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Hartz
IV und die kalte Enteignung
Jules-Francois
S. Lemarcou
Die Bundesrepublik Deutschland ist
pleite. Zumindest das was man gemeinhin die Öffentliche Hand nennt.
Wir wissen das und ein Narr, der etwas anderes glaubt. Die Staatsschuldenuhr
tickt im mehrstelligen Billionenbereich, jede Sekunde um das Gehalt eines
Arbeiters wachsend, und nun wird unbarmherzig, quasi über Nacht,
von der sozialdemokratischen Regierung der Gurt um den beinahe leeren
Sack zugezogen. Machen wir uns nichts vor - die Christdemokraten wären
mit Sicherheit noch einen Zahn schärfer.
Aber wohin führt uns dieser Wahnwitz?
Nichts gegen rigide Maßnahmen, die arbeitsunwilligen Faulpelzen
und Sozialschmarotzern Beine machen. Aber wenn man solche Maßnahmen
ergreift, dann muß auch ordentlich bezahlte Arbeit verfügbar
sein. Und das ist sie nicht. Östlich der Elbe schon gleich gar nicht.
Was hier zu Beginn des Jahres 2005 beginnt, ist heller Wahnsinn. Langzeitarbeitslose,
die von Hause keine Chance mehr haben, irgendwo unterzukommen, werden
auf ? 330,- gesetzt. Das aber nur, wenn sie sich vorher mittels eines
sechzehnseitigen Fragebogens völlig entblößt haben und
danach - nota bene: nach dieser Entblößung amtsseitig festgestellt
wird, daß der Antragsteller die entsprechenden Kriterien erfüllt.
Die Latten werden, dessen kann man sich sicher sein, sehr hoch gehängt.
Wir wollen von dem Umstand schweigen, daß einer auf Massenkonsum
ausgerichteten Gesellschaft bei einem solch enormen und plötzlichen
Wegfall von Kaufkraft der Kollaps droht. Dieser Umstand scheint sich nur
völligen ökonomischen Blindgängern zu verschließen.
Es wird astronomische Steuerausfälle geben, die es an sich schon
erschweren werden, den Bedürftigen die ihnen zustehenden Gelder auszuzahlen.
Massenverelendung ist die unvermeidliche Folge.
Was aber will der Staat jetzt, nachdem er über drei Jahrzehnte hinweg
seine Nationalökonomie systematisch in den Dreck geritten hat? Hat
er nicht? Schon vergessen, daß das Kreditwesen als die Seele von's
Geschäft gesehen wurde? Alles auf Pump, sonst läuft der Laden
nicht! So war es doch. Jetzt kann der nationale Schuldendienst kaum noch
die Zinsen bedienen.
Möglicherweise will er, nachdem das Tafelsilber längst verscherbelt
ist, als letzte Option vor dem Verkauf der nationalen Goldreserven der
Bundesbank an die Privatreserven der deutschen Bevölkerung. Sollen
ja so etwa vier Billionen Euro sein, die das deutsche Privatvermögen
ausmachen. Also etwa das Doppelte der Staatsschulden. Und wie amüsant
der Gedanke, ein Hartz-IV-Opfer hätte in den fetten Jahren Staatsanleihen
der Bundesrepublik Deutschland erworben, um seine Altersbezüge aufzubessern.
Natürlich müssen die jetzt auch verhökert werden, bevor
es an den Sozialnapf geht. Welch elegante Entschuldung bei denen, die
keine Möglichkeit haben, sich dagegen erfolgreich zu verwehren!
Und genau darauf läuft es hinaus. Abschöpfung der privaten Mittel
im ganz großen Stil. Schluß, aus, vorbei mit der Solidargemeinschaft!
Jetzt geht's ans Eingemachte!
Und die hirnlose oder aus der Not geborene Narretei schlägt Kobolz:
Was ist denn mit den Hauseigentümern in Ostelbien, die von der Oma
die windschiefe Butze geerbt haben, oder nach der Wende im allgemeinen
Aufwärtstrend ein schickes neues Häuschen auf Borg und Kredit
auf die grüne Wiese gestellt haben? Sollen die sich ihr Heim, ihre
Altersvorsorge mit vier Wänden, auf den Buckel schnallen und nach
Bayern oder Baden-Württemberg ziehen, wo es eventuell noch Arbeit
gibt? Oder sollen sie mit hohem Verlust verkaufen? An wen denn? Wer kauft
denn ein Haus in einer strukturschwachen Region zu einem akzeptablen Preis?
Tun sie nichts, wird man ihnen das Haus wegnehmen. Nein, nicht so richtig.
Die Leute bekommen einfach keine Hilfe zum Lebensunterhalt, bis nicht
das Letzte verscherbelt und aufgefressen ist. Und dann? Dann sind sie
Mieter eines Karnickelstalles, der wiederum vom Sozialamt gesponsert wird.
Wenn denn das Sozialamt noch über diese Mittel verfügt.
Denn es ist doch so: Will das Bundesfinanzamt etwas von Dir, lieber Michel,
dann zieht es dir das Fell über die Ohren, bis du unter der Brücke
liegst. Umgekehrt geht das leider nicht. Hast du Ansprüche an den
Staat, und der kann nicht - na, dann bist du halt Neese! Du den Staat
pfänden? Da lachen ja die Hühner!
Und so wird ein gewaltiges Heer von Elenden geschaffen, die nicht mehr
wissen, wie sie den nächsten Tag finanzieren sollen.
Und eines dürfte ebenfalls klar sein: Genauso, wie es einen senkrechten
Absturz des Goldpreises geben dürfte, wenn der Bundesadler seinen
Ärar auf den Kopp kloppt, so können wir auch von einer gigantischen
Wertevernichtung sprechen, wenn zwei Millionen Menschen innerhalb kurzer
Zeit gezwungen sind, ihr Erspartes auf den Markt zu werfen: Anleihen,
Immobilien, Schmuck, Aktien, Beteiligungen. - Kinder, das gibt einen Erdrutsch!
Die Inflation kommt durchs Hintertürchen und macht sich breit in
der Guten Stube. Die Verwandten werden mit hineingerissen in diesen Strudel
- es ist kein Ende abzusehen.
Was zu tun ist?
Maß halten! Immer wieder: Maß halten! Maß halten in
jedem Programm, jeder Reform. Jahrzehnte wurden überfällige
Reformen aufgeschoben, jetzt wird blindwütiger Aktionismus entfaltet
- niemand ist in der Lage, bei einem derart dynamischen System wie einer
Gesellschaft alle Folgen zu überblicken, die sich entwickeln, wenn
der erste Dominostein ins Kippen gebracht wurde. Das kann ganz plötzlich
auch nach hinten losgehen - zumal den armen Leuten wahrhaftig die Garotte
angesetzt wird.
Dem Bundesrechnungshof mehr Befugnisse erteilen und die Beamten auf
Normalmaß zurechtstutzen. Es gibt so viele Schmarotzer und Parasiten,
die nicht "erwerbslos" sind. Man könnte sie auch überbezahlt
nennen. Was muß ein Lehrer, Industriemeister oder ein Staatssekretär
Tausende Euro verdienen, wenn Millionen Menschen mit einem Bettel zu vegetieren
gezwungen sind? Da heißt es ansetzen und den Augiasstall ausmisten.
Doch dazu bedarf es eines Herakles. Und woher den nehmen und keinen Adolf
einkaufen. Denn wo das Volk an den Rand der Existenz gedrängt wird,
da beginnt die Kontur dieses Gespenstes wieder bedrohlich aufzuleuchten
über dem Horizont. Und diese Gefahr ist weit höher zu bewerten,
als das unselige 1929er Jahr.
Aber vielleicht setzen die Entscheidungsträger ja auch auf eine Gesundschrumpfung
des deutschen Volkskörpers: Mann stelle sich vor, all diejenigen
Nicht-Leistungsträger, die sich von den Auswirkungen des Hartz-IV-Programms
ins totale Abseits gedrängt fühlen, bringen sich um. Man kennt
das Phänomen aus wirtschaftlichen Notzeiten zur Genüge. Was
für eine Entlastung der öffentlichen Hand.
Der Gedanke wäre zu zynisch? Wer das meint, schlafe beseligt weiter!
Hier regiert der Dollar. Und dem Dollar sind unproduktive Menschenleben
weniger wert, als das Schwarze unterm Fingernagel.
Noch vor anderthalb Jahrzehnten belächelte die Bundesrepublik die
marode und absaufende D.D.R. Na dann, liebe Vettern aus dem Westen, paßt
mal schön auf, wie es weitergeht auf unserer rasenden Talfahrt. Die
Mitte Deutschlands kennt das grausame Spielchen schon zur Genüge.
Nur diesmal ist keiner da, der uns aufkaufen könnte.
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