Für einen Euro in den Spargel?
B. St. Fjøllfross
Die Spargelsaison hat begonnen.
Ein Mann steht an der Kasse des Einkaufladens und flucht laut, das
Arbeitsamt hätte ihn zu der Arbeit auf den Spargelfeldern verdonnern
wollen – für einen Euro und dreißig Cent die Stunde.
Auf die Frage, wie er denn da hin kommen solle, wurde ihm die Antwort
zuteil, er könne mit dem Fahrrad hinfahren oder den Bus nehmen
– dafür erhalte er ja das Geld. Sinn der Maßnahme
sei es schließlich, daß er raus käme…
Diese hirnschellige und an unverschämter Verlogenheit nicht mehr
zu überbietende Frechheit hören nun viele von Hartz-IV betroffene
Mitbürger tagein tagaus. Der Mann berichtete, er sei außer
sich geraten und regelrecht explodiert. Er könne allein „rauskommen“,
dazu bedürfe er der Hilfe des Arbeitsamtes nicht. Er wolle Geld
verdienen und sich nicht als moderner Almosensklave für ackerbautreibende
Unternehmer den Buckel krumm schuften.
Sind die Initiatoren von Hartz-IV jetzt wirklich von allen guten Geistern
verlassen? Sind die Brüder wahnsinnig geworden?
Alles hielt sich noch im Rahmen, als es hieß, die Ein-Euro-Jobs
sollten sozialen Tätigkeiten im Sinne des Gemeinwesens zugute
kommen. Das war die Beruhigungspille. Doch nur Unterbelichtete konnten
diese Verheißung ernst nehmen. Und jetzt servieren sie uns die
ganze giftige Brühe! Jetzt fallen die Masken! Für private
Ausbeuter soll jetzt gekrückt werden, weil ja die Leute vor schierer
Langeweile nicht mehr wissen, wohin mit sich.
Hallo Reichsarbeitsdienst – da sind wir wieder!
„Ja,“ werden die großen Denker im feinen Zwirn jetzt
einwenden, nachdem sie den Monatsalmosen eines Hartz-IV-Empfängers
bei ihrem Italiener zusammen mit ihren Weibern locker an einem Abend
verfressen haben, „aber wir wollen doch die einheimische Arbeit
nicht ausländischen Arbeitskräften überlassen, wenn
wir hierzulande soviel Beschäftigungslose zählen.“
Dann sollen sie den Deutschen zahlen, was sie den Polen geben und
nicht Einen Euro dreißig Cent! Und selbst wenn sie den Lohn
geben, für den die Polen hier arbeiten, dann ist die Sache noch
immer aus dem Lot. Denn, wenn die Polen mit ihren hier verdienten
Euros zurückkehren, dann treffen sie bei sich zuhause noch immer
eklatant niedrigere Lebenshaltungskosten an, als wir sie hier verzeichnen.
Es geht nicht, ihr Schwachköpfe – begreift ihr das nicht
oder verkauft ihr uns für so blöde! Man kann nicht das deutsche
Volk „gesundschrumpfen“, kaputtsparen, entlassen und verarmen
– aber dieses Land noch als Absatzparadies behalten wollen,
in dem jeder versucht, sich noch einen großen Happen aus der
krepierten Beute herauszuschneiden! Wer soll den Händler bezahlen,
wovon soll der Händler noch seine Ladenmiete bezahlen? Wer kann
den Handwerksmeister bezahlen? Wer kann seine Miete, Pacht, Versicherung,
Kredite noch bezahlen? Wer, wer, wer…? Wenn das Plankton verreckt,
verrecken die Wale. Das wissen wir seit Beginn der Ökologie.
Das gilt für menschliche Gesellschaften genauso. Denn sie sind
Teil der allumspannenden Ökologie – und sie sind nicht
einmal ein Sonderfall.
Die Drohung, mit der Produktionsverlagerung ins Ausland sollte niemanden
mehr schrecken. Laßt sie doch gehen! In ihrem Ausland können
sie nichts absetzen – weil die Produktionskosten dort so niedrig
sind und die Leute nichts verdienen. Aber sie werden bald die Autobahnen
und das logistisch durchdachte Transport- und Wegenetz vermissen,
die Rechtssicherheit und die Informationsinfrastruktur. Sie werden
bald begreifen, was sie an Deutschland hatten, das sie in ihrer blinden
Gier zur Bananenrepublik heruntergewirtschaftet haben. Die Karawane
zieht weiter? Die Karawane kehrt wieder, ich verspreche es euch. Und
dann empfangt sie mit dem, womit sie euch abspeisen wollten: mit faulen
Äpfeln und faulen Eiern!