Also, zunächst einmal…
Jules-Francois Savinien
Lemarcou
„Also, zunächst einmal
lassen Sie mich sagen, daß…“
Dieser Redebeginn ist mittlerweile obligat geworden unter interviewten
Politikern der Gegenwart. Ein Reporter stellt ihnen eine konkrete
Frage und es ist schwer abzuschätzen, ob er selbst an den Erhalt
einer ebenso konkreten Antwort glaubt. Ist er bei Sinnen, tut er es
nicht.
Denn eher gefriert die Sonne, als das wir von einem Mandatsträger
eine kurze, knappe und den Kern der Frage berührende Aussage
erhalten.
Diese Leute, an die sich der Reporter richtet, benutzen die Pressekonferenz
oder das Interview als Podium. Ihr Podium, auf dem sie ihren Sermon
los werden wollen. Was der Journalist da in den Raum geworfen hat,
interessiert sie vorerst nicht die Bohne! Jetzt kommt erst das eigene
inhaltslose Gewäsch, Danksagungen, Förmlichkeiten, Blablabla.
Selbstdarstellung!
Wenn man bedenkt, zu welchen Minutenpreisen das Fernsehen Werbeblöcke
verkauft, dann ist es erstaunlich, daß man den politischen Schaumschlägern
die Möglichkeit eröffnet, ihr hohles Gebrabbel vom Stapel
zu lassen. Zumal ja bekannt sein müßte, daß man von
diesen Leuten keine Indiskretion zu erwarten hat. Denn, was wirklich
wichtig ist, das wird vor den Blicken des doofen Volkes mit dem Mantel
des Geheimen bedeckt. Das ist nötig, um die eigene Wichtigkeit,
gekennzeichnet durch die Zugehörigkeit zu einem Bund der Wissenden
und Eingeweihten, zu unterstreichen. Was da secretiert wird, ist oft
belangloser Mumpitz. Aber Hauptsache, es ist geheim, verschlossen,
Insiderwissen.
Da wird ein Politiker auf die „K-Frage“ angesprochen.
Aus dem heutzutage gebräuchlichen Idiotendeutsch übersetzt
bedeutet das, er möge sich doch dazu äußern, wen er
als nächsten Kanzler favorisiere. Der Politiker schnarrt sein
Verslein wie geölt herunter: „Also, zunächst einmal
geht es darum, inhaltliche Frage zu lösen, ehe wir in irgendwelche
Personaldiskussionen einsteigen…“
Jeder weiß, daß hier nicht nur leeres Stroh gedroschen
wird, sondern die Antwort nichts weniger als eine glatte Lüge
ist. Was denn für inhaltliche Fragen? Es geht um Macht- und Verteilungskämpfe
und um gar nichts anderes. Auf der nächsten geheimen Vorstandssitzung
werden doch keine Diskussionspunkte zur Steuer- und Finanzreform,
zum Familienfreibetrag oder einem neuen Verkehrsleitsystem besprochen.
Das steht hintan! Sondern es heißt knallhart: „Wer mit
wem gegen wen für wen! Wer macht das Rennen und wo bleibt mein
eigener Hintern dabei?!“
Es ist zum Mäusemelken, daß die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten es wagen, angesichts einer solchen Verschwendung
von Teilnehmergebühren überhaupt noch ihren Aufklärungsauftrag
vorzubringen und dafür eben jene Gebühren zu erheben. Denn
Reporter, die den knallharten Fragesteller mimen, obgleich sie um
das Vergebliche ihres Treibens genau Bescheid wissen, machen sich
zum Erfüllungsgehilfen der Politschauspieler. Konzertant führen
diese beiden Partner, Reporter und Politiker, ein Schmierentheater
auf. Zwar nötigen sie niemanden in die Vorstellung, doch zwingen
sie alle, dafür zu zahlen. Und das ist die Lumperei!
Ein gewählter Politiker hat ein Mandat übernommen. Er ist
seinen Mandatsgebern gegenüber absolut rechenschaftspflichtig.
Der Reporter hingegen vertritt eine Macht im Staate, die dafür
zu sorgen hat, daß der Rechenschaftspflichtige Farbe bekennt.
Beide verkaufen uns faule Eier und ranzige Butter. Wir sollten sie
entsprechend bezahlen!