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B. St. Fjøllfross
Lieber Herr Adolphi,
mit großem Interesse haben wir Ihren wirklich ausgezeichneten Artikel
im ersten Augustheft des „Blättchens“ gelesen. Dies um
so mehr, als wir im „Preußischen Landboten“ schon einige
Male denselben Gegenstand behandelten: Können Mahnmale das an sie
gerichtete Ziel erreichen, künftige Betrachter vom Wege der Aggression
fernzuhalten? Dann, und nur dann würden sie ihren Zweck als Mahnmale
erfüllen. Und das ist der Punkt!
Wir denken, wenn wir unsere diesbezüglichen Erfahrungen überschauen,
sie können es nicht. Das Bild, das von der gequälten japanischen
Hafenstadt aufgenommen wurde, nachdem sie von der künstlichen Sonne
hinweggeglüht wurde, dürfte in unseren Köpfen zweifelsohne
präsent sein: Die Schachbrettmuster von ehemaligen Hausstandorten
und Straßenzügen, der geschundene Fluß, die Schatten
von verdampften Menschen an den Mauerresten und inmitten die von Ihnen
so trefflich beschriebene Ruine der Industrie- und Handelskammer.
Und wir fragen, nachdem nun die ganze Welt dieses Bildes teilhaftig geworden
ist und des namenlosen Schreckens, den es zum Ausdruck bringt –
hat es ein globales Umdenken gegeben? Haben die Menschen der Nachkriegszeit
gesagt: Seht, das kann uns passieren, wenn wir den Aggressionstrieb des
Nackten Affen sublimieren und mit solchen Waffen aufeinander eindreschen?
O doch! Sie haben es gesagt: Es führte jedoch nicht dazu, diese Waffen
zu bannen, sondern dazu, noch teuflischere, größere, vernichtendere
zu entwickeln um mit ihnen zu drohen.
Es hieß also nicht angesichts des genbaku domu, der Frauenkirche,
des zerstörten Warschau und Danzig, der Garnisonskirche und der Ruinen
von Berlin: „Laßt uns aufhören mit diesem Wahnsinn!“,
es hieß vielmehr: „Da, schau genau hin! Das blüht Dir,
wenn Du Dich mit mir anlegst!“
Wir ändern den primitiven Nackten Affen nicht, lieber Herr Adolphi!
Sie nicht, wir nicht – obwohl wir genau das, dem ehrbaren Don Quichotte
gleich, mit unserer Schreiberei zu erreichen suchen.
Die Ruine der Frauenkirche hat die Amerikaner nicht davon abgehalten,
den Irak mit Krieg zu überziehen - des mesopotamischen Erdöls
wegen, noch hat sich das Volk der aufgehenden Sonne vom genbaku domu mahnen
lassen, kein Armeekontingent zur Unterstützung dieses offenkundigen
Verbrechens beizusteuern. Wer von den japanischen Soldaten hätte
denn gesagt: „Nee, Leute, ich war in Hiroschima, ich war im dortigen
Museum, ich habe die Skulptur des Kranichmädchens gesehen –
ich bleib zuhause!“? Welcher japanische Entscheidungsträger
hätte auch nur Ähnliches gedacht?
Wenn wir dies alles nüchtern bilanzieren, so bitten wir Sie, lieber
Herr Adolphi: Freuen Sie sich mit uns über die wiederentstandene
Warschauer Altstadt, das neugeborene Bernsteinzimmer, den wiederhergestellten
Canaletto-Blick unseres geliebten Dresdens – und gönnen Sie
uns von den Nazis genug geschundenen Preußen unsere Garnisonskirche.
Hier in Preußen mußten wir Freislers hysterisches Gekreisch
ertragen. Es wäre uns eine Freude, wenn über dem Altar der wiederauferstandenen
Garnisonskirche die Namen der tapferen Offiziere (von der Garnison schräg
gegenüber) und der beteiligten Zivilisten stünden, die ihr einziges
Leben gaben, um uns von der Inkarnation des Bösen schlechthin zu
befreien.
Eine kleine Schlußbemerkung noch. Lieber Herr Adolphi, der „Preußische
Landbote“ erscheint in Brandenburg an der Havel – einer ehedem
bildschönen Stadt, die in den allerletzten Kriegstagen sinnlos schwer
zerstört wurde. Völlig sinnlos. Traurig ragen seitdem die Ruine
des Pauliklosters und der Franziskanerkirche in den Himmel. Letztere ringt
seit Kriegsende jeden Tag mit dem Umfallen. Dort, wo einst unser schönes,
gotisches Rathaus stand, gelangte Brandenburg mit „dem Loch“
zu zweifelhafter Bekanntheit. Glauben Sie, die Brandenburger Oberschüler
hätten geschlossen mit dem Finger auf diese Mahnmale des Krieges
gewiesen und gesagt: „Wehrkundeunterricht? Ehrendienst? Ohne uns!“?
Viele palaverten vom Frieden, den alle mit dem Herzen wollten und schliffen
dabei ihre Waffen, damit sie möglichst noch schärfer wurden,
als die des Nachbarn.
Bauen wir das Zerstörte aber wieder auf, schaffen wir für die
heute lebenden Menschen Identifikationssymbole. Das Paulikloster war einst
ein Anziehungspunkt für Künstler, wie Ahrenshoop und Worpswede.
Überwinden wir mit harter Arbeit die Folgen dieses idiotischen Krieges,
schaffen wir diesen Anziehungspunkt neu, errichten wir das Kloster in
alter Schönheit, so haben wir unserer Meinung nach mehr für
den Frieden getan, als wenn wir eine triste Ruine, einen leeren Platz
belassen, der im Alltag nicht mehr wahrgenommen wird, weil er als öde
Brache verkommt.
Es ist nun leider so, die Menschheit ist diesbezüglich nicht zu ändern:
Die Leute wollen das Schlimme vergessen, wollen im Jetzt leben, wollen
wie seit eh und je auf Kosten ihrer Mitmenschen ein möglichst faules
Dasein fristen – die Vergangenheit interessiert die meisten einen
Dreck! Richten wir uns also nach den Realitäten und schaffen ein
Umfeld, in dem die Menschen sich wohlfühlen. Das ist das einzige,
was Kain nachhaltig daran verhindern wird, nach dem Besitz seines Bruders
Abel zu schielen, respektive der Begehrlichkeit die Aggression folgen
zu lassen.
Mit herzlichem Gruß
Ihre „Landboten“ |