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Die
Welt der Wirtschaft
enträtselt von Andre Fourcans
S. M. Druckepennig
Ja, ja – die Wirtschaft. Davon
versteht er nichts, unser Herr Bajun. Die Stirne des Feingeists aus den
Weiten der russischen Wälder legte sich in Falten und Runzeln, als
das Thema seinem Ressort zugeordnet wurde. Aber, weer man ejn feijns Jiddel,
wenn man nich wollt helfen, wo mer nur kennt! Nu, ich denk, ich kann.
Also frisch drauflos!
Andre Fourcans ist einer der Granden im französischen Reich der Wirtschaftstheorie,
dessen Stimme bis in die führenden europäischen Gremien gehört
wird.
In dem vorliegenden Buch nun versucht Herr Fourcans in einem imaginären
Gespräch mit seiner schätzungsweise dreizehnjährigen Tochter,
dem Mädchen seine väterliche Welt – die Welt der Wirtschaft,
Mechanismen und ihrer Gesetze näherzubringen. Fürwahr ein gewagtes
Unterfangen! Gilt doch die Wirtschaft als unselige Verwandte der Mathematik,
welchletztere schon im Allgemeinen bei den Kindern bis auf wenige Ausnahmen
nur geringe Sympathien genießt. Das Geschacher der Alten geht den
lieben Kleinen meist völlig auf den Keks! Doch diese schachern schon
fleißig mit: „Oma, das Taschengeld von Mutti hat nicht mehr
gereicht, ich mußte doch diese Woche einen neuen Zirkelkasten für
die Schule kaufen. Und jetzt haben sie in der Boutique nebenan diese todchice
Designerjeans mit dem Straß an der Seite. Total abgefahren! Und
auch noch runtergesetzt! Nächste Woche ist die Fete bei Claudia…
Omiiiiii!“ Abgesehen von dem Zirkelkasten, der eigentlich eine gepfefferte
SMS-Rechnung fürs Handy war, führte unser Früchtchen uns
gerade ein paar Grundbausteine der Wirtschaft vor: Begehren, Bedarf, Nachfrage
und natürlich – das liebe Geld, das nie reicht!
Doch das schert sie nicht weiter, sowenig wie wir uns beim Atmen über
die Zusammensetzung der Luftgase Gedanken machen, solange wir nicht an
einem Haus vorbeikommen, in dem der Herr Nachbar gerade seine Lumpen verbrennt.
Leider beschränken sich auch in diesem Falle die meisten Passanten
auf gottloses Fluchen, anstatt den Dingen auf den Grund zu gehen. Und
das ist verkehrt.
Wer nur flucht, statt zu verstehen, der wird selten in der Lage sein,
die Dinge zu seinen Gunsten zu beeinflussen oder gar zu ändern.
Das dachte sich sicher auch die Bundeszentrale für politische Bildung,
als sie eine Lizenzausgabe dieses für den interessierten Laien und
Anfänger überaus schätzenswerten Buches herausgab. Unter
der ISBN 3-89331-322-2 kann man es bei der obgemeldeten Institution ordern.
Und wenn man es dann hat, dann kann man es aufschlagen: Man wird feststellen,
daß Herr Fourcans nicht nur kindgerecht, sondern auch für den
erwachsenen Leser sehr unterhaltsam geschrieben hat. Die trockene Wüste
der Wirtschaftstheorie beginnt zu blühen!
Kein fades Ableiern von Historie, Fakten, Formeln und Thesen, keine dürren
und herzlosen Erklärungen von Weltwirtschaftskrisen, die das abgehoben
muffige Odeur des distanzierten Schreibstubengelehrten verströmen,
schlägt uns aus diesen erfrischenden Seiten entgegen. Auch die Ideologen,
die aus wirtschaftlichen Prozessen eine Kampfwissenschaft zu schmieden
suchen, werden sich nicht bestätigt finden. Der Autor erwähnt
entsprechende Versuche, setzt sich mit ihnen auseinander, (denn immerhin
spielen sie ja eine bedeutende weltgeschichtliche Rolle), ohne sie allzusehr
aufzuwerten und schafft den Spagat zwischen der Wissensvermittlung eines
als diffizil geltenden Sujets und spannender Unterhaltung.
Besonders interessant aber wird es, wenn man als Leser selbst mit der
von Karl Marx, Wladimir Iljitsch Lenin und ihren Apologeten geprägten,
kommunistischen Wirtschaftskritik des Kapitalismus aufwuchs, in der alles,
aber auch gnadenlos alles auf das zukünftige Reich Gottes…,
nee, war’n Scherz!, auf die unvermeidliche, kommende Herrschaft
der Ausgebeuteten abzielt. Das Verhältnis der Produktionsmittel zu
den Produktionsverhältnissen war hierbei der Dreh und Angelpunkt
aller Betrachtungen. Die Profitgier der Unternehmer, die das Treiben des
Mammon zum Selbstzweck erhebt, wurde als das alles determinierende Agens
identifiziert.
Das ist gar nicht mal so verkehrt. Wir erleben es gerade in der gegenwärtigen
tiefen Wirtschaftskrise, die das Land bis auf die morschen Knochen schüttelt.
Dennoch! Die Erläuterungen Herrn Fourcans’ schaffen dazu eine
notwendige Ergänzung, eine detailliertere Einsicht in das Wesen des
menschlichen Waren-, Geld-, und Leistungsaustauschs. Unbefangen kann man
sich einer verrufenen Materie nähern, um sein Verständnis von
den Vorgängen in der Welt zu erweitern.
Denn plötzlich wird alles etwas durchsichtiger. Kapitalmärkte,
Finanzplätze, Obligationen, Hochzinspolitik, der Zusammenhang des
Börsenindex mit den Arbeitslosenzahlen und so weiter, und so weiter.
Es macht Spaß: abends knipst man die Tagesschau an und begreift
plötzlich, warum alle so gebannt auf Herrn Greenspan schauen, dessen
Statement zur Senkung oder Anhebung der Leitzinsen der Federal Reserve
jede Minute erwartet wird. Es wird klar, warum die Aufgabe eines beinahe
paritätischen Dollar/Euro- Kurses für die Unternehmer in den
Wirtschaftszonen beider Währungen tiefgreifende Veränderungen
bei den Produktionskosten, im internationalen Absatz, also im Import/Export-
Geschäft hat. Und vor allem geht einem ein Seifensieder auf, was
das alles direkt – hören Sie? – ich sage: DIREKT mit
uns zu tun hat.
Die Wirtschaft ist nicht irgendein Monopoly durchgeknallter Yuppies oder
Onkel Dagoberts auf ein paar einsamen Inseln namens Börsenplätze.
Hier geht es ganz speziell um die Biographie eines jeden Einzelnen von
uns.
Ein Marketingstratege bei einem Automobilkonzern hat sich bös verkalkuliert.
Es heißt, retten, was zu retten ist! Also wird ein Standort dicht
gemacht. Die Leute stehen auf der Straße und müssen ihre persönlichen
Ausgaben einschränken. Den Händler an der Ecke wird’s
nicht eben freuen, wenn die Frau des Fräsers nur noch einmal statt
dreimal die Woche einholen kommt und dann auch nur die Hälfte kauft.
Der Staatssekretär im Finanzministerium kann das erwartete Steueraufkommen
aus direkten und indirekten Steuern schon mal nach unten korrigieren.
Daß heißt, das Bafög für Krauses Ältesten fällt
unter den Tisch und die im Rathaus der Gemeinde geplante Gehsteigerneuerung
ebenfalls. Ganz im Gegenteil, die Runde der Finanzminister erwägt
ernsthaft, die Hunde-, Erbschafts- und die Mehrwertsteuer ein weiteres
Mal anzuheben um das zu erwartende Defizit ansatzweise abzufangen. Was
bedeutet, daß Normalverbrauchers noch weniger zum Konsumieren bleibt.
Die Spirale dreht sich.
Sie sehen also: Wirtschaft ist ein Phänomen, das sich beileibe nicht
darauf konzentriert, soundsoviel Millionen Dollar, Tonnen Soja, Barrel
Öl, Automobile oder Schiffsladungen Moskitoeier von einem Ende der
Welt zum anderen zu transferieren.
Wenn raffgierige Gauner einen „Neuen Markt“ aus dem Boden
stampfen und mit Hilfe der unersättlichen menschlichen Gier Millionen
von Menschen das Ersparte aus der Tasche locken, bis die ganze Blase platzt
und die Kohle auf Nimmerwiedersehen in obskuren Versenkungen verschwunden
ist, dann schlägt das Ganze auch auf die zurück, die sich weise
aus dem Irrsinn der Spekulationswut herauszuhalten suchten.
Denn es gibt kein Heraushalten: Ein Plündern der eigenen Rentenvorsorge,
die Hypothek auf das ererbte Häuschen, die Umwandlung des Sparstrumpfes
in Spekulationsmasse – das alles sind nach dem Krach eines Marktes
für den Konsum dauerhaft verlorene Gelder. Lahmender Konsum aber
bedeutet ein Nachlassen des allgemeinen Lebensstandards. Doch was erzähle
ich?!
Besorgen Sie sich das Buch und lesen sie selbst! Herr F. kann es besser
erklären. Ich habe nur zu empfehlen. Was ich hiermit mache.
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