potemkin’schen Dorfes. Sicher, wir wollen nicht in Abrede stellen, daß dieses amerikanische Potemkin’sche Dorf noch immer ganz gut im internationalen Wettrüsten aufgestellt ist. Die Flugzeugträger, Raketen, Atombomben, Apache-Hubschrauber, Atom-U-Boote und der ganze Kram, mit dem die Amerikaner die Speerschwingenden Negervölker noch immer zutiefst beeindrucken (oder auch nicht, wie wir 1993 in Mogadischu erlebten) sind für Michel überaus staunenswert. So sehr, daß er „dinglisch“ radebrechend staunt (dinglisch steht für das unerträgliche Gemisch aus schlechtem Deutsch und noch schlechterem Englisch). Alles was auf der anderen Seite des Atlantiks gekocht wird, das schwappt früher oder später über den Teich und wird vom Michel begierig als abgestandene, abgeschmackte und bereits abgekühlte Suppe gierig geschlürft und gelöffelt.
Es ist sicher gut so, daß der seinerzeit ausgetickte Michel nicht mehr mit jenem unseligen Spruch über die Kontinente poltert: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!“ Desungeachtet ist es nicht minder lächerlich, wenn nunmehr die deutsche Seele an der amerikanischen Unkultur genesen soll.
Unkultur nennen wir in diesem Zusammenhang die legendäre amerikanische Ignoranz, die in bester Römermanier alles, was da kreucht und fleucht und keinen amerikanischen Paß in der Tasche hat, als unbedeutende Barbaren betrachtet, die, wenn dann überhaupt nur den Zweck erfüllen, den Amerikanern zu einem schönen Dasein zu verhelfen. Die Neger waren durch die amerikanische Brille betrachtet minderwertig, die Indianer waren es, die Chinesen und Japaner waren es. Gerade die letztgenannten „gelben Affen“ hatten in ihrer jeweiligen Geschichte die menschliche Kultur und das Wissen zu so unglaublicher Blüte geführt, daß die eigentlichen Barbaren dagegen mit Sicherheit die Yankees waren. Diese jedoch trugen eben nur eine weitaus höhere Aggressivität vor und hatten die besseren Waffen. Was sie jedoch nicht hatten, war eine Art des besseren Umgangs miteinander. Dieses fehlende Konzept, was sich eben nur über Jahrtausende in sich stetig entwickelnden Kulturen bilden kann, versuchen sie ja nun seit einigen Jahren durch ihre krampfhaft durchgepeitschte Political Correctness zu substituieren. Wahrlich jämmerlich, aber dennoch aller Ehren wert. Sie haben ja sonst nichts. Doch: ein großes Maul! Mitunter schlimmer als das der Araber – und das will was heißen!
Und Michel hängt ihnen gläubig an den Lippen. Das Fatale dabei ist, daß er für diesen Irrglauben seine gewachsene Kultur über Bord zu werfen bereit ist. Die Deutschen sind froh, wenn sie sich wenigstens als Hilfs-Puertoricaner den Amerikanern andienen können, der kleine kaum beachtete Deputy Michel dem strahlenden Marshal Sam, der Schutzmacht, dem Großen Bruder. Menschenskind, du dummer Michel! Wann zum Teufel wirst du wohl endlich erwachsen? Wann wirst du aufhören, andere Nationen aus deiner inneren Schwäche und deiner Haltlosigkeit heraus anzupöbeln und ihnen später in den Arsch zu kriechen? Wann kriegst du endlich die Mitte?
Wenn die Amerikaner dich wahrnehmen, dann in Lederhosen jodelnd mit einem Weißbierkrug in der Hand. Und du gefällst dir in dieser idiotischen Pose? Pfui Teufel! Die Amerikaner haben keine Kultur, dafür haben sie wenigstens Selbstachtung. Etwas zu viel für unseren Geschmack. Aber sei’s drum. Sie haben welche. Das ist etwas, was Du selbst unter dem Gröfaz nicht hattest, Michel, obwohl du dir in deiner schwarzen SS-Uniform todschick vorkamst und dich gefreut hast, wenn der Franzos, der Jud und das kleine Russenmädel schreckensbleich geworden sind, wo du auftauschtest. Wenn es etwas gibt, was du wirklich bei deinem ignoranten Großen Bruder in Übersee lernen kannst, dann dieses eine: Selbstachtung! Äffe es nicht nach, nimm es dir an und verinnerliche es. Anfangs des Zwanzigsten Jahrhunderts hattest du der Welt unendlich viel mehr zu bieten, als Uncle Sam es selbst mit der nach dem Zweiten Weltkrieg geklauten deutschen Hirnmasse vermochte. Denn zum Fortschritt, den deutsche Wissenschaft der Welt bescherte, gesellten sich Weltoffenheit, Kultur und Herz – sofern man von den Nationalisten absehen kann. Das ist dein Kapital, Michel, nicht der braune Ring um den Hals, der zum Vorschein tritt, wenn du den Kopf mal für einen Augenblick aus dem Hintern der U.S.A. frei bekommst. Nutze es! Verdammt noch mal, nutze es!
Übrigens: 1866 wurde eine der heute ältesten und größten Rosen der Welt in Tombstone angepflanzt. (Die Rosenstöcke von Hildesheim und Plaue an der Havel waren kriegsbedingt leider ausgeschieden.) Das ist nicht eben viel Kultur, aber es ist ein Anfang. Für Michel wäre es wohl das definitive Aus, würde der Schnellschuß-Cowboy nun auch noch kulturell an ihm vorüberziehen. Das wäre dann die Gosse! Mit diesem Tag würde dann die bleiche Mutter Deutschland wirklich nur noch in den Geschichtsbüchern existieren – ganz so wie es uns Preußen auch von den Amerikanern zugedacht war, denen wir einst auf die Beine halfen.

11. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008