Josef, die Deutsche Bank und das Weltkapital
Scholcher M. Druckepennig
Es geht ihr phantastisch –
der Deutschen Bank. Sicherlich, sie hat nachgelassen unter den Global
Playern, so sehr, daß die Citibank mit einer feindlichen Übernahme
droht.
Das ruft den Schweizer Josef Ackermann auf den Plan, welcher der Deutschen
Bank schon seit einigen Jahren vorstandsvorsteht. „Alram, Alram!“,
tönt es aus seinem ewig siegesgewiß grinsenden Munde. Und
dieser Mann, der es auf ominöse Weise just vor einigen Wochen
erst geschafft hat, einen Prozeß für sich zu entscheiden,
der in der Wirtschaftskriminalgeschichte Deutschlands einen prominenten
Platz beanspruchen darf, dieser Mann verkündet nun, man müsse
sich von etwa 5.000 Beschäftigten trennen, um das Unternehmen
Deutsche Bank profitabel zu halten, respektive wieder an die Spitze
zu bringen.
Es mag wie die Spitze eines Zynismus klingen, für den Menschen
nur noch „human resources“ darstellen, also menschliche
Quellen. Quellen einer leider immer noch unverzichtbaren Arbeitskraft,
deren Bedeutung aber mit jeder neuen Phase des Fortschritts Stück
um Stück zurückgedrängt wird.
Der Raubtierkapitalismus meldet sich unverhohlen zurück, nachdem
er während des kalten Krieges aus einem Konkurrenzdenken zu den
wirtschaftsmaroden Staaten des alternativen, sozialistischen Gesellschaftsmodells
heraus seinen Bürgern Wohlverhalten entgegenbrachte. Dieses tat
er weniger, um den Menschen, die in seiner Hemisphäre lebten,
wohlgefällig zu sein, sondern um über den Hebel „Neid“
innere Konflikte beim Feind zu schüren. Die Rechnung ging auf.
Die Systeme, die angetreten waren, den Menschen eine menschliche,
von Ausbeutung und Existenzangst freie Zukunft zu schaffen, zerbrachen.
Man mag diese Betrachtung für eine zu spät gekommene, abgehalfterte
Propaganda aus dem Hause Sudel-Edes halten. Daß ihr aber ein
zutreffender Kern zugrunde liegt, das sieht man jetzt.
Die komplexe Umgestaltung der Weltwirtschaft, der Anbruch des Informationszeitalters,
gestützt auf die weltweite Vernetzung von Daten und Geschäften,
machen einen Sturm auf die Bastille, eine Zerschlagung von Webstühlen,
eine Bilderstürmerei unsinnig, ja nachgerade unmöglich.
Keine Erstürmung eines Winterpalais, keine Hinrichtung eines
Staatsoberhauptes führt noch zu einer Veränderung gesellschaftlicher
Verhältnisse.
Die Vertreter des Kapitals haben genau diesen Sachverhalt erfaßt.
Nun können sie schrankenlos agieren. Nationale Regierungen behalten
lediglich den Status regionaler Erfüllungsgehilfen des internationalen
Kapitals. Wollen sie das nicht begreifen, dann rückt eine militärische
Intervention in den Bereich der zu erwägenden Möglichkeiten.
Fadenscheinige Vorwände wie die des vermuteten irakischen Massenvernichtungs-Arsenals,
die sich hinterher als erstunken und erlogen erweisen, führen
nicht einmal mehr zum Sturz der Verantwortlichen.
Wieso auch? Das Kapital wird doch nicht die als Kriegsverbrecher anklagen,
die in seinem Namen Unrecht begehen. Zumal, wenn sie siegreich sind,
daß heißt, wenn sie den Boden für die Expansion der
führenden Wirtschaftsunternehmen bereiten. Auf der Anklagebank
im Haag sitzen nur immer die Verlierer, die kleinen Potentaten, die
keine nennenswerte Lobby haben.
Und schließlich: wer wäre auch so suizidal, mit den U.S.A.
beispielsweise in Form eines Handelsembargos anbändeln zu wollen,
welches ja sonst ein probates Mittel der internationalen Staatengemeinschaft
darstellt, wenn es gilt, obskure afrikanische Warlords zur Räson
zu bringen. (Wir wollen mal die Gefühlsduselei außen vor
lassen, die sich um die Millionen ermordeter Neger melancholisch macht.
Instabile Verhältnisse bedeuten Investitions- und vor allem Ertragsrisiken
für das internationale Kapital – darum geht es und um nichts
anderes!)
Wirtschaftliche Interessen haben in der Geschichte der Menschheit
schon immer über moralische Erwägungen obsiegt. Moral, ethische
Grundsätze, gut und böse – das waren seit jeher die
Kategorien, die für die Besiegten, die Auszubeutenden galten,
damit sie stille ihr Los erdulden. Aufmucken ist böse. Das erklärte
die römische Staats- und Militärmaschinerie schon einem
gewissen Herrn Spartakus. Das brachten die National Players des mittelalterlichen
Europa schon Männern wie Wat Tyler, Dr. Johannes Hus oder Dr.
Thomas Müntzer bei.
Jemand, der im Suff seinen Nachbarn erschlagen hat, wird unter Aufbietung
gewaltiger Kräfte zu Boden gestreckt. Jener aber, der im Dienst
der Wirtschaftsbosse ein ganzes Land inklusive seiner Einwohner platt
walzt, letztere namenlosem Elend anheimgibt und sie an Hunger und
Verwahrlosung krepieren läßt, des’ erhabenes Antlitz
wird seit babylonischen Zeiten in Stein gemeißelt.
Das ist der rote Faden, der sich durch die Geschichte des Menschen
zieht: Ein paar Starke spielen Monopoly, ein paar Schwächere
dürfen als Spielfiguren mitmachen – sie sind die Privilegierten
– und der Rest bleibt außen vor. Das sind dann die armen
Schweine, das Proletariat, der Abschaum.
Jetzt soll es circa fünftausend privilegierte Spielfiguren erwischen,
weil sie nicht mehr ins Konzept des großen, starken Jungen Ackermann
passen. Die Erfüllungsgehilfen Ackermanns und seiner Spielkameraden
zu Berlin stöhnen auf: Das ist das falsche Signal – ein
Unternehmen, dem es gut geht, das müsse Arbeitskräfte einstellen,
statt zu entlassen (notabene, wir reden hier nicht von menschlichen
Schicksalen, sondern von Arbeits-Kräften – immer schön
die menschliche Komponente aus der Begriffswelt eliminieren, dann
tut’s nicht so weh…).
Ein kleiner, dem Landboten bekannter Unternehmer sagte einmal vor
vielen Jahren zu seinem PR-Manager: „Herr Weiser, Herr Weiser,
sie haben den Kapitalismus nicht begriffen!“
Ein großer Satz, fürwahr. Es ist nun die Frage, wer ihn
außer Herrn Weiser auch nicht begriffen hat: das Volk, die Bundesregierung
oder gar alle beide?
Eines aber sollte zu keinem Zweifel Anlaß geben: Herrn Ackermann
dürfen wir getrost zu denen zählen, die über eine solche
Fragestellung lächeln dürfen. Ach nein, „Lächeln“
wäre vielleicht doch die falsche Wortwahl. „Grinsen“,
ja, das trifft es eher, wenn wir Herrn Ackermanns gedenken, wie er
gutgelaunt den Düsseldorfer Gerichtssaal verließ.
„Siegessicher grinsend“ – und das mit Fug und Recht,
mit dem Recht des Stärkeren, des Gewinners, des Global Players.
Es sieht so aus, als hätte die Internationale ihren Sinn verloren
– zumindest die Internationale des Proletariats.