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Der brennende Stadtstreicher von Beeskow

B. St. Fjøllfross
In der märkischen Kleinstadt Beeskow wird im Frühsommer 2004 ein sturzbetrunkener, schlafender Obdachloser von jugendlichen Raubmördern auf einer Parkbank mit Feuer angesteckt. Die Verbrecher durchwühlten ungeniert die Taschen des Bettlers und – als sie nicht auf das erhoffte Geld stießen, zündeten die Lumpen den wehrlosen Mann einfach an.
Dieses Verbrechen ließ mich über ein Problem nachdenken, welches in der heutigen Gesellschaft weitestgehend tabuisiert und totgeschwiegen wird.
Wie kann es kommen, daß solch verwahrloste Mörderbrut überhaupt inmitten einer Hochzivilisation aufwachsen kann? Ich gestehe, daß angesichts der Ungeheuerlichkeit dieser Tat alles in mir nach dem Hammurabischen Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ brüllt. Es ist die erste, die animalische Aufwallung des Herzens, das sich fragend und ratlos dem Horror gegenüber sieht. „Brennt sie selbst, das Lumpenpack, vierteilt, haut und stecht und zieht ihnen das Fell von ihren Kadavern…!“ Man verflucht die Justiz, die keinem natürlichen Rechtsempfinden auch nur annähernd Rechnung trägt.
Aber das darf sie auch nicht.
Wir im christlichen Abendland haben Jahrhunderte lang gehauen und gebrannt und gestochen – alles im Namen der Wiederherstellung der göttlichen Ordnung – und gebracht hat es wenig! Das Mehr an Schmerzensschreien brachte kein Weniger an krimineller Gewalt. Wäre das der Fall, die blutige Rache der Gesellschaft wäre gerechtfertigt. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Der große König Preußens Friedrich II. sagte einmal im Kontext eines Kriminalprosesses, in dem ein Schäfer aus religiösem Wahn heraus seinen Sohn erschlagen hatte und darüber zum Tode verurteilt wurde: „Galgen und Rad bessern solche Narren nicht. Man soll ihn in ein Irrenhaus geben und dort vernünftig und menschlich behandeln!“
Hier aber haben wir es nicht mit verblendeten Verfechtern einer Idee oder Fanatikern zu tun, sondern mit hemmungslosen Gewaltverbrechern und Raubmördern schlimmster Art.
Nein, sie müssen eine harte, lebenslange gesellschaftliche Ächtung erfahren, sie müssen gebranntmarkt werden, man soll sie anspucken und ausschließen aus der menschlichen Gemeinschaft, aus der sie sich mit ihrem Verhalten selbst herauskatapultierten. Und diese Ächtung muß im Gedächtnis der Gesellschaft präsent und lebendig gehalten werden. Das wäre konsequent gehandelt.
Vielleicht sollte man aber auch ein besonderes Augenmerk auf die Eltern legen. Welch ein Brimborium betreiben Jugendämter und Gerichte, ehe sie denn einer Familie die Aufnahme eines Adoptivkindes gestatten! Und das mit Recht! Welche Anforderungen werden an Führerscheinaspiranten oder zukünftige Mediziner bei deren Staatsexamina gestellt!
Doch das Kinder-in-die-Welt-setzen und das Aufziehen derselben werden als ein unveräußerliches Grundrecht betrachtet, egal welche Grundvoraussetzungen die zukünftigen Eltern für diesen verantwortungsvollsten Job überhaupt mitbringen; ein Tabu selbst, davon überhaupt zu reden oder dieses Grundrecht zur Disposition zu stellen. Böse dräut am Horizont der zugegebenermaßen verbrecherische nationalsozialistische Lebensborn. Doch darum geht es nicht. Es geht um die Hypothek, die man Kindern aus retardierter und asozialer Herkunft generell aufbürdet, noch bevor sie überhaupt geboren sind. Darüber aus ethisch-formalen Gesichtspunkten hinwegzusehen, ändert weder etwas an der Tatsächlichkeit des Problems noch an den Folgen sowohl für das Kind und damit den späteren Erwachsenen, noch für die Gesellschaft, die im Allgemeinen an diesen Folgen nachhaltig zu tragen hat.
Es geht darum, daß vierzehnjährige Mütter kaum lesen und schreiben können, nur eben das Kindermachen, das beherrschen sie perfekt. Und belasten naturgemäß andere mit der schwierigsten Aufgabe, die sich einem Menschen stellen kann – der ordentlichen Erziehung und Heranbildung des Nachwuchses. Welche ethischen Werte könnten Eltern ihrem Kind vermitteln, wenn sie selbst über keinerlei Wertvorstellungen verfügen? Welche Geborgenheit können sie einem Heranwachsenden mitgeben, wenn sie selbst von diesem Begriff keine Ahnung haben? Welche Möglichkeiten können sie einem Kind bieten, wenn sie nicht in der Lage sind, den familiären Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten? Welche Richtung können sie dem Nachwuchs weisen, wenn sie selbst nur über ein labiles und orientierungsloses Naturell verfügen.
Wir wissen auch nicht, wie man eine solche Frage zweckmäßig angeht. Wir wollen keine Selektion, noch die Benachteiligung geistig oder sozial minderbegabter Persönlichkeiten. Auch diese haben selbstredend ein Recht und ein Grundanspruch auf familiäres Glück.
Was wir wollen, ist, daß sich die Gesellschaft unbedingt über ihre Eigenverantwortung im Klaren wird, die ihr aus der Heranbildung ihrer jüngsten Mitglieder erwächst. Das Nachdenken über Restriktionen gegenüber therapieresistenten Asozialen und Verwahrlosten muß gestattet sein, ohne daß man dafür faschistisiert wird. Versäumt man diese Diskussion, respektive die Umsetzung daraus folgender, notwendiger Konsequenzen, dann wird die gesellschaftliche Entwicklung von sich heraus eine weitaus unbarmherzigere Rechnung aufmachen, wenn die Politik zugegebenermaßen wohlmeinende, aber nicht tragfähige Überlegungen zu Ethik und Menschenwürde mit Gewalt aufrechterhalten will. Denn mit der zunehmenden materiellen und geistigen Verarmung der deutschen Nation und des damit verbundenen Zusammenschmelzens des Ärars werden die Verteilungskämpfe zunehmen und irgendwann von selbst und mit brachialer Gewalt dergleichen wohlmeinende ethische Konzepte hinwegspülen. Was dann kommt, ist realer Faschismus – wir hatten das schon einmal.
Und wir haben es in Ansätzen wieder. Denken wir an den brennenden Stadtstreicher von Beeskow! Denken wir an den zu Tode gefolterten Jungen Marius aus dem mecklenburgischen Polzin! Ich sage es noch einmal: Geistig und seelisch verwahrloste Jugendliche stecken einen Menschen an, weil dieser im Endeffekt das Pech hat, keine Bleibe mehr zu besitzen. Diese Jugendlichen haben sich selbst aus der Gesellschaft zivilisierter Menschen ausgeschlossen – und zwar für immer. Es darf kein Zurück geben für Menschen, die gleich aus welchem Grunde einen Artgenossen oder eine andere Kreatur Gottes zu verbrennen trachten. Es darf kein Pardon geben für Menschen, die ihr eigenes krankes Ich vor die Belange und die Grundwerte der Gesellschaft stellen.
Die Gesellschaft, das Elternhaus, die Schule hätte diesen Ganoven während ihres Heranwachsens die Möglichkeit versagt, sich zu bilden oder ethisch zu vervollkommnen? Das ist der größte Blödsinn schlechthin. Eine Informationsgesellschaft bietet jedwede Entwicklungsmöglichkeit an. Wenn davon aber aus Ignoranz, Dummheit, Ablehnung und blöder Langeweile kein Gebrauch gemacht wird, so ist dafür das Individuum im vollen Umfang verantwortlich – und niemand sonst!!! Man muß ihnen ja auch nicht das Essen oder ihre Schnapspullen zum Munde führen oder unterstützend zur Seite stehen, wenn sie ihre jungen und oftmals strohdoofen Gaken bespringen. Sie tun es aus Eigeninteresse und aus freier Entscheidung und zeigen damit an, daß sie sehr wohl in der Lage sind, Dinge zu beherrschen und auszuführen, sofern sie diesen ihr Interesse zugewandt haben. Wohin und in welche Richtung sie aber ein solches Interesse lenken, das bleibt allein der freien und eigenen Entscheidung überlassen. Wer zwingt diese Halunken, des Nachts auf dem Marktplatz herumzulungern, mit der Ausrede, es gäbe keinen Jugendklub, keine Diskothek, in der sie überdacht ihre Zeit totzuschlagen vermöchten? Ist die Gesellschaft gar verpflichtet, diese nichtsnutzigen Schmarotzer auch noch zu unterhalten und zu belustigen? Warum bilden sie sich nicht, auf daß wir beispielsweise keinen Computernachwuchs mehr aus Indien importieren müssen? Warum gehen sie nicht anderen sinnvollen Tätigkeiten nach, engagieren sich bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Sportverein oder bei der Reinhaltung des Stadtparks, anstatt ihn mit ihrem Unrat zu verschandeln? Perspektivlos sind sie ob der hohen Arbeitslosigkeit? Mir kommen die Tränen! Wer außer dieser Canaille ist denn für die Schaffung von Perspektiven responsibel? Wer hat diese Jungverbrecher so verzogen, daß sie es frech wagen, nicht von eigener Hand erarbeitete Ansprüche zu stellen?
Aber ich höre schon das Volk der um jedes Verständnis bemühten Psychologen jammern: Diese Jugendlichen haben altersadäquat das Bedürfnis, sich gesellschaftsnonkonformistisch zu produzieren und zu positionieren. Bitte schön! Solange niemand anders dabei zu Schaden kommt. Aber kriminelle Entäußerungen verdienen keine Nachsicht, keine Toleranz!
Es wurde von Gesellschaft, Schule und Elternhaus oftmals versäumt, dieses Pack konsequent in die Schranken zu weisen und deren asoziales Verhalten nachhaltig restriktiv zu beantworten. Und darin besteht die absolute und unleugbare Mitverantwortung dieser drei Institutionen.

Bringen wir es auf den Punkt: Es gilt sich zu entscheiden zwischen Motoren und Ausbremsern von eigenen Gnaden. Vor dieser Art von Ausbremsern gilt es die Gesellschaft dauerhaft zu schützen. Eine nachwachsende Population dieser Parasiten aber muß schon im Vorfeld durch geeignete Maßnahmen eingedämmt werden.
Und geeignete Maßnahmen sind schon im zarten Jugendalter anzusetzen. Das Gewäsch der antiautoritären 68er Generation muß ein Ende haben! Schluß mit der hemmungslosen und freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu Lasten der Mitmenschen! Die Prinzipien, die die Gesellschaft zusammenhalten, müssen vermittelt werden. Wer sich diesem Wissen öffnet – gut! Wer sich ihm verschließt – auch gut! Aber die Konsequenzen, die müssen, ebenfalls im Vornherein in Aussicht gestellt, ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Die Amerikaner machen es vor. Und das Argument, sie würden ihrer Kriminalität auch nicht Herr werden, sticht nicht. Es mag der Königsweg nicht sein – ein besserer als dieser lauwarme Säusel- und Zickzackkurs, den die hiesige Justiz zur verhöhnenden Last der Opfer fährt, ist es allemal.
Geeignete Maßnahmen müssen bei der potentiellen Elterngeneration angesetzt werden. Wer sich als Individuum signifikant gegen gesellschaftlich verbindliche Normen vergeht, dem muß die Reproduktion sauer gemacht werden.
Das alles erfordert natürlich ein radikales Umdenken und nachfolgend einen ebenso radikalen Umbau des gesellschaftsphilosophischen Gedankengebäudes. Das mag manchem aus den verschiedensten Gründen als undurchführbar erscheinen. Ich aber sage, dieser Prozeß wird stattfinden – und entweder er verselbständigt sich unkontrolliert, oder aber man setzt sich beizeiten mit ihm auseinander und sucht ihn nach Kräften zu steuern und zu kanalisieren.
Denn der Biedermann von heute, der sich noch immer im humanistischen Erbe seiner Nation suhlt, wird eventuell schon morgen statt des Beeskower Stadtstreichers das nächste Opfer. Spätestens dann werden wir erleben, wie hauchdünn die zivilisatorische Schicht über dem Archencephalon des Nackten Affen liegt. Dann wird es weitaus schwerer, wenn nicht gar unmöglich, dem sich bahnbrechenden Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Muß ich Hadamars, Sonnensteins und Brandenburgs Erwähnung tun?
Ein Konsens zugunsten der gesellschaftlichen Toleranz mit solchen Verbrechern ist eine Art Versailler Vertrag mit dem eigenen Volk, der eine einzige gigantische Hypothek auf die Zukunft darstellt. Davor kann man nicht laut genug warnen!
Die Alternativen?
Erstens: Es gab und gibt Gesellschaften und Völker, denen solche Auswüchse unbekannt sind. Ohne an dieser Stelle die sinnlose Forderung zu erheben, deren Lebensweise oder historisch gewachsenen Wertvorstellungen eins zu eins zu kopieren, so sollten deren Ansichten zumindest zur Kenntnis genommen, überdacht und auf ihre teilweise Kompatibilität überprüft werden.
Zweitens: Zum Teufel mit dem allseits beliebten Anspruchsdenken. Anspruch hat ein jeder Schaffensfähige nur auf die Früchte der eigenen Leistung bzw. seines Beitrages zum Gemeinwohl. Behinderte haben darüber hinaus Anspruch auf die Fürsorge und Unterstützung der Gesellschaft. Dahinter aber gibt es kein: „Es steht mir zu!“
Drittens: Kinder in die Welt zu setzen und aufzuziehen, darf nicht länger ein Grundrecht aller– es muß ein Vorrecht ethisch gefestigter Persönlichkeiten sein! Und als solches vom ganzen Volk begriffen und akzeptiert werden. Denn ich für meinen Teil sehe lieber einen biederen Mann auf der Parkbank sitzen, als einen brennenden.

3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004