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Lump und Schiri

Don Miquele Barbagrigia
Volkstümliche Diminutive wie „Schiri“ für „Schiedsrichter“ sind uns abhold. Doch für einen mickrigen Charakter mögen sie hingehen.
Die Rede ist von einem Fußballreferee, der in der zweiten Januarhälfte des Jahres 2005 im deutschen Oberliga-Fußball für traurige Schlagzeilen sorgte.
Wie er jetzt betätigte, benutzte dieser Bursche sein Gewerbe, um sich selbst schamlos zu bereichern: er wettete hohe Summen auf die Spiele, die er zu pfeifen hatte, manipulierte sie nach Kräften und strich nach erreichtem wie erhofftem Ergebnis einen vielfach höheren Betrag ein.
Fünfundzwanzig Jahre alt ist dieses Früchtchen. Sein Talent schient nicht unerheblich. Mit so jungen Jahren schon in einem Traditionsklub wie der blau-weißen Hertha zu Berlin schon so wichtige Spiele leiten zu dürfen, das will schon was heißen! Der Mann hätte eine große Zukunft gehabt – wäre er sauber und anständig geblieben.
Aber die Gier, die Gier, die ewige Gier!
Niemand vom „Landboten“ ist ein ausgewiesener Fußballfan. Dennoch! Diese Sportart gehört zu den nationalen Fundamenten zwischen Rhein und Oder. Und sie ist ein deutsches Markenzeichen in aller Welt. „Made in Germany“ – das steht bis in den Dschungel von Borneo und die Wüste von Atacama für Qualität, unbestechliche Zuverlässigkeit, Berechen- und Haltbarkeit. Der Deutsche mag als humorloser Stiesel verschrien sein, der verschroben und grimmig in seinem Lädchen unter mächtigen, rauschenden Eichen und Linden an seinem Produkt dahinfriemelt. Was er dann aber in grimmem Ernst und emsigem Fleiße zuwege bringt, das wird noch immer in aller Welt bevorzugt nachgefragt.
Das häßliche Bubenstück dieses Lumpen von einem ehemaligen Schiedsrichter aber ist dazu angetan, genau diesen Ruf nachhaltig zu schädigen. Der Flurschaden weitet sich aus ins Ungeheuerliche, zumal sich abzuzeichnen beginnt, daß das alles noch nicht das Ende der Fahnenstange war. Ein ganzer Sumpf beginnt sich aufzutun.
Dieser Schiedsrichter H. bedeutet für Deutschland in etwa dasselbe, was Nick Leeson vor einigen Jahren dem Empire war. Sie entsinnen sich gewiß dieses heillosen Dummkopfes, der mit größenwahnsinnigen Transaktionen an der Börse zu Hongkong Milliarden vernichtete, eine britische Traditionsbank versenkte und letzten Endes dem seriösen Ruf des englischen Gentleman unendlichen Schaden tat.
Man mag es akzeptieren oder nicht: Trotz des globalen Dorfes sind viele Länder noch immer sehr weit voneinander entfernt. Getrennt werden sie nicht nur durch weite Steppen, hohe Gebirge, tiefe Ozeane, sondern eben auch durch positive oder negative Vorurteile, die sich in anderen Völkern hartnäckig halten.
In fernen Ländern setzt sich nur sehr langsam die Erkenntnis durch, daß sich anderswo entscheidende Veränderungen vollziehen, die das gewohnte Bild radikal wandeln.
Daher wirken solche Nachrichten, wie die des betrügerischen Schiedsrichters im deutschen Nationalheiligtum „Fußballbundesliga“ oder die des irren Bankers im britischen Tempel „Barings-Bank“ (der damals ältesten Privatbank der Welt), geradezu desaströs. Es ist, als hätte man eine solide Eiche angebohrt und befunden, daß der nach außen hin saft- und kraftvoll wirkende Baum in seinem Innern hohl, morsch und von Würmern zerfressen sei. Wer will sich noch einen Tisch aus solchem faulen Holze in die Wohnung stellen?
Das Gebaren der schnöden Gesellen ist natürlich ein reelles Spiegelbild der aktuellen Gesellschaft. Sie sind keine Außenseiter, auch wenn sich mancher das einreden möchte.
Sie sind durchaus Repräsentanten eines mehr und mehr verkommenden und sich entsolidarisierenden Gemeinwesens. Insofern ist ihr Verhalten folgerichtig. Sie machen das, was Vielerorts bereits gang und gäbe ist. Aber sie tragen den als gottlob immer noch peinlich empfundenen Verfall auf den Altar der Nation. In die Gute Stube! Dorthin, wo es wenigstens noch für Nachbars etepetete aussehen soll.
Denn Nachbars sind auch Handelspartner. Leute, die Geld ausgeben sollen. Und zwar für Waren, die aus Deutschland stammen und nicht aus Rumänien, der Türkei oder Belutschistan.
Deren Produkte sind zwar billiger, aber der Ruf, der ihnen anhaftet! Der Ruf!
Sobald sich aber rumgesprochen hat, daß es bei Hans und Lieschen nunmehr auch schon schabbig einhergeht, daß sich Verhältnisse etablieren, die einer Bananenrepublik zur Ehre gereichen, daß es in der deutschen Guten Stube mittlerweile aussieht, wie bei Hempels unterm Bette, dann kann man auch getrost in der Walachei einholen gehen. Da bekommt man denselben Tinnef, zahlt aber weitaus weniger.
Wir sehen also, daß der von diesem Schurken angerichtete Schaden nicht nur zutiefst moralische Wunden schlägt, denn welcher Jugendliche hat noch Lust, ernsthaft Sport zu treiben, wenn er damit rechnen muß, von raffgiereigen Schiedsrichtern um den Lohn seines Schweißes betrogen zu werden. Nein, dieses Verbrechen zieht mit Sicherheit ganz handfeste ökonomische Einbußen mit sich, die dem gesamten deutschen Volke Verluste bringen. Das ist um so schwerer erträglich, als wir uns in einer schweren Wirtschaftskrise befinden, in der jeder Pfennig dringend gebraucht wird.
Diesbezüglich hat das Volk nur eine Chance: Zunächst einmal muß es mit einem rabiaten Durchgreifen der Welt beweisen, wieviel ihm an seinem Guten Ruf gelegen ist. Sodann müssen die Fundamente dieses Rufes wieder hergerichtet und konsolidiert werden. Das zielt vor allem auf die jüngsten Auseinandersetzungen um bereicherungssüchtige Abgeordnete. Denn diese Krankheit „Gier“, die von den Alten noch als Todsünde aufgefaßt wurde, zieht sich epidemisch durch das ganze Volk hindurch. Beläßt man die Dinge, wie sie sind, steht bald der nächste Skandal vor der Tür.
Viele Erschütterungen dieser Art aber wird sich Deutschland nicht mehr leisten können. Dann pfeift es selbst aus dem letzten Loch. Ehe es dazu kommt, sollte es dem Werteverfall und seinen Vertretern unmißverständlich die tiefrote Karte zeigen! Jetzt!

5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005