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Der Prinz und die Betteldirne

Jules-Francois Savinien Lemarcou
Das hugenottische Herz blutet. Über dem Schreibtisch hängen die Bilder großer Vertreter des Hauses H., welches einst die führende Familie in Preußen und dem Reiche war. Bis zu dem ersten der beiden großen Kriege, in dem ein nicht nur am Arm, sondern auch an der Seele verkrüppelter unseliger Sohn dieses Hauses keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche kennen wollte. Diese kannten am Ende nur noch die nackte Not, Anarchie, Zerstückelung des Landes und so weiter. Es konnte zu dieser Katastrophe nur kommen, weil die preußischen Tugenden, die einst das Land durchwirkten, entweder sinnentleert, pervertiert oder gar vergessen wurden.
Recht sauer über diese Entwicklung riefen die gebeutelten Menschen eine Republik aus, die sich zwar im Nachhinein als sehr labil erwies, zunächst einmal aber das Verdienst erwarb, den überflüssig gewordenen Adelsstand reichsweit abzuschaffen.
Dieser aber trotzte den Realitäten und verstand es, im Volke, auf dessen fatale Amnesie man regelmäßig zählen kann, eine Sehnsucht nach einer Welt zu wecken, wie sie nur in den simplen Hirnen einfacher Leute existiert – und sonst nirgendwo: die Sehnsucht nach der glamourösen Welt des Adels. Das Volk träumt sich diese Welt als eine heile, frei von den Sorgen des Alltags, frei von den Sorgen des Broterwerbs; man ist schön, man ist reich, man taumelt wie ein bunter Schmetterling von Festivität zu Galadiner, man bleibt in anbetungswürdiger Arroganz unter sich – das Volk fühlt sich augenscheinlich sauwohl als Zaungast und ahnt nicht einmal um seine enorme Wichtigkeit in dem Spiel. Denn seine Groschen sind es seit eh und je – ihrer Masse gezählt – die den Adel am Leben erhalten.
Doch bei vielen Vertretern dieses einst mächtigen Feudalstandes sind die alten Einnahmequellen weggebrochen. Das Tafelsilber ist verhökert, die alten Schlösser und Burgen waren nicht mehr zu halten. Und so müssen sich oftmals Blaublütige in ganz profanen bürgerlichen Berufen um ihren Lebensunterhalt bekümmern. Banker sind sie, und Berater, Aufsichtsräte und Versicherungsmanager. Ihr „von“ und „zu“ schafft ihnen zum Entree in die Wirtschaftswelt noch immer einen nicht eben geringen Bonus.
Doch wie in jeder menschlichen Gruppe gibt es auch hier die obligaten Außenseiter. Um die Standesehre zu wahren, apanagiert man jedoch oftmals seine Schwarzen Schafe und hält sie von den Augen der Öffentlichkeit möglichst ferne. Denn ein adliger Sozialhilfeempfänger – das könnte leicht ganz böse auf das überlebenswichtige Klischee der Blaublütigen als Gesamtheit zurückschlagen. Noblesse oblige!
Doch zunächst einmal gäbe es Schlagzeilen. Denn es wäre ein Skandal! Skandale aber und ihre Headlines bedeuten Geld.
Das sagte sich wohl auch der Mann, über dessen Auftritt zu schreiben wir lange mit uns rangen. Ein Blatt mit seriösem Anspruch sollte dem Gebaren solcher Leute eigentlich keine Erwähnung tun.
Dennoch – es tut weh! Die erwähnten Bilder über dem Redaktionsschreibtisch: Da steht Kurfürst Albrecht Achilles mit dem Rücken an einem Baum, das mächtige Schwert in der Hand, umgeben von einer Anzahl gegen ihn anstürmender Feinde. Und er teilt wacker aus. So wie schon seine Vorgänger. Friederich, Burggraf von Nürnberg, beispielsweise. Der mit der „Faulen Grete“, dieser riesigen Kanone, in die Mark gezogen kam, um sie zu befrieden. Der die hochmütigen Raubrittergeschlechter der Mark auf Normalmaß zurückstutzte und dem Lande Rechtssicherheit gab. Joachim, dem vom rebellischen Adel an seine Schlafzimmertür zu Köpenick Morddrohungen gepinselt wurden und der sich mit einem Blutgericht erkenntlich zeigte, das den Halunken wies, wer Herr im Hause Brandenburg war. Da stehen der Große Kurfürst und Frau Luise Henriette, die mit einem enormen persönlichen Aufwand das Land nach der unsagbaren Nemesis des Dreißigjährigen Krieges wieder aufrichteten, die räuberischen Schweden aus dem Lande prügelten, einen modernen Beamtenstaat schufen. Da der Soldatenkönig, dieser wahrhaft Erste Diener Preußens; neben ihm sein Sohn, unser Großer König, über deren beider Verdienste wir an dieser Stelle wohl nichts weiter sagen brauchen. Dort Königin Luise, die dem französischen Adler trotzte und stoische Standhaftigkeit und Volksverbundenheit bewies.
Wir sehen sie an, und dann ertragen wir mühsam die Bilder eines Mannes, der unverdientermaßen von Gott das Privileg bekam, den Lenden solcher Menschen entspringen zu dürfen. Nennen wir ihn Prinz Fiffi. Seinen wahren Namen wollen wir schamhaft verschweigen.
Prinz Fiffi also braucht Geld. Und auf anständige Weise scheint es nicht zu klappen. Was bleibt, sind die modernen Ausgaben der mittelalterlichen Schaubuden auf den Jahrmärkten: die Illustrierten der sogenannten Boulevardpresse. Wenn man sich von den Schaustellern, sprich Chefredakteuren anmieten läßt, um sich auf den Bühnenbrettern als echter Prinz dem gaffenden Plebs präsentieren zu lassen, springt schon seit altersher für Budenbesitzer und abgehalfterte Hoheiten etwas raus. Das Volk lechzt, das Volk zahlt. Nun könnte sich Prinz Fiffi mit einer Prinzessin zusammentun und eine „Traumhochzeit“ begehen, sie hernach ein wenig betrügen, sich wieder mit ihr zusammenraufen – na ja, das Übliche halt. Doch das würde nur wenige Schmuddelblätter hinter dem Ofen vorlocken. Und reichen würde es bestenfalls für die nachgeordneten Seiten. Die aber bringen kein Geld!
Er könnte es auch so anstellen, wie sein peinlicher Vetter vom Stamme Heinrichs des Löwen, den man „das dreifache P“, den pissenden Prügelprinzen nennt. Aber dazu braucht es wohl schon eine aggressive Veranlagung. Wer die nicht hat, muß sich halt nach Alternativen umsehen.
Und da geschieht es: In den Hausbriefkasten flattert die Offerte einer Person zweifelhaften Rufs, die es um jeden Preis nach oben schaffen will. Nicht mit ehrlicher Arbeit, einer Karriere in Politik, Wirtschaft oder Kunst. Nicht der Kopf soll es machen, sondern die Kurven, die Rundungen des Leibes, an denen sich seit jeher sexuelle Phantasien entzünden. Diese „Reize“ in Kombination mit distinguierten Herren aus der Gesellschaft versprechen maximalen Gewinn. Außer diesen Leib zu verunstalten, bis er die entsprechende nuttige Aura verströmt, braucht man nicht weiter zu arbeiten. Das Geld kommt dafür rein, daß man anderen einen Blick auf das entartete Kunstprodukt feilbietet.
Nun ist diesem Frauenzimmer allerdings das eine sozial höherwertige Männchen abhanden gekommen, das ihr bislang das ersehnte Entree zur „Gesellschaft“ ermöglichte. Zu allem Überfluß ging die Staatsanwaltschaft lange Zeit davon aus, daß das Subjekt am Tode des Männchens nicht unerheblich beteiligt gewesen sei, welchen Verdacht sie jedoch vor Gericht nicht zu bekräftigen vermochte.
Wie dem aber immer sei: Nun war sie allein und alleine ist sie nicht gefragt. Ihre Rolle ist festgelegt auf „buntschillernde, anrüchige, skandalträchtige und sexuell hochaktive Begleiterin hochrangiger Persönlichkeiten männlichen Geschlechts“. Die Mehrheit der Gutsituierten riechen den Braten und halten sich ferne aus dem Dunstkreis des Möchtegern-Vamps und der sie umgebenen Kameras. Viele beweisen einfach nur Geschmack.
Und so schreibt das Mensch an einen Prinzen von Anhalt, dem sie ihre Gesellschaft zu gegenseitigen Werbezwecken andient. Es ist uns nicht bekannt, ob das Haus Anhalt diesen Posteingang einer Antwort wert befand. Wir vermuten, daß die Anhaltiner Noblesse genug besaßen, den Wisch diskret zu übergehen, bevor er an eine namhafte Zeitung lanciert wurde, um den wahren Charakter des Subjektes und ihrer angestrebten Beziehungen zu enthüllen.
Die Vieloperierte allerdings ließ nicht locker, warf die Angelrute ein zweites Mal aus – und siehe: ein kapitaler Bursche biß an. Dachte sie. Und denken viele! Aber es ist nur ein mickriges Fröschlein, das sich halt durch Zufall einen kapitalen Namen eingetreten hatte. Man kann ihn vor den geilen Linsen der Halbweltpresse noch so knutschen – es will und will kein Prinz aus ihm werden, auch wenn er es dem Namen nach schon ist. Der Fiffi bleibt ein Fiffi.
Warum nun um alles in der Welt kommentiert der Preußische Landbote diese unsägliche Affaire? Wäre „totschweigen“ hier nicht angezeigt? Wir haben es uns nicht leichtgemacht.
Am Ende stand die Entscheidung, unsere Ansicht offensiv zu äußern. Denn auch wir stehen an einer preußischen Front und verteidigen preußische Werte.
Unser Blatt ist ein „Preußischer“ Landbote! Brandenburgische und preußische Bürger sind überragenden Söhnen und Töchtern des Hauses H. durch die Hölle gefolgt. Für Preußen! Für Preußen haben die Bürger Kolbergs standgehalten. Für Preußen haben die Generals Yorck, Wartenberg, Gneisenau, Schwerin und viele andere mit ihren Männern gefochten. Für Preußen hat sich die Blüte des preußischen Adels gegen das Monster aus Braunau erhoben und hinschlachten lassen. Für Preußen und im Bewußtsein, Bürger dieses Landes zu sein, haben sich Märker, Hugenotten, Juden, Böhmen, Salzburger und viele andere zu einem achtbaren Lebensentwurf gefunden, der die noch heute in aller Welt berühmten und geehrten preußischen Werte zur Grundlage hat. Preuße zu sein bedeutet eine unbedingte Verpflichtung zu einem moralisch einwandfreien Lebenswandel, zu Aufrichtigkeit, Treue und Pflichtschuldigkeit. Glamourdirnen, Parasiten und gottlose Tagediebe haben in Preußen keinen Platz. Sie sollen sich zum Kuckuck scheren! Desgleichen Fiffis, die einen Namen beschmutzen, der ihnen von Gott verliehen wurde und der sie zu einem Lebenswandel verpflichtet, nach dem sich ein Preuße reinen Herzens orientieren und richten kann. Die statt dessen diese Verpflichtung mit Füßen treten und eklatantes, nichtswürdiges Affentheater vorführen – für eine Handvoll Euros.
Pfui Teufel!
Es komme keiner auf das schmale Brett, wir wären gegen eine Liaison eines Prinzen mit einer Dame bürgerlichen oder „nachgeordneten“ Standes eingestellt. Und wenn sie eine Reinemachefrau, Stewardeß, Hostess, Zahnarzthelferin oder Bankangestellte ist! Das ist uns völlig egal. Wenn das Mädchen oder die Frau einen ehrbaren Charakter in eine aufrichtige Beziehung bringt, dann geht uns das Leben dieser beiden Persönlichkeiten einen feuchten Kehricht an. Und wir werden uns eher die Zunge abbeißen, als ein einziges Wort über ein solches Zusammensein zu verlieren, was über „herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die gemeinsame Zukunft!“ hinausgeht.
Aber das hier, das stößt uns von Herzen ab. Wir wären desungeachtet stille gewesen, wenn sich dieses „Pärchen“ nicht zwanghaft der Öffentlichkeit aufgedrängt hätte. Doch die Öffentlichkeit – das sind auch wir. Und wie pflegte unser geistiger Vater Tucholsky zu sagen: „Wer kegelt, muß sich auch die Punkte sagen lassen!“
Wir wünschen dem Hause H., daß es sich von solchen unseligen Auswüchsen befreien und eingedenk seiner großen Tradition zu einem Wege finden möge, diesen widerwärtigen und schweren Affront unbeschadet zu überstehen.
Wir stehen diesbezüglich an seiner Seite, getreu dem Schlachtruf von Hakenberg-Fehrbellin: In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!

5. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005