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Die
Geiselnahme von Beslan
K. K. Bajun
Zwischen Schwarzem Meer und Kaspisee
türmt sich ein gewaltiges Hochgebirge - der Kaukasus. Von enormen
tektonischen Kräften aufgetürmt, bildet er einen Teil der Grenze
zwischen Europa und Asien.
Doch diese Erdkräfte sind nicht die einzigen, die diese Gegend seit
Jahrhunderten erschüttern. Wir wissen schon aus der antiken Sage
von den Argonauten um die ständigen Konfrontationen des Abendlandes
mit den Völkern des Ostens. Diese Konflikte sind seither nicht zur
Ruhe gekommen.
Mir, dem Manne Bajun nun hat die Radaktion den Auftrag erteilt, mich namens
des "Preußischen Landboten" zu der mit dem Verstand kaum
zu fassenden Tragödie zu äußern, die vor einigen Tagen
das Städtchen Beslan heimgesucht hat. Mir, dem Manne der Kultur,
der Bücher, der Kunst.
Warum? Weil mir eine russische Seele innewohnt? Diese Seele blutet angesichts
des Entsetzlichen, was sich vor den Augen der Welt in der Schule einer
kaukasischen Kleinstadt abspielte. Wie sich einem solchen Geschehen nähern?
Dieser Tage kommt ein
Film in die deutschen Kinos, in dem die letzten Tage des GröFaZ Adolf
Hitler nachgestellt werden. Bruno Ganz mimt den Dämon der Deutschen
und nur dem Genie des Trägers des Iffland-Ringes ist es vorbehalten,
diesem Unhold ein menschliches Antlitz zu geben. Ein Jahrzehnte altes
Tabu wurde gebrochen - das ecce homo wurde über den gesprochen, den
man gerne für eine außerirdische böse Macht gehalten hätte:
Seht her! Dieser war kein Teufel, kein Dämon - er war ein Mensch,
ein Nackter Affe, wie der Kollege Schriftleiter nach Morris zu klassifizieren
pflegt. Er war im Grunde genommen einer wie ihr - und wenn sich euch das
Nackenfell sträubt! Schaut hin und erkennt! Versteht! Begreift! GNOTHI
SEAUTON! Denn nur so hat man überhaupt eine Chance, dem Bösen
an der Wurzel zu wehren.
Das dünkt mich der
einzige Weg, einen mentalen Zugang zu dem zu finden, was sich an Unbegreifbarem
abgespielt hat.
Wir rekapitulieren: In
den ersten Spätsommertagen des Jahres 2004 dringt eine Gruppe tschetschenischer
Terroristen in ein Schulgebäude der Stadt Beslan ein und nimmt etwa
tausend Schulkinder und ihre Lehrer zu Geiseln. Mit dem Leben dieser Menschen
wollen sie erpressen, daß sich die Russische Armee und Verwaltung
aus Tschetschenien zurückziehen.
Zwei Tage lang verweigert man den Gefangenen das Notdürftigste, der
Direktor, ein kranker Mann, stirbt, weil er keine Medikamente bekommt.
Dann gelingt einer kleinen Gruppe die Flucht aus dem verminten Gelände,
die Terroristen schießen hinterher, die russischen bewaffneten Kräfte
erwidern das Feuer - es kommt zu einem schauerlichen Gemetzel. Über
dreihundert Tote. Jede dritte Geisel verläßt den Ort des Grauens
nicht mehr lebendig. Und von denen, die überlebten, werden sich noch
manche bis ans Lebensende wünschen, daß auch ihnen ein schneller
Tod teilhaftig geworden wäre, statt eines lebenslangen Albtraums.
Warum tun Menschen so etwas? Das ist die Kernfrage. Und wie konnten sie
zu einer solch völlig neuen Qualität des Schreckens gelangen?
Denn hier haben Terroristen das Ultimative ausgelotet, das, wovor zivilisierte
Menschen bis in den Grund ihrer Seele zurückschrecken: tödliche
Gewalt gegen Kinder! Mehr geht nicht!
Ist es schon für
einen normalen Menschen nicht leicht, seinen Nächsten zu verletzen,
so findet sich doch bei den allermeisten unserer Gattung eine angeborene
Scheu, sich an Kindern zu vergreifen. Vereinzelt wird auch in unserer
Gesellschaft dieses absolute und notwendige Tabu von perversen Einzeltätern
und Kriminellen durchbrochen. Doch dienen diese Verbrechen in aller Regel
nur der Befriedigung eigener Triebe, sieht man mal von den Schulamokläufen
in Amerika und Erfurt ab.
Doch gerade diese letzten beiden Beispiele zeigen uns mit aller Deutlichkeit,
worauf es die Terroristen mit größter Sicherheit angelegt haben:
Sie wollten Weltöffentlichkeit! Sie wollten bis in den letzten Kral,
die letzte Jurte, das letzte Iglu hinein gesehen und gehört werden.
Sie wollten unmißverständlich zum Ausdruck bringen: "Wir
meinen es todernst mit unseren Forderungen, und wie ernst uns die Sache
ist, seht ihr daran, daß wir nicht mal vor dem Unberührbaren
Halt machen." Es könnte auch lauten: "Wir sind so verzweifelt,
daß wir selbst vor dem Massenmord an Kindern nicht zurückschrecken!"
Doch wenn das so ist, dann stellen sich die Terroristen als Teil einer
amoklaufenden Gruppe Menschen dar. Denn es muß ihnen klar sein,
daß sie sich den Haß der Welt zuziehen und sie sich jedes
Verständnisses und jeder Unterstützung auf lange Zeit berauben.
So kann man kein politisches Ziel durchsetzen. So nicht! Kindermörder
sind und bleiben der letzte Dreck!
Wollen Sie das sein? Sind diese Leute, die angeblich um die Freiheit ihres
Volkes kämpfen, Masochisten, denen schon alles egal ist?
Drückt sie der russische Stiefel so schwer im Genick, daß sie
nicht mehr anders können? Was wollen sie denn überhaupt eintauschen?
Den Stiefel des russischen Bären gegen die Stiefel ihrer Warlords?
Ist das ihre Freiheit?
Nein, die Sache stellt sich ganz anders dar! Wer den Kaukasus kontrolliert,
der hat den Zugriff auf die kaspischen Ölfelder, das nördliche
Einfallstor zum Zweistromland und damit zu den Küsten des indischen
Ozeans. Wir ahnen schon, worauf das hinaus läuft: Macht, Einfluß,
Geld! Dafür müssen Kinder und ihre Eltern schon seit jeher sterben.
Nicht die Freiheit des tschetschenischen Volkes ist gemeint, sondern die
Kontrolle weniger Islamisten über die Ressourcen des Landes, die
man mit den Russen nicht mehr zu teilen geneigt ist. Denn das Geld ist
doch für sie bei der Al Quaida und im internationalen islamischen
Kampf gegen den Schaitan aus Washington, Canberra, London, Madrid und
Moskau weitaus besser angelegt, als bei den russischen Oligarchen. So
denken sie. Und dafür wird eine Schule systematisch vermint.
Dafür müssen dreihundert Kinder sterben, ehe sie begriffen haben,
was das Leben überhaupt bedeutet. Für die Raffgier einiger Weniger.
Das mit dem Volk ist nur das uralte Getöse, damit man genug Handlanger
und willfährige Exekutoren aus dem Volke für die Drecksarbeit
gewinnt. Und die Rechnung geht auf - immer und immer wieder.
Immer und immer wieder finden sich in jeder Gesellschaft perverse Elemente,
die - natürlich im Dienste einer "höheren Sache" -
den "Feind" gleich welchen Alters und Geschlechtes vergasen,
mit Napalm überschütten und anstecken, erschießen, pfählen,
kreuzigen und verbrennen. Dien Bien Phu, New York, Hutu und Tutsi, Jugoslawien,
Auschwitz und des Aufzählens ist kein Ende.
Und immer wieder die Frage: "Wer hat Schuld?" Russen, Tschetschenen,
Amerikaner, Hutu, Spanier, Israelis, Palästinenser, Christen, Muselmänner,
Sikhs.? Was soll der Blödsinn?
Selbst wenn es gelänge, diese Frage zweifelsfrei zu klären,
was per se ein Ding der Unmöglichkeit ist - wem nützte es? Was
hilft es den Kindern von Beslan, auf irgendwen mit den Fingern zu zeigen
und zu sagen: "Der da!"?
Schuld sind einzig die Leute, die sich von einigen Irren aller Nationen
dazu verleiten lassen, den Finger an den Abzug zu legen. Denn ohne diese
ausführenden Elemente wären die Irren machtlos.
Man hat das in Deutschland nach dem Dritten Reich begriffen und den sogenannten
"Befehlsnotstand" aufgehoben. Es gibt in Fragen der grundlegenden
Prinzipien der Menschlichkeit keinen Befehlsnotstand! Es gibt nur die
eigene Perversion.
Das muß man den Kindern schon in der Schule und im Elternhaus klarmachen.
Dann legt man den Sumpf dieser fürchterlichen Gewalt trocken. Gegen
Scharfmacher, Aufhetzer, Warlords und ihre Gefolgschaft muß mit
Härte bis in letzte Konsequenz reagiert werden.
Wer immer sich zu diesem blutigen Weg entschließt, der muß
wissen, daß er sich unwiderruflich für die eigene Vernichtung
entscheidet. Das wird den Wahnsinn nicht beenden, aber es wird ihn eindämmen.
Fanatikern gleich welcher Couleur, gleich welchen Standes und in welcher
Position muß man mit fanatisch den Garaus machen. Hier ist der einzige
Punkt, an dem Fanatismus, diese unseligste aller menschlichen Eigenschaften
gerechtfertigt ist!
Das muß an allen Fronten geschehen: an der Erziehungsfront, bei
der Verbesserung der Lebensumstände des Einzelnen, bei der Beschneidung
des ausufernden Prozesses, daß einige Wenige immer reicher, viele
andere hingegen immer ärmer werden. Und für die letzte Instanz
gilt es eine Sturmtruppe bereitzuhalten, die den Verbrechern das zurückbringt,
was sie gesät haben - nämlich Gewalt und Verderben.
Georg Elser und auch die Männer um den Obristen Stauffenberg haben
Gewalt ausgeübt, um Adolf Hitler umzubringen. Bis auf ein paar Schwachköpfe
legitimieren wir heute diese Taten. Sie sind begangen worden, um ein weitaus
größeres Verbrechen zu beenden.
Man unterscheide wohl! Die Amerikaner in Vietnam oder Chile, die Israelis
in Palästina, die Russen in Tschetschenien benahmen sich oftmals
in Gebieten, in denen ihre Anwesenheit mehr als fragwürdig war und
ist, kaum wie Gentlemen. Doch nichts und wieder nichts rechtfertigt es,
Kinder und Unbeteiligte der anderen zu Geiseln zu nehmen und umzubringen,
in die Luft zu sprengen oder zu verstümmeln, nur weil man sich der
Streitmacht des Feindes unterlegen fühlt. Das hat Elser nicht getan
und der Kreisauer Kreis auch nicht. Tyrannenmord und Geiselnahme sind
zwei ganz verschiedene Dinge.
Ein letztes Wort noch zum Islam. Eilig versichern die Muftis, Ulemas und
Ayatollahs der Gemeinden, die im Abendland um ihre Integration ringen,
daß diese Verbrecher nichts mit dem Koran gemein haben. Da haben
sie wohl recht. Nur gibt der Umstand zu denken, daß man wie gesagt
diese Töne vornehmlich im Westen anschlägt. Der Orient hält
sich diesbezüglich bedeckter. Opportunismus? Oder ehrliche Abscheu?
Vielleicht beides. Fakt ist, daß der Islam, der uns aus Cordoba
und der Alhambra, aus dem alten Kairo und Damaskus entgegenleuchtete,
mit diesen Assassinen nicht vereinbar ist. Eine gewaltige Kulturreligion
wird von solchen Verbrechern diffamiert und diskreditiert. Der Islam ist
eine Religion der Milde und der Güte, die in den Händen von
Halunken zu einer Mord- und Totschlagspropaganda verkommt.
Aber ist uns Europäern das nicht bestens bekannt? Wurde nicht von
abendländischen Kanzeln der Kreuzzug gepredigt? Wurde nicht unter
der "Schirmherrschaft" einer Religion der Liebe ein Dreißigjähriger
Krieg vom Zaune gebrochen, der Deutschland noch weitaus mehr Leid zufügte?
Aus diesen Erfahrungen gilt es die richtigen Schlußforderungen zu
ziehen und sie den um ein neues Selbstverständnis ringenden Völkern
des Islam mitzuteilen. Das aber darf nicht von oben herab geschehen -
denn dieses ist es ja gerade, was die internationalen Moslems bevorzugt
gegen die Alte Welt in Harnisch bringt.
Und wir müssen den Worten Taten folgen lassen: Klugscheißen
und gleichzeitig ungerührt mit der Ausbeutung, Schulmeisterung und
Verbiegung, ja, der Pseudokolonisierung der Völker des Ostens und
des Südens fortzufahren, brächte uns den völligen Verlust
der Glaubwürdigkeit.
Samuel P.Huntingtons "Kampf der Kulturen" hat begonnen. Diesen
wahrscheinlich neu entstehenden Weltenbrand mit seinen Vorboten in New
York, Madrid und Beslan gilt es im Keim zu ersticken. Denn dieser Krieg
ist nicht zu gewinnen - für nichts und niemanden!
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