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Rabenschwarz
- Zepter und Mordio
Ein Kriminalroman aus der Zeit Friedrichs des
Großen
von Herrn Dr. Tom Wolf
M. L. Hübner
Lieber Bajun, verzeihen Sie, aber
das hier ist ein Preußenkrimi. Den muß ich Ihnen, einem inneren
Drang folgend, aus der rezensierenden Hand nehmen. Denn hier muß
wohl ein gebürtiger Preuße ran - und kein Naturalisierter.
Damit wir nicht den leisesten Zweifel...
Außer
Sherlock Holmes und ein paar seiner würdigen Nachfahren interessieren
mich Krimis eigentlich nicht so sehr. Es ist einfach nicht mein Genre.
Holmes ist da wie gesagt eine Ausnahme, zumal dessen schriftstellerischer
Vater, Sir Conan Doyle, einiges von seiner Figur Professor Moriarty in
seine persönliche Biographie einpaßte; wir kennen das: mit
der Frau des besten Freundes durchgebrannt, nachdem diesem nicht nur die
Frau sondern auch gleich noch die Idee zu Holmes geklaut und das Freundesleben
verkürzt wurde. Das heißt, in allen Holmes-Geschichten tritt
uns sozusagen eine Art kriminalistisches Gesamtkunstwerk entgegen, das
sich über die Seiten der Bücher hinaus erstreckt.
Nun aber begegnete ich
einem Buche, das eine besondere Art Krimi in Aussicht stellte - einem
Preußenkrimi. Ungewöhnlich und vielleicht nicht jedermanns
Sache - für mich jedoch hochinteressant. ".jo mei, wos gehn
uns deana Saupreißen on?" Nö, das sind die anderen, ich
Saupreuß bin neugierig geworden: Gekauft! Gelesen!
Unser preußischer Holmes, dessen Abenteuer an dieser Stelle Erwähnung
finden, heißt Langustier, ist Zweiter maître de cuisine bei
unserem König Friedrich, den die wohlmeinende Nachwelt mit dem Beinamen
"der Große" ehrte.
Was nun den gebürtigen Bad Homburger Wolf bewegt, Kriminalgeschichten
aus dem alten Preußen zu ersinnen, weiß ich nicht. Vielleicht
die Verbundenheit zu seinem verblichenen Landesherren Friedrich II. Prinz
von Homburg, der uns Brandenburgern an der Seite des Urgroßvaters
des Großen Friedrich 1675 bei Hakenberg half, die Schweden aus dem
Land zu treiben. Was auch immer es gewesen sein mag - die Idee fand ich
großartig und als Preuße, dessen Herz eine friderizianische
Uniform trägt, mußte ich einfach zugreifen.
Ich habe es nicht bereut! Herr Wolf ist ein sehr guter Handwerker und
seine Vorarbeit zu seinen Geschichten ist proper und solide. Fundierte
Sachkenntnis der örtlichen Gegebenheiten und Gepflogenheiten, vor
allem aber der gängigen Sprache und der Organisation der preußischen
Gesellschaft lassen vor uns ein authentisches Bild Berlins und Potsdams
um die Mitte des Achtzehnten Jahrhunderts entstehen. Es macht Spaß,
Herrn Wolf beim Lesen der Zeilen so ganz nebenbei auf einem virtuellen
Stadtbummel durchs alte Berlin und Potsdam zu folgen. Der Autor führt
mit leichter, ja spielerischer Hand - nichts klingt gekünstelt. Als
gelinde Einschränkung dieser Aussage mögen die Passagen gelten,
in denen er den König zu Worte kommen läßt. Ich weiß,
ich weiß: der Alte sprach ein Bierkutscherdeutsch - Herr Wolf zitiert
ihn schon recht glaubwürdig - dennoch: die stets auf den Buchstaben
"d" auslautenden Verben sind mir eine Spur zu oft bemüht.
Ob der Chef nun ein geschliffenes oder ein holperiges Französisch
sprach, kann ich aus eigenem Ermessen leider nicht beurteilen. Dafür
ist mir diese schöne Sprache bedauerlicherweise zu wenig verfügbar.
Ich muß mich da auf andere Quellen verlassen - aber dieser Punkt
scheint mir keiner Diskussion wert.
Der Krimi selbst liest sich spannend und von seiner Konzeption her durchdacht.
Gerade die direkte Rede mit ihren friderizianischen Besonderheiten fordert
und wird die Leserschaft Herrn Wolfs durch ein Sieb schütteln. Warum
auch nicht? Verleiht es dem Buche doch eine Exklusivität, die aber
leider der Verbreitung des Werkes nicht förderlich sein wird. Man
muß da Akzente setzen: Entweder man schreibt für den Mammon,
dann muß man halt dem Volke, von dem ja aller Reichtum kommt, Dünnbier
zu saufen geben, Harry Potter, Konsalik und Uta Danella lassen grüßen.
Oder man serviert einen edleren Tropfen, muß aber damit leben, daß
nur ein begrenzter Zirkel dessen Qualität auf dem Gaumen zu goutieren
weiß.
Immer wieder fasziniert der fein eingestreute und wirklich intelligente
Humor, mit dem der Autor seine Handlung würzt. Ja, würzt, so
wie sein Küchenmeister Langustier die Speisen seines Brotherren.
Mit sichtbarem Vergnügen teilt Herr Wolf seinen fiktiven Figuren
"sprechende Namen" zu, wenn etwa ein im Siebenjährigen
Kriege ertaubter Soldat als Baron von Stille vorgestellt wird. Küchenmeister
Langustier selbst erinnert an einen Krebs, der oft bei feineren Tafelfreuden
das Menue bereichert.
Apropos Menue: Nicht zufällig erscheint mir der Umstand, daß
Herrn Wolfs Meisterdetektiv und Sonderkomissär der Gilde der Köche
entstammt. Immer wieder sprudeln aus dem Texte erlesene Speisekarten hervor,
ja, ein vollständiges Rezept wurde zwanglos eingearbeitet, welches
unsere Frau Lektorin und begnadete Hobbyköchin Frau Katzenbaum begeistert
auf- und sie schon aus diesem Grunde für die Lektüre einnahm.
Herr Wolf, Sie geben sich den Anschein eines Epikuräers! Mit welcher
Sachkenntnis Sie auch auf dem Gebiete des leiblichen Genusses brillieren,
beeindruckt mich zutiefst. Das ist Lebensfreude pur!
Daher erkühne ich mich, abschließend diesen wohlgemeinten Rat
zu geben: Lieber Herr Wolf, Ihr Photograph, der Sie für die kurze
persönliche Vorstellung auf der Umschlagseite abgebildet hat, muß
unter dem Einfluß Arno Brekers gestanden haben! So lichtet man doch
keinen lebensfrohen Mann ab, der so erfrischend und erheiternd zu schreiben
vermag. Das sieht eher nach "Trutz Albion!" und "in den
Ostwind hebt die Fahnen!" aus. Lachen Sie, zeigen Sie Freude, Herr
Wolf - wir, Ihre Leser tun es doch auch - und allen Grund dazu haben Sie,
bei einem so lobenswerten Opus.
Oder ist Ihnen die preußische Regie auf den Fersen...?
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