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Steige hoch, du roter Pleitegeier!

Don Miquele Barbagrigia
Der Preußenspiegel, ein regional bekanntes und seriöses Anzeigenblatt, das zweimal wöchentlich in der alten Chur- und Hauptstadt erscheint, berichtet auf seiner Titelseite am 08. Mai 2005: Keiner will Chefposten.
Den Titel hat der Kollege Peters gut gewählt. Ein „Eyecatcher“ – ein Blickfänger also. Man beißt an. Man liest.
Und was liest man? Daß der städtische Personalamtschef Manfred Seidel seines Amtes leid ist, dieses aufzugeben trachtet und ersatzweise auf den Job des Bürgeramtschefs abzielt. Herr Peters teilt uns weiter mit, daß dieser Posten im allgemeinen als „Ruhekissen gilt, weil Standesamt und Co. Selbstläufer sind, wo Chefs nur selten eingreifen müssen“ (Zitat Preußenspiegel).
Marginal nehmen wir erstaunt zur Kenntnis, daß die Ämter, die die Stadt Brandenburg zu vergeben hat, für eine gewisse Nomenklatura Selbstbedienungsläden zu sein scheinen. Der Personalchef hat sich also einen Posten ausgeguckt und wird ihn dann wohl auch übernehmen. So, so! Wozu eigentlich Ausschreibungen, Bewerbungen, wenn das Ergebnis schon im Vornherein feststeht? Aber – unter uns Pastorentöchtern: Wozu ist man schließlich Personalchef! Zumal Posten in dieser Verwaltungsebene recht gut dotiert zu sind. Lesen wir doch, daß die vakant werdende Stelle des Personalamtschefs mit €4.500,- monatlich besoldet wird. Hut ab! Das sind Gehälter! Nicht übel – besteht doch eines der drängendsten Probleme der Stadt Brandenburg in ihrer permanenten Finanzmisere. Starkbelastete Haushalte, defizitäre Einnahmen und eine rekordverdächtige Arbeitslosenquote setzen der Kommune böse zu. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung ist im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe (Hartz IV) die Stadt nun auch für die verantwortlich, die durch den Verlust ihrer Arbeit an den sozialen Tellerrand gedrängt wurden.
Diesen Leuten bescheinigt man, daß sie mit runden Eins fuffzich pro Tag ihr Leben zu fristen imstande seien – für die Kosten einer angemessenen Wohnung wolle man gnädigerweise aufkommen. Dabei ist es scheißegal, wie lange die armen Teufel bereits in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hatten, welche Anrechte sie sich möglicherweise im Laufe einiger Jahrzehnte erwarben. Gut - das ist die Schuld Brandenburgs nun wirklich nicht.
Dennoch erscheint es befremdlich, welche Gehälter das Gemeinwesen seinen Verwaltern noch immer zu zahlen vermag, (von anderen Luxusausgaben wie exorbitanten Intendantengehältern an nicht gerade glänzenden Bühnen wollen wir an dieser Stelle höflich schweigen,) wenn doch gleichzeitig keine Gelegenheit versäumt wird, Brandenburgs Situation als angespannt darzustellen. Vom Gehalt eines Personalamtschefs könnten also gut und gerne zehn Arbeitslose unterstützt werden. Oder, anders ausgedrückt – ein Personalamtschef bekommt im Monat über zehn mal mehr, als er zum Leben eigentlich bräuchte. Wenn wir gerechterweise die Mietkosten und die Krankenkasse in Anschlag bringen, die er ja schließlich als Nicht-Hartz-IV-Empfänger selbst zu tragen hat – bleibt immer noch eine immense Summe übrig.
Nun ist mit dem Programm Hartz-IV untrennbar die Devise „fördern und fordern“ verbunden. Brandenburg fördert seine Obrigkeit also nicht schlecht, wie wir sehen. Was fordert die Stadt im Gegenzug? Das, was jede Kommune im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte fordert: Daß es aufwärts gehe! Daß sich der Stadtsäckel wieder fülle. Das fordern sie.
Und – wenn man nun den Faden weiterspinnt – werden diese Forderungen adäquat zu den Förderungen erfüllt? Klartext: sind die Empfänger solcher Summen ihre Gehälter wert? Verdienen sie es im ursprünglichen Sinne des Wortes, daß man sie mit solchen Beträgen besoldet, während der gemeine Sozialhilfeempfänger um jeden Pfennig feilschen muß?
Wir wissen darauf keine eindeutige Antwort. Mag sein, daß es so ist. Uns jedoch erscheint es nicht so. Denn ein gewichtiger Indikator für einen solchen Verdienst ist die Prosperität einer Kommune, ist ein ausgeglichener und solider Haushalt, der schwarze Zahlen schreibt – und keine roten! Wenn es dieser Kommune gut geht, dann sollen auch ihre Bediensteten proper leben. Doch auch der reziproke Fall sollte diskutiert werden. Wir halten es für unsinnig, diese Gehälter nach einem BAT (Bundesangestellten-Tarif) zu errechnen. Der Bund hat mit den Belangen einer Kommune nicht viel gemein. Hier müssen, wie auch sonst in der freien und ungeschützten Wirtschaft üblich, regionale Tarife angedacht werden, die der Entwicklungskurve des verwalteten Objektes entsprechen.
Und daher lehnen wir schon im Vorfeld einer Diskussion den Vergleich mit der Besoldung in anderen Großstädten ab, insoweit sie auf noch höhere Gehälter abzielt. Dort ist dort und hier ist hier. Der aus dem Blickwinkel eines Hartz-IV-Empfängers legendäre Bezug von viereinhalb Tausend Euro im Monat ist schon insofern provokant, als dieses Geld in seinen Augen erst dann zu rechtfertigen wäre, wenn durch die Tätigkeit des Gutbesoldeten ihm, dem Verlierer am Arbeitsmarkt, wenigstens ein gesichertes Einkommen in Höhe eines Drittels des Personalamtschefgehalts entstehen würde.
Ist das der Grund, warum sich niemand von den Infragekommenden um den freiwerdenden Posten reißt? Möglicherweise ist man sich in der Stadt Brandenburg der wachsenden Perspektivlosigkeit durchaus bewußt und hat sich noch genügend Sensibilität bewahrt, um zu sagen: Für den Personalamtschef eines angeschlagenen Wirtschaftsstandortes mag es eine Menge Geld sein – für den zukünftigen Prügelknaben, der für fehlerhafte Personalentscheidungen und damit für eine Verschlimmerung der ohnehin schon fatalen Lage die Verantwortung zu übernehmen hat, ist es doch aber bei weitem zu wenig. (Doch wollen wir den Prätendenten für das gewichtige und teure Amt trösten: Seit der Aussage unseres Herrn Bundesaußenministers vor dem Visa-Untersuchungsausschuß wissen wir, daß die Verantwortung zu übernehmen in unserer wehrhaften Demokratie ab einer gewissen Ebene nur noch bedeutet, einen Sack Luft zu schultern.)
Sollte diese Vermutung der Wahrheit nahe kommen, dann sehen wir für Brandenburg noch Licht am Ende des Tunnels.

5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005