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D-Day

K. K. Bajun
In der „Omaha Beach“ an der Küste der Normandie also begann die Befreiung Europas vom Hitlerfaschismus. So lesen wir es anläßlich der Feiern zum 60. Jahrestag dieses Ereignisses im Juno 2004. Allerorten brüllt uns diese Erkenntnis entgegen, Fernsehnachrichten, Radiosendungen, Zeitungen – alles, alles bejubelt diesen Tag, der so vielen jungen Amerikanern, deren Alliierten und auch deutschen Soldaten der letzte sein sollte. Der Sturm auf die Festung Europa!
Als versöhnliches Zeichen wurde gar der amtierende deutsche Herr Bundeskanzler zu den Feierlichkeiten eingeladen. In der zweiten Reihe durfte er Platz nehmen. Aber das ist nebensächlich. Wir sahen Herrn Putins Gesicht in der ersten. Das machte uns stutzig. Zar Wladimir im Namen der Russen an vorderster Front? Wie das?! Von den Russen war doch nie die Rede, wenn es um die Befreiung des geplagten Kontinents ging. Erinnerte sich gar doch jemand, daß eine Rote Armee auf Bastlatschen, mit lausigen Uniformen und teilweise alten Flinten die hochgerüsteten deutschen Invasionstruppen unter unsäglichen Strapazen aus den Weiten Rußlands herausprügelte? Daß die GIs und ihre Verbündeten ohne diese unbeschreibliche Leistung der bolschewistisch-asiatischen Horden gegen die Wehrmacht nicht mal einen Luschenstich gemacht hätten? An der französischen Kanalküste haben Stars&Stripes also den Völkern Europas das Licht der Freiheit zurückgebracht. Es ist nicht unsere Absicht, die Leistung der amerikanischen Soldaten im mindesten herabzuwürdigen. Aber diese unverschämte Aussage, diese ekelhafte Geschichtsfälschung treibt uns die Rage durchs Blut: Seit Sommer 1941, seit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion rang ein ganzes Volk, dem noch dazu ein eigener faschistoider Diktator im Nacken saß, ums Überleben. Und dieses Volk rang gleich für alle anderen mit.
Für uns stellt sich die Sache in der Omaha Beach ganz anders dar: Ähnlich den preußischen Offizieren vom 20. Juli wurden die Amerikaner auch erst aktiv, als die faschistische Sache ziemlich verloren aussah. Hitler war seit Stalingrad schwer angeschlagen, der Mythos von der unbesiegbaren Wehrmacht ebenfalls, die Rote Armee marschierte unaufhaltsam nach Westen und wenn das so weiterging, dann würde sie wohl erst durch die Wellen des Atlantiks zu stoppen sein. Ein kommunistisches Europa vom Ural bis an die Biskaya wäre die Folge gewesen. Das war wohl der wahre gedankliche Hintergrund sowohl der deutschen Juli-Verschwörer als auch der alliierten Strategen. Sie kamen zu dem Schluß, daß man die Notbremse ziehen müsse. Und zwar primär die der Roten Armee und nicht die der Nationalsozialisten.
Das ist es also, was man feiern müßte, wenn man des Tages der alliierten Landung gedenkt: Nicht die Befreiung Europas vom Faschismus durch die Amerikaner, sondern den Beginn der Offensive mit dem Ziel, die Rote Armee zum Stillstand zu bringen.
Drei Jahre zuvor, als die Russen verzweifelt gegen den übermächtigen Feind kämpften, bekamen sie bestenfalls vergleichsweise moralische Unterstützung vom freien Westen. Nichts da von großen alliierten Streitkräften, die die Wehrmacht großflächig hätten binden können um die im Osten kämpfenden Russen zu entlasten! Ausbluten sollte der Iwan. Was die Entente zwei Jahrzehnte früher nicht vermochte – hier sollte es sich von ganz allein erledigen.
Lassen Sie uns kühl rechnen: Im September 1939 begann der Krieg. Wer half den Polen und den Böhmen? Die Grande Nation und John Bull ließen die wehrlosen Verbündeten hilflos zurück. Chamberlain gar entblödete sich nicht, bei seiner Rückkehr aus München das Appeasement – Papier zu schwenken. Hurra! Marschall Petain konnte namens der Gallier nicht tief genug in den deutschen Enddarm kriechen. Fast alle ließen die gequälten deutschen Juden im Stich – man besehe sich nur den Filmklassiker „Casablanca“. Von Uncle Sam war gleich gar nichts zu hören oder zu sehen. Sommer 1941: Rußland ist der nächste Gang auf dem großdeutschen Speisezettel. Wieder ist von den Westalliierten nichts Nennenswertes zu sehen oder zu hören. Und das geht so bis elf Monate vor Kriegsende. Fünf von sechs Jahren wurden die Europäer ihrem Schicksal überlassen – und dann auf einmal, als das Ergebnis schon feststeht, da kommen sie und eröffnen die langersehnte Zweite Front! Honi soi qui mal y pense!
Wir bedauern die armen Teufel von Omaha Beach. Wir trauern um die Erschossenen von Malmedy, die SS-Peiper nicht gefangennehmen wollte oder konnte.
Und wir gedenken auch der amerikanischen Negerjungens und Hispanos, die nach uns berichteten Augenzeugenerlebnissen von den Amerikanern zuerst ins Feuer geschickt wurden, damit man die wertvollen weißen WASP-Söhnchen noch schonen konnte. (WASP = white anglosaxon protestant = weiße angelsächsische Protestanten – sozusagen der amerikanische „Hochadel“, oft Nachkommen der „Pilgerväter“, gute Wörterbücher übersetzen „Wasp“ auch einfach mit „Wespe“.) Der Soldat James Ryan war bezeichnenderweise kein Neger. Nota bene! Denn hier begegnet uns wahres amerikanisches Geschichtsverständnis.
Aber alle waren sie junge Buschen, Jungens, die das Leben eigentlich noch vor sich hätten haben sollen – geopfert einem irrwitzigen globalen Machtpoker.
Und das Schlimmste, was man ihnen über ihren Tod hinaus noch antun kann, ist diese verdammte Heuchelei, Schönfärberei und Geschichtsfälschung.
Da feiern sich Leute als Repräsentanten von Nationen, die selbst nicht einmal der teilnehmenden Generation angehören. Die wahren Veteranen stehen diesmal nicht ganz vorne in der Feuerlinie der Blitzlichtgewitter. Diesmal dürfen sie hinten bleiben und ein paar Tränen vergießen für das eigene durchstandene Leid und die verkrüppelten und gefallenen Kameraden.
Da wagen sich amerikanische „Volksvertreter“ nach Omaha Beach, während zur selben Zeit eine Kommission nach der anderen aller Welt beweist, daß es sich beim Einmarsch in den Irak um nichts anderes als einen verbrecherischen Raubkrieg gehandelt hat.
Wir schreiben diesen Artikel mit Ingrimm im Herzen. Denn was dort geschieht, das widert uns an. Wer nicht hinschauen mag, dem empfehlen wir das von uns besprochene Buch „Catch #22“ von Herrn Joseph Heller und Herrn Stefan Heyms „Kreuzfahrer von heute“. Dort möge er lesen, während die unsäglichen Bilder über die Leinwand flimmern. Dann hat der Bürger wenigstens den Hauch einer Ahnung, was wirklich los war mit dem D-Day!

3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004