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Der "wahre" Jesus
Zu einem P.M.-Artikel über den „wahren
Jesus“ P.M. 7/2004
Scholcher M. Druckepennig
Lieber Herr Ripota!
Über weite Strecken schließen wir uns Ihrem dankenswerten und
gut geschriebenen Artikel an. Gestatten Sie uns dennoch einige Anmerkungen.
Natürlich unterscheiden selbst vernünftige Katholiken und Orthodoxe
heutigen Tages zwischen dem mythischen und dem historischen Jesus. Letzterer,
unser armer galiläischer Wanderrabbi wurde von denen, die sein irdisches
Wirken nach seinem erbärmlichen Tode am Kreuz für ihre Zwecke
verwandten, den damaligen "PR"-Erfordernissen angepaßt
und mit allen Attributen uralter orientalischer Heilslehren versehen.
Um es mal etwas sarkastisch zu formulieren, seine Erscheinung wurde mit
einer Art antikem Adobe Photoshop derart gründlich und lange bearbeitet,
bis vom Original kaum noch etwas zu sehen war und ein abstraktes Kunstwerk
vor aller Augen und über jedem Altar der Christenheit hing. Dieser
Prozeß setzte sich, wie Sie richtig bemerkten, sogar noch im europäischen
Mittelalter fort und wirkt ungebrochen bis in unsere Gegenwart.
Ein Sohn Gottes, der so aussieht wie der Junge des benachbarten Juden,
bei dem ich gerade mit einem erklecklichen Betrag in der Kreide stehe
und mir nichts sehnlicher wünsche, als Schulden, Gläubiger und
dessen erbberechtigte Brut mit einem Schlag loszuwerden - wie sähe
denn das aus! So was kann man doch nicht verehren! Und wenn man das nicht
kann, ist man dann etwa kein Christ? Sondern ein stinknormaler, bösartiger
Heide? Weil die Theatertruppe aus New Jersey den Zuschauern mit ihrer
Rollenbesetzung genau diese Fragen aufobtruierte, weil sie das Publikum
unbarmherzig zwang, in genau diesen Spiegel zu schauen und das eigene,
häßliche, pogromsüchtige und sich nach religiösem
Budenzauber sehnende Gesicht zu erkennen - deshalb gab's die Morddrohungen
(von "Christen" nota bene!)
Nein, so was will das doofe Volk nicht. Die wollen einen Götzen,
eine Lichtgestalt, etwas edles, monarchisches, unerreichbares - zu dem
sie sehnsuchtsvoll aufblicken können aus ihrem irdischen Jammertal.
Insofern lief die revolutionäre Lehre unseres Rebben Joshua komplett
ins Leere, da er ja die Geringsten aus dem Staube aufzuheben befahl und
ihnen Höchstselbst die Füße wusch. Diese Lehre war eben
- wie ihr Schöpfer - nicht von dieser Welt. Und das etablierte Christentum
sprach ja all den Werten und Forderungen seines Meisters zwei Jahrtausende
lang blutigen Hohn!
Es ist gut, daß die BBC mit dem rekonstruierten Portrait des Herrn
der Christenheit endlich die Dornenhecke der romantischen Götzendienerei
zertrümmert und den nordischen Schönling vom Kreuze holt, wo
er nicht hingehört. Das erscheint uns der einzige Weg, unter den
Christen die Spreu vom Weizen zu trennen. Wer den Herrn liebt, der folgt
ihm - egal wie er aussieht und ob Jesus gleich ein Neger, Mongole oder
Eskimo - oder eben ein Jude(!!) wäre. Denn nach christlicher Lesart
hat sich Gott in Menschengestalt unter seine Schöpfung begeben, um
zu dienen und nicht um sich abermals zu erhöhen. Er hat sich mit
voller Absicht klein gemacht, und unansehnlich und verletzlich! Weil er
mit dem Zaunpfahl auf den Kern seiner Botschaft verweisen wollte.
Alles andere ist nur das uralte Märchen von der guten Fee (Jesus),
die den armen bucklige Ausgestoßenen (Christen) schirmt und behütet
- und das in weltumspannender, religiöser Verbrämung.
Und wieviele Anhänger dieser Religion wollen zwar das Mitleid des
Herrn. Aber exclusiv für sich selbst wollen sie es und nicht etwa
für den "kranken Nachbarn auch", wie es der wahrhaftige
Christ Matthias Claudius so trefflich formulierte.
Und dann, lieber Herr Ripota, sollten Sie nicht vergessen zu erwähnen,
wer das auf uns überkommene Christusbild nachhaltigst prägte:
Das war der verheiratete Zeltmacher Paulus. Der Mann, der "die Weiber
schweigen hieß, in der Gemeinde", weil er ganz offensichtlich
fürchtete, was sie zu sagen hätten. (Vielleicht hat ihm seine
eigene Frau ja eine entsprechende Lektion erteilt?) Der Mann, der maßgeblich
dafür Sorge trug, daß aus der kleinen Judensekte eine Weltreligion
wurde, indem er sie den Nichtjuden gegen den Widerstand gar des Bruders
des Herrn, Jakobus, Bischofs von Jerusalem(!), öffnete. Jesus hatte
einen Bruder? Mutter Maria, jungfräuliche Himmelskönigin und
Successorin Ischtars/ Astartes sollte noch weitere Kinder....? Aber ja
doch. Wissen wir doch alle längst, daß Joshua kein Einzelkind
war.
Herr Ripota, frisch ans Werk und greifen Sie ungehemmt auf die Apokryphen
zurück, die nicht kanonisierten Texte zum Wirken des Herren auf Erden.
Da steht eine Menge mehr drin, als dem römisch-katholischen Klerus
zur Aufrechterhaltung seiner Version lieb ist. Deshalb sind sie ja bei
der Zusammenstellung der verbindlichen Heiligen Schrift unter den Tisch
gefallen. Und mit ihr gleich ein paar Glaubensrichtungen und -lehrer,
wie die Arianer, oder Origines und andere. Vatikanische Verschlußsachen
braucht es nicht einmal - die Apokryphen sind jedermann zugänglich.
Aber was offen herumliegt, interessiert im allgemeinen kein Aas! Geheimnisvoll,
verborgen, verschlossen muß es sein. Vermummte, dunkle Verschwörer
- so was bildet den Stoff aus dem die Gänsehaut gestrickt wird.
Und die Katholiken? Protestanten? Orthodoxen? Es ist wie mit jeder politischen
Bewegung. Erst setzt sich eine kleine Gruppe durch, dann eine Gruppe innerhalb
der Gruppe und so weiter. Alle anderen fallen als Renegaten und Ketzer
über den Tellerrand direkt in die reinigenden Flammen des Scheiterhaufens.
Deshalb glauben wir an die Ewigkeit der zutiefst menschlichen Charakteristika,
die auch der Entstehung der christlichen Religion Pate standen. Und weil
die geistlichen Würdenträger zu Rom alles andere als auf den
Kopf gefallen sind, werden sie sich kaum an solchen trivialen Dokumenten-Versteckspielchen
beteiligen, nur weil der Pöbel eine infantile Sehnsucht nach Schnitzeljagd
und Enthüllungsromanen hat. Aber es reichte eben, diese Texte aus
der Bibel zu verbannen. Sie in Geheimarchiven einzumotten, wäre zuviel
Aufwand für nichts! Was immer an "Sprengstoff" in den vatikanischen
Archiven schlummern sollte, es würde weder etwas an der Grundeinstellung
der Menschen zu ihrem einmal gefaßten religiösen Leitbild ändern,
noch an der Macht der Kirche. Wir verweisen noch einmal auf die Resonanz,
derer sich die New Jersey - Theaterleute erfreuen durften: Die Leute wollen
glauben, was sie glauben wollen. Und da lassen sie sich nicht beirren
- weder von ihrem Gott, noch von ihrem Jesus und schon gar nicht von einer
"Enthüllungsdokumentation".
Mit freundlichen Grüßen und Schalom nach München
Ihr Scholcher M. Druckepennig
Antwort von Herrn Ripota vom
21.06 2004:
Vielen Dank für
Ihren ausführlichen und wohlwollenden Kommentar, dem ich voll und
ganz zustimme. Ich habe das Thomas-Evangelium vollständig und mit
großem Genuss gelesen. Die anderen werde ich mir auch mal zu Gemüte
führen. Ja, Sie haben völlig Recht, der Vatikan hat es nicht
nötiig, irgend etwas zu verstecken oder gar zu bekämpfen. Solange
seine Mythen von den Menschen begierig aufgesogen werden (siehe Mel Gibsons
"Passion Christi"), solange hat die Katholische Kirche nichts
zu fürchten. Und dass Jesus eine Kunstfigur ist und das Christentum
von Paulus stammt, ist hoffentlich allgemein bekannt.
-Peter Ripota-
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