Fackel im Sturm - Eine 
                  Fackel stolpert durch die Welt
                Akinokawa M.
                  Das Olympische Feuer soll den Völkern der Welt die gleichnamigen 
                  Spiele verkünden. Seit dem Altertum hatte während 
                  der Dauer der Spiele Friede zu herrschen. Ungehindert sollten 
                  die Athleten und Besucher zu den Kampfstätten gelangen, 
                  ungehindert und friedlich sollten die Wettkämpfe ablaufen.
                  Mittlerweile sind die Olympischen Spiele zu einem Milliardengeschäft 
                  verkommen, bei dem sich die privilegierten Austragungsorte in 
                  Szene setzen, für ihre Wirtschaft wie auf einer Messe Werbung 
                  machen und ihre politischen Systeme reinwaschen. Wie auf einer 
                  Kirmes können sich die finanzstarken Nationen Medaillen 
                  kaufen.
                  Letzteres muß man sich nun nicht so vorstellen, daß 
                  diese Geschäfte innerhalb eines Deals abgemacht werden. 
                  Es ist nur so, daß es sich eben nur reiche Nationen und 
                  solche mit ausgeprägten Minderwertigkeitskomplexen, wie 
                  die ehemalige größte DDR der ganzen Welt, leisten 
                  können Sportler unter Bedingungen trainieren zu lassen, 
                  die zu Hoffnungen auf vordere Plätze berechtigen. Eine 
                  Medaille beschert der Nation nun wiederum einen erheblichen 
                  Image- und Prestigegewinn, stärkt das Nationalgefühl 
                  der Gewinner, läßt auf der anderen Seite die armen 
                  chancenlosen Teufel in Depressionen verfallen. Nichts da mit 
                  „Dabeisein ist alles!“ Das ist alles Blödsinn! 
                  
                  Es mag noch vereinzelt Sportler geben, die der olympischen Idee 
                  und ihrem Sport mit heißem Herzen dienen. Arme fehlgeleitete 
                  Phantasten. Sie sind genau wie ihre gedopten Kollegen, die oftmals 
                  nur als Wirtschaftsunternehmen in eigener Sache antreten und 
                  für die eine Medaille nurmehr die Fortschreibung der Sicherung 
                  ihrer Existenz als Sportler für die nächsten paar 
                  Jahre bedeutet, Marionetten einer Funktionärselite des 
                  IOC und der ausrichtenden Staaten. Sie sind austauschbare Statisten 
                  im ganz großen Milliardenpoker, sonst nichts. Wir schreiben 
                  das voll unendlichen Mitgefühls für Menschen, die 
                  sich ihr Leben lang plagen und schinden um einmal vor den Augen 
                  der Welt ein olympisches Treppchen zu erklimmen und auf so perfide 
                  Weise mißbraucht werden.
                  Schäbiger Mißbrauch wird auch mit den Zeremonien 
                  getrieben, die sich spätestens seit dem diesjährigen 
                  olympischen Fackellauf zu einem auf der ganzen Linie diskreditierten 
                  Desaster entwickelten. Vor dem Hintergrund der verzweifelten 
                  Proteste bettelarmer Tibeter, die von den Han-Chinesen in ihrem 
                  eigenen Land Tibet wie der letzte Dreck gehalten werden, und 
                  die bei diesem weltweit beachteten Spektakel die einzige Möglichkeit 
                  sehen auf ihre elende Lage aufmerksam zu machen, zerfallen die 
                  Fassaden der honorigen Funktionärsclique des IOC und der 
                  „kommunistischen“ Führungsriege des Gelben 
                  Drachen in tausend Scherben. Wie jämmerlich ist der Anblick, 
                  wenn die Fackel von schwerbewaffneten Polizisten über geheime 
                  Strecken eskortiert wird. Eine Fackel, die Menschen zusammenrufen 
                  soll, muß vor ihnen verborgen und geschützt werden. 
                  Das verdiente schon eine olympische Goldmedaille in der Disziplin 
                  „paradoxe Perversion“! Ein aberwitziger Mummenschanz 
                  ist es, eine todtraurige Lachnummer! 
                  Die Tibeter weinen vor Schmerz und ohnmächtigem Zorn, die 
                  verbiesterten Chinesen spulen eine geifernde Kurt-Hager-Propaganda 
                  ab, das IOC stottert und brabbelt mit jedem Bulletin noch größeren 
                  Blödsinn daher und die europäischen Wohlstandsweiber 
                  schmelzen orgastisch dahin beim Anblick seiner Heiligkeit des 
                  14. Dalai Lamas, dessen großes Menschsein sie im Mindesten 
                  nicht erfassen, während sie nur von ihrer eigenen Erlösung 
                  träumen. (Sie von ihren dumpfen Qualen gefühlter Sinnleere 
                  zu befreien kann aber auch der Gottkönig aus dem Potala 
                  nicht leisten, denn „ … gegen die Dummheit kämpfen 
                  Götter selbst vergebens“!)
                  Irgendwie erinnert das Debakel fatal an die Münchner Spiele 
                  von 1972. Nun sind die Tibeter zwar keine völlig abgedrehten 
                  Palästinenser. Dennoch ist der Grundtenor der Angriffe 
                  auf die Spiele und ihr Umfeld derselbe: Es geht um den Transport 
                  politischer Aussagen und Willensbekundungen, die sonst kein 
                  beachtetes Forum finden können.
                  Darauf reagierend krakeelt der Chor der Mächtigen um Jacques 
                  Rogge, die Spiele seien keine politische Veranstaltung – 
                  Sport und Politik dürften nichts miteinander zu tun haben. 
                  Dümmer geht’s nimmer! 
                  Ist es etwa keine politische Entscheidung, die Spiele an einen 
                  bestimmten Bewerber zu vergeben? Werden die Kandidaten wirklich 
                  nur nach der Qualität ihrer Sportanlagen und der Behausungen 
                  für die Sportler vergeben? Wie naiv muß man sein 
                  um solchen Schwachsinn auch nur ansatzweise ins Kalkül 
                  zu ziehen. Hinter allen Olympischen Spielen steht immer neben 
                  dem verlogenen Motto noch eine knallharte Kernaussage über 
                  den wahren Charakter dieses Großereignisses.
                  Nun aber noch ein Wort zu den Mandarinen aus Peking. Die Welt 
                  – und wir sprechen hier von der okzidental geprägten 
                  Hemisphäre – regt sich umsonst auf. Der Zeltmacher 
                  und Apostel Paulus ist nicht durch das Reich der Mitte gewandert. 
                  Christliches Ethos ist dort eine mehr als marginale Kuriosität. 
                  China tickt grundsätzlich anders. Konfuzianismus impliziert 
                  Vorstellungen von der Menschenwürde, die von denen Europas 
                  und Amerikas beinahe diametral abweichen. Würdig ist der 
                  Erfolgreiche, nicht der Verlierer. Und weil Anderthalb Milliarden 
                  Menschen so denken, kann man das nicht einfach ignorieren. Im 
                  Übrigen werden die Mandarine ob der moralischen Entrüstung 
                  des Westens nur den Kopf schütteln. Ist es doch mehr als 
                  offensichtlich, daß dieses ethische Grundgebäude 
                  zu seinem überwiegenden Anteil auch nur aus scheinheiligen 
                  Lippenbekenntnissen besteht. Was haben denn die europäischen 
                  Kolonialmächte über Jahrhunderte anderes betrieben 
                  als die Chinesen in Tibet? Den Chinesen wird die Hunnenrede 
                  des teutschen Kaisers Willi II. noch böse in den Ohren 
                  gellen! Trotz des christlichen Wertekanons! Setzen wir noch 
                  eins drauf: Verträgt sich Neokolonialismus mit den Menschenrechten?
                  Natürlich können einem die Tibeter im Herzen leid 
                  tun. Es nutzt doch aber nichts. Eine Restitution des feudalen 
                  Paradieses rund um Lhasa ist ausgeschlossen, sowenig wie wir 
                  rund um die Havel jemals wieder funktionierende slawische Fischerdörfer 
                  und Wehrburgen bekommen werden. Bestenfalls nach dem nächsten 
                  Atomschlag, wenn die Zivilisationsuhren wieder auf die Steinzeit 
                  zurückgestellt werden. Aber auch dann sind die entstehenden 
                  Gesellschaftsformen mit Sicherheit keine Replikate des einst 
                  Dagewesenen. Es wird nie wieder ein altes Königsberg/Opr. 
                  geben. Nie wieder! Kein Inkareich! Kein Persepolis! Kein Altes 
                  Rom! Die Geschichte ist darüber hinweg gegangen, wie es 
                  so ihre Art ist.
                  In dieser Erkenntnis verborgen liegt aber auch die Wurzel für 
                  das künftige Scheitern des chinesischen Riesenreiches, 
                  das sich auf Dauer auch nicht wird halten können. Wohlstandsgefälle 
                  innerhalb des Reiches werden über kurz oder lang dafür 
                  sorgen, daß politische Instabilitäten das Reich von 
                  innen zerfressen bis es auseinanderfällt. Ein schwacher 
                  Herrscher auf dem Drachenthron, nenne er sich nun KP-Chef oder 
                  Kaiser, starke Regionalfürsten – und die explosive 
                  Suppe ist angerichtet.
                  Also laßt den Chinesen die Spiele! Sollen sie auch noch 
                  einmal das Gefühl der Erhabenheit genießen, bevor 
                  die Geschichte sie zurück in die Wüste Gobi schickt. 
                  Den Tibetern aber wollen wir den Indianer-Rat geben: „Setzt 
                  euch an die Biegung des Flusses und übt euch in buddhistischer 
                  Geduld und über eine Weile wird die Leiche eures Feindes 
                  an euch vorübertreiben!“