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Globalisierung oder Deutschlands ökonomische Zukunft

B. St. Fjøllfross
Nun ist er also geschaßt worden – der Boß des Karstadt-Konzerns. Gemurrt haben die Aktionäre. Der anhaltenden Umsatzeinbrüche wegen. Und als die üblichen Maßnahmen wie Mitarbeiterschinden und –entlassen nichts mehr fruchten wollten, da mußte halt der Häuptling gehen. Bekommt eben der Nächste die Pappnase aufgesetzt!
Wir sind keine Insider, was die Karstadt - Angelegenheiten betrifft. Wir haben lediglich zwei Augen im Kopf und können zwei und zwei zusammenzählen.
Wir werden Zeuge eines großflächigen Ladensterbens, erleben, wie in die verlassenen Hallen eines Supermarktes der gehobenen Preisklasse ein Discounter einzieht. Das alles sind Symptome einer einzigen Krankheit: schwindender Kaufkraft.
Und da man traditionell gewohnt ist, einer Malaise mehrere Namen zu geben, so wollen auch wir noch ein paar Bezeichnungen dieses Volksgebrechens aufzählen: Wirtschaftskrise, Inflation, stete Teuerung, Mißwirtschaft, sinkendes Bruttosozialprodukt, lähmende und lahmende Verwaltung, Wegfall von Verdienstmöglichkeiten, galoppierende Arbeitslosigkeit, gesellschaftliche Depression.
Ein bißchen viel für einen neuen Karstadt-Chef, was? Was wir damit sagen wollen? Egal, ob der alte Vortänzer dieses Handelskonzerns eine Nadelstreifenniete gewesen ist oder nicht, am Grundsatzproblem konnte er nichts ändern.
Hier geht es um ganz andere Sachen: Hier geht es darum, daß das Kapital und seine Produktionsstätten abwandern, weil ihm die Produktionskosten in Deutschland zu hoch geworden sind. Das Kapital will, das Kapital muß ausbeuten. Es muß Profitmaximierung betreiben, sonst kann es nicht bestehen unter seinesgleichen.
Nationale Ressentiments, wie sie der Herr Bundeskanzler jüngst einforderte, sind längst von der Geschichte überholt.
Die Vereinigung der europäischen Staaten zur Europäischen Union war in erster Linie keine Vereinigung der Völker, die endlich die Lehren aus zwei verheerenden Kriegen gezogen hatten. Es war der Zusammenschluß eines Wirtschaftsraumes, der Wegfall von Zollschranken und -bestimmungen, die Egalisierung von Wirtschaftsgesetzen, Wegfall von Währungsdifferenzen und Umtauschkosten, freier Warentransfer und alles diente nur einem Zweck: freie Fahrt dem Kapital! Der Rest ist Beiwerk.
Das ist die Lehre, die sich in der erfolgsverwöhnten Bundesrepublik endlich etablieren sollte. Alles andere ist sentimentaler Nonsens.
Das Kapital macht nur einen entscheidenden Denkfehler bei seiner Flucht zu den günstigsten Produktionsstätten. Klar, ist es schön, eine Fabrik auf die grüne Wiese zu stellen, wo es keine Natur- und Umweltschutzlobby gibt, keine aufwendigen Genehmigungsverfahren, Menschen, die für ’nen Appel und ’n Ei dankbar knuffen gehen und, und, und...
Aber diese Billiglohnarbeiter heißen Billiglohnarbeiter, weil sie eben nur sehr dürftig bezahlt werden. Das heißt mit andern Worten, an den neuen Stätten der Produktion entstehen nicht gleichzeitig neue Absatzmärkte! Also werden die Güter heim ins Reich gekarrt, wo sie dann verkauft werden sollen. Ja und dort? Können die, die ihre Arbeit aufgrund der Produktionsverlagerung verloren haben, noch kaufen? Können sie nicht! Jedenfalls nicht mehr in dem Umfang, wie das mal der Fall war, als der Wirtschaftsmotor noch brummte, in einer gut abgeschotteten Nationalökonomie.
Wir stellen also fest: Während der neue Absatzmarkt nicht so recht am Entstehen ist, bricht der alte zusammen. Die Produzenten werden über kurz oder lang ihren Kram nicht mehr los – weder hier noch dort.
Die einzige Frage bleibt: Wie lange werden sie brauchen, diese simple Milchmädchenrechnung zu begreifen?
Uns mangelt der entsprechende Optimismus. Wir sind davon überzeugt, daß die Produzentenkarawane das markige braune Liedchen zur Hymne erkoren hat, dessen Textstelle leicht verändert so lautete: „Wir werden weitermarschieren, und wenn alles in Scherben zerfällt, denn gestern gehörte und Deutschland – und morgen die ganze Welt!“ Wenn sie sich da mal nicht täuschen! Denn Kurzsichtigkeit ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für langfristig strategisches Denken. Und nur letzteres ist der Garant für einen stabilen Erfolg, nicht, wie viele meinen, globale Wanderungsbewegungen.
Allen Ernstes: Wenn immer wieder die Forderung nach Flexibilität erhoben wird, fragen wir uns: Was zum Teufel macht es für einen Sinn, wenn erst der „Arbeitgeber“ an einen „günstigeren“ Standort umzieht, und hernach die ehemalige „Arbeitnehmerschaft“ gedrängt wird, sich ebenfalls mit Kind und Kegel dorthin zu begeben, wo es Arbeit gibt – also quasi dem ehemaligen Brotherren hinterher? Das entbehrt jeder Logik. Das ist teurer Unfug. An Ort und Stelle den Menschen Beschäftigung bieten! Das ist eine tragfähige Lösung! Zu angemessen Konditionen und nicht nur immer nach der Devise – „mir soviel und dir so wenig wie möglich“ – wie ja die Denkweise der Vertreter des Kapitals nach Urvätersitte noch immer zu sein scheint. Heimische Produkte – vor Ort hergestellt, vor Ort konsumiert, ernähren die ansässige Bevölkerung auch ganz gut, lassen keinen auf Kosten anderer parasitieren und keinen beschäftigungslos dastehen. Überschaubare Ökonomien sind das Zauberwort, statt vernetzte, internationale Trusts, die nur noch mit ihrem eigenen Monopoly beschäftigt sind und vor lauter „wer-frißt-wen?“ schon nicht mehr wissen, was ihr eigentlicher Existenzzweck ist. Das würde unserer festen Überzeugung nach auch zu einer Entspannung auf lokalen Arbeitsmärkten führen. Denn Arbeit an sich ist mehr als genug da.
Die Apologeten der jetzigen Verfahrensweise jage man getrost in die Wüste! Denn sie vernebeln mit ihren sophistizierten Erklärungen, warum das alles gar nicht anders zu machen ist, nur den Blick fürs Naheliegende. Und das ist genau der Blick, um den wir uns angesichts der uns überrollenden Wirtschaftskrise bemühen sollten. Wenn wir nicht endgültig unter die Räder kommen wollen.

3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004