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In memoriam einer Prinzessin

K. K. Bajun
Mitunter werde ich, Kotofeij Kryisowitsch Bajun der Schreiber, gefragt, woher denn mein etwas ungewöhnlicher „Otschestwo“, mein Vatersname rühre. Wissen Sie, im Russischen ist es üblich, zwischen dem Rufnamen und dem Familiennamen noch den Vatersnamen zu setzen. Maja Sergejewna beispielsweise wäre die Tochter von einem Sergeij; Iwan Trifonowitsch wäre somit der Sohn des Trifon Sowieso.
Kryisowitsch allerdings, das gebe ich zu, ist ein nicht sehr häufiger Vatersname. Kryisa nämlich bedeutet im Russischen: Die Ratte! Eine Ratte zum Vater? Nein, meine Lieben – zur Mutter! Zu einer Mutter, die mir in gewisser Hinsicht beide ersetzte. Die leibliche Mutter stahl sich vor langer Zeit aus dem Leben. Sie hat mir demzufolge nicht viel vermitteln können. Der Vater, der war der lebendige Beweis dafür, daß das Gegenteil von Gut nicht Böse sei, sondern Gutgemeint. Und glauben Sie mir: Er hat es besser gemeint, als jeder andere Vater auf der Welt.
Sie aber, die Rättin von der ich spreche, die Große Dame aus dem kleinen, klugen Volk, die kleine Prinzessin und mutmaßliche Tochter des Rattenkönigs, Sie war mir alles.
Ein kluger Dichter sagte einmal, daß der Erzieher den Namen Vater weit mehr verdiene, als der Erzeuger. Wohlgemerkt, ich spreche vom Erzieher, nicht vom Verzieher.
Sie hat mich erzogen, mehr als jeder andere auf der Welt, mit Ausnahme vielleicht jenes kleinen Katers Mausebär, der Ähnliches vollbrachte.
Denn Sie war die gewaltlose Liebe. Sie predigte nicht, Sie drohte nicht, Sie lebte und Sie lebte vor. Und Sie lehrte. Still und sanft. Sie zeigte, daß es so übel nicht sei, daß man auch an sich selbst denke – in gegebenem Maße. Und Sie lehrte die bedingungslose Liebe zum Leben. Den stillen Kampf für das, was schön ist im Dasein. Doch Eigennutz und Bosheit waren Ihr fremd. Sie ertrug klaglos, und Sie vermittelte reines Glück.
Am 17. Julei des Jahres 2003 schloß eine kleine Fee nach gleichermaßen furchtbarem wie unverschuldetem Krebsleiden für immer Ihre kleinen Augensternchen. Vater und Mutter war Sie mir, als ich weder die eine noch den anderen mehr hatte.
Ich danke meinem Gott für die ungeheure Ehre, die Erinnerung an diese wahrhaftige Dame in meinem „Otschestwo“ wachhalten zu dürfen.

S serdetschnjem priwjetom (mit herzlichem Gruße)

Ihr Kotofeij Kryisowitsch Bajun


3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004