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Ich han myn Lehen
zur Vergabe der ISSN an den Landboten
B. St. Fjøllfross
Es ist der zweite Artikel des dritten
Volumens des Preußischen Landboten. Und doch in gewisser Weise sein
erster. Denn seit Freitag, dem 30. April 2004 ist der Preußische
Landbote bei der Deutschen Bibliothek als ordentliches Journal unter der
ISSN 1613-8910 notiert.
Eigentlich ein Anlaß zum Jubel.
Wenn, ja wenn da nicht einige Bedenken wären. Was ist der Landbote?
Ein sinnloses Plappermaul mehr in der unendlichen Landschaft der Printmedien?
Kaum gehört und erst recht nicht verstanden?
Ein würdiger oder unwürdiger Nachfolger der „Weltbühne“?
Eine Beschäftigungstherapie für Leute, die ansonsten nicht recht
ausgelastet sind und nicht wissen, wohin mit ihrer Zeit?
Möglich, alles möglich. Dennoch, der Preußische Landbote
artikuliert eine, nämlich seine Meinung zum Zeitgeschehen. Und damit
wird er einer preußischen Bürgerpflicht gerecht, die es verlangt,
daß der Bürger an dem teilhabe, was ihn umgibt. Daß er
nicht nur fresse, saufe, sich seiner Stoffwechselendprodukte entledige,
ein wenig der physischen Liebe fröne und sich ansonsten leben und
bestimmen lasse.
Der Preußische Landbote will nicht wiederkäuen, was andere
zu dem Thema dachten. Er will diese Gedanken bestenfalls kritisch reflektieren.
Der Landbote will auch nicht rumeiern. Political Correctness ist unsere
Sache nicht. Was wir denken, das sagen wir. Und zwar so, daß wir
verstanden werden. Klipp und klar. Welchem Mimöschen wir dabei auf
den Schlips treten, ist uns völlig wurscht!
Natürlich geben wir uns keinerlei Illusionen hin. Wir werden die
Welt nicht ändern. Nicht mit unserem Auftreten. Um etwas wirklich
zu bewegen, muß man sich zuerst zu einem Teil des Systems machen,
das man zu ändern gedenkt. Dann muß man sich das System zu
eigen machen und dann können sachte evolutionäre Korrekturen
beginnen. Siehe Bildzeitung.
Wir wollen das nicht. Nicht so! Der allgemeinen Meinung nach dem Munde
zu reden, käme für uns einer Art Prostitution gleich, die wir
strikt ablehnen. Wenn diese Option in Frage käme, hätte ich,
der Schriftleiter Fjøllfross, auch Journalist bei der Jungen Welt
der D.D.R. oder eben bei der Boulevardpresse werden können. Pfui
Teufel!
Macht? Nein! Einflußnahme? Wenn’s geht. Aber Einfluß
kann der, der schreibt, nur dort gewinnen, wo es Menschen gibt, die lesen
können. Diese Kunst ist im Schwinden begriffen in deutschen Landen.
Das ist uns klar. Und keiner, keiner glaubt mehr, für Lektüre
Zeit aufbringen zu können. Nicht einmal für Senecas „de
brevitate vitae“. Man setzt andere Prioritäten. Das geht natürlich
nicht zuletzt zu Lasten unseres Zieles und Zweckes. Aber sei’s drum.
Kein Grund zu resignieren. Wir sind Preußen und gewohnt, aussichtslose
Stellungen zu halten.
Die Orientierung des „Landboten“ läßt sich dabei
nicht mit herkömmlichen Begriffen wie links oder, rechts orientiert
festmachen. Der „Landbote“ versteht sich als Anwalt liberaler
Menschlichkeit. Wer das gleichfalls tut, diese Menschlichkeit jedoch an
seine Glaubens- oder Überzeugungsrichtung koppelt und diese als alleinigen
Sachwalter begreift, hat sie schon verspielt. Wer immer behauptet, „ich
bin menschlich, weil ich links bin, oder weil ich rechts bin, weil ich
Jude, Christ, Buddhist, Muselmann, Sikh, Hindu oder sonstwas bin, der
hat sich seine Unmenschlichkeit schon augenblicklich attestiert. Denn
diese Behauptung impliziert zwingend, daß die anderen nicht menschlich
seien, eben weil sie anderen Glaubens oder Überzeugung sind.
Wir wollen uns auch nicht abhängig machen von Mäzenen oder sonstigen
Förderen, zu deren Sprachrohr wir uns im Folgenden zwingend gebrauchen
lassen müßten. Wir sind unser Sprachrohr! Sonst niemandes!
„Ich han myn Lehen!“ jubelte Hêr Walter von der Vogelweide
vor achthundert Jahren. Vorbei die Not, hungernd und frierend durch spärlich
besiedeltes Land zu ziehen, immer in Gefahr ausgeraubt und totgeschlagen
zu werden. Er, der Vorläufer heutiger Schriftsteller, Vortragskünstler
und Journalisten. Immer von Fürstenhof zu Fürstenhof, von Burg
zu Pfalz ziehen müssen, für ein Kleid, ein bißchen Brot,
ein Schlückchen Wein. Hundeleben, das! Und endlich, endlich erhört
ihn der Kaiser und belehnt ihn mit einem kleinen Gut, von dem es sich
leben läßt. Wie viele Klinken bei wie vielen vollkommen unbedeutenden
Zeitgenossen hat dieser große Barde, dieser Wort- und Tonvirtuose
von überragendem Format putzen müssen. Wie sehr seinen Rücken
verbiegen und saudummen Punzen und deren adligen Bespringern etwas Seichtes
nach deren Geschmack vorträllern müssen, um des nackten Überlebens
willen.
Nein, das wollen wir nicht. „Lever duad as Slaav!“ brüllte
der friesische Bauer Pidder Lüng den Schergen des Bischofs von Oldenburg
entgegen. Klingt pathetisch! Aber ehrenhaft. Und das ist viel im Lande
Preußen.
Sicher, auf dem Titelblatt zitieren wir jenen Landsknecht aus dem kleinen
Zürcher Heer, der das sagte: „…und das ist blöd
– Geld soll man nehmen, wo es eben kommt.“ Wir aber interpretieren
das so: Es ist keine Schande, eine Gelegenheit wahrzunehmen, wo sie sich
bietet. Ihr aber hinterherzukrauchen und dabei das Rückgrat zu verbiegen
– das ist unsere Sache nicht. Wir nehmen auch vom Feind, wo sich’s
anläßt, aber kaufen – kaufen lassen wir uns nicht.
Wir haben vielleicht nicht den ungeheuren Mut eines Siegfried Jacobson,
Kurt Tucholsky oder Carl von Ossietzky. Noch haben wir deren Ausbildung,
Beobachtungsgabe und schriftstellerische Brillanz. Dennoch, was wir in
dem uns gesetzten Rahmen zu leisten vermögen, werden wir in deren
Sinne leisten. Das sei geschworen!
Wir wünschen unseren Lesern und auch uns einen guten Zweiten Jahrgang,
den wir uns schon erfolgreich zu nennen erkühnen, wenn er denn Wenigen
Freude bereitet und zum Nachdenken anregt. Es ist uns nicht so wichtig,
daß man mit uns einer Meinung sei. Wenn man sich aber sachlich und
konstruktiv mit uns auseinandersetzt, so gibt uns das den Mut und die
Kraft, trotz widriger Bedingungen das Leben des Landboten aufrechtzuerhalten.
Denn wir meinen, ein solches nonkonformistisches Blatt tut der deutschen
Zeitungslandschaft bitter not.
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3. Volumen |
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004 |