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An Herrn Adolphi
Autor des "Blättchens"
Zum Artikel: Hiroschima, Dresden, Potsdam

Das Blättchen Heft 16/ 2004

B. St. Fjøllfross

Lieber Herr Adolphi,
mit großem Interesse haben wir Ihren wirklich ausgezeichneten Artikel im ersten Augustheft des „Blättchens“ gelesen. Dies um so mehr, als wir im „Preußischen Landboten“ schon einige Male denselben Gegenstand behandelten: Können Mahnmale das an sie gerichtete Ziel erreichen, künftige Betrachter vom Wege der Aggression fernzuhalten? Dann, und nur dann würden sie ihren Zweck als Mahnmale erfüllen. Und das ist der Punkt!
Wir denken, wenn wir unsere diesbezüglichen Erfahrungen überschauen, sie können es nicht. Das Bild, das von der gequälten japanischen Hafenstadt aufgenommen wurde, nachdem sie von der künstlichen Sonne hinweggeglüht wurde, dürfte in unseren Köpfen zweifelsohne präsent sein: Die Schachbrettmuster von ehemaligen Hausstandorten und Straßenzügen, der geschundene Fluß, die Schatten von verdampften Menschen an den Mauerresten und inmitten die von Ihnen so trefflich beschriebene Ruine der Industrie- und Handelskammer.
Und wir fragen, nachdem nun die ganze Welt dieses Bildes teilhaftig geworden ist und des namenlosen Schreckens, den es zum Ausdruck bringt – hat es ein globales Umdenken gegeben? Haben die Menschen der Nachkriegszeit gesagt: Seht, das kann uns passieren, wenn wir den Aggressionstrieb des Nackten Affen sublimieren und mit solchen Waffen aufeinander eindreschen? O doch! Sie haben es gesagt: Es führte jedoch nicht dazu, diese Waffen zu bannen, sondern dazu, noch teuflischere, größere, vernichtendere zu entwickeln um mit ihnen zu drohen.
Es hieß also nicht angesichts des genbaku domu, der Frauenkirche, des zerstörten Warschau und Danzig, der Garnisonskirche und der Ruinen von Berlin: „Laßt uns aufhören mit diesem Wahnsinn!“, es hieß vielmehr: „Da, schau genau hin! Das blüht Dir, wenn Du Dich mit mir anlegst!“
Wir ändern den primitiven Nackten Affen nicht, lieber Herr Adolphi! Sie nicht, wir nicht – obwohl wir genau das, dem ehrbaren Don Quichotte gleich, mit unserer Schreiberei zu erreichen suchen.
Die Ruine der Frauenkirche hat die Amerikaner nicht davon abgehalten, den Irak mit Krieg zu überziehen - des mesopotamischen Erdöls wegen, noch hat sich das Volk der aufgehenden Sonne vom genbaku domu mahnen lassen, kein Armeekontingent zur Unterstützung dieses offenkundigen Verbrechens beizusteuern. Wer von den japanischen Soldaten hätte denn gesagt: „Nee, Leute, ich war in Hiroschima, ich war im dortigen Museum, ich habe die Skulptur des Kranichmädchens gesehen – ich bleib zuhause!“? Welcher japanische Entscheidungsträger hätte auch nur Ähnliches gedacht?
Wenn wir dies alles nüchtern bilanzieren, so bitten wir Sie, lieber Herr Adolphi: Freuen Sie sich mit uns über die wiederentstandene Warschauer Altstadt, das neugeborene Bernsteinzimmer, den wiederhergestellten Canaletto-Blick unseres geliebten Dresdens – und gönnen Sie uns von den Nazis genug geschundenen Preußen unsere Garnisonskirche.
Hier in Preußen mußten wir Freislers hysterisches Gekreisch ertragen. Es wäre uns eine Freude, wenn über dem Altar der wiederauferstandenen Garnisonskirche die Namen der tapferen Offiziere (von der Garnison schräg gegenüber) und der beteiligten Zivilisten stünden, die ihr einziges Leben gaben, um uns von der Inkarnation des Bösen schlechthin zu befreien.
Eine kleine Schlußbemerkung noch. Lieber Herr Adolphi, der „Preußische Landbote“ erscheint in Brandenburg an der Havel – einer ehedem bildschönen Stadt, die in den allerletzten Kriegstagen sinnlos schwer zerstört wurde. Völlig sinnlos. Traurig ragen seitdem die Ruine des Pauliklosters und der Franziskanerkirche in den Himmel. Letztere ringt seit Kriegsende jeden Tag mit dem Umfallen. Dort, wo einst unser schönes, gotisches Rathaus stand, gelangte Brandenburg mit „dem Loch“ zu zweifelhafter Bekanntheit. Glauben Sie, die Brandenburger Oberschüler hätten geschlossen mit dem Finger auf diese Mahnmale des Krieges gewiesen und gesagt: „Wehrkundeunterricht? Ehrendienst? Ohne uns!“? Viele palaverten vom Frieden, den alle mit dem Herzen wollten und schliffen dabei ihre Waffen, damit sie möglichst noch schärfer wurden, als die des Nachbarn.
Bauen wir das Zerstörte aber wieder auf, schaffen wir für die heute lebenden Menschen Identifikationssymbole. Das Paulikloster war einst ein Anziehungspunkt für Künstler, wie Ahrenshoop und Worpswede. Überwinden wir mit harter Arbeit die Folgen dieses idiotischen Krieges, schaffen wir diesen Anziehungspunkt neu, errichten wir das Kloster in alter Schönheit, so haben wir unserer Meinung nach mehr für den Frieden getan, als wenn wir eine triste Ruine, einen leeren Platz belassen, der im Alltag nicht mehr wahrgenommen wird, weil er als öde Brache verkommt.
Es ist nun leider so, die Menschheit ist diesbezüglich nicht zu ändern: Die Leute wollen das Schlimme vergessen, wollen im Jetzt leben, wollen wie seit eh und je auf Kosten ihrer Mitmenschen ein möglichst faules Dasein fristen – die Vergangenheit interessiert die meisten einen Dreck! Richten wir uns also nach den Realitäten und schaffen ein Umfeld, in dem die Menschen sich wohlfühlen. Das ist das einzige, was Kain nachhaltig daran verhindern wird, nach dem Besitz seines Bruders Abel zu schielen, respektive der Begehrlichkeit die Aggression folgen zu lassen.
Mit herzlichem Gruß
Ihre „Landboten“

3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004