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Kultur
im Fläming
ein Konzert in der Dorfkirche von Jeserig bei
Wiesenburg
K.
K. Bajun
Jeserig im Fläming, den 31. Oktober 2004, baj. Ein diesig-dunkler
Herbstabend, ein würdiger Oktoberausklang, umfängt ein kleines,
romanisches Kirchlein auf den Höhenrücken des Fläming.
Dieser Abend verleiht dem Kirchlein zu Jeserig bei Wiesenburg sowohl von
innen wie von außen einen fast magisch zu nennenden Reiz. Ist es
die in ihrer berückenden Schlichtheit gehaltene Architektur, deren
vollkommene Proportionen von den Müttern und Vätern vor vierzig
Generationen aus den Feldsteinen aufgeführt wurden, die der Fläming
in Massen für seine Neusiedler bereithielt? Jeden verbauten Stein
für sich würde ein Mineraloge mit einem anderen Namen benennen,
grau schimmert neben rot, ein gemaserter Kaventsmann gegen die rauhe Oberfläche
seines Nachbarn, Granite, Quarze, Basalte – und doch fügt sich
alles in eine bezaubernde Gleichmäßigkeit, ein Ebenmaß
zwischen die dicken Fugen alten Mörtels. Einen Turm besitzt das kleine
Gotteshaus nicht. Ja, da war mal einer, vor reichlich hundert Jahren,
aber der hatte keinen Bestand – im Gegensatz zu den massiven Mauern
von Schiff, Chor und Apsis, deren kleine, für die Romanik so typischen
Fensteröffnungen die Wandstärke von teilweise mehr als einem
Meter verraten.
Und doch wirkt nichts plump – es ist alles von einer grandiosen
Schönheit, ohne Schnörkel, Anmaßung, barocke Überladung
oder kitschigen Firlefanz. Nicht die atemberaubende und himmelstürmende
Filigranität gotischer Fialen, Lichtgaden und Triforien. Keine byzantinische
Freskenpracht, kein schwülstig-ausladendes Barock. Nur ein paar wuchtige,
schmucklose Mauern – alles, alles andere relativieren sie zu überflüssigem
Zierrat.
Ruhe und Stille, ernste Besinnlichkeit und die Lebenswege der besagten
vierzig Generationen, deren Lebensmittelpunkt das schöne Gotteshaus
gewesen ist, sprechen schweigend aus diesem Raum, der die Zeit von acht
Jahrhunderten in sich zum Stillstand kommen ließ.
An diesem Oktoberabend aber beherbergt das Kirchlein noch zwei andere
Stimmen: die einer jungen Dame mit engelsgleichem und dennoch kräftigem
Sopran und die eines virtuosen Organisten und Kenners alter Musik. Zusammen
mit der einzigartigen Atmosphäre jenes geweihten Raumes bilden sie
einen Klang, der Herzen zu wärmen vermag, der uns Augenblicke reinster
Schönheit schenkt.
Musik aus der Zeit des Barock wurde dargeboten, namhafte Komponisten wie
der Meister Johann Sebastian Bach, Peter Philips, Girolamo Frescobaldi,
Samuel Scheidt, waren vertreten, ebenso wie Nicholas Strogas, Natale Monferrato,
Andre Campra und Werke aus Schemellis Gesangbuch.
Teils erklangen menschliche Stimme und Orgel zusammen, teils wurde dem
wundervollen Sopran Zeit gegeben, sich etwas zu erholen und reine Instrumentalstücke,
von Meisterhand geschrieben – von Meisterhand dargeboten, entrückten
die Hörer in die Welt beseelter Töne.
Man mag sich die Frage vorlegen, wie sich diese Kunst vor größerem
Auditorium, in größeren akustischen Räumen entfaltet hätte.
Wir sind der Meinung, gerade die kleine, eines Echos oder Nachhalls bare
Intimität dieses versteckten Fläming’schen Dorfkirchleins,
dieses auf uns überkommenen Kleinods aus der Pionierzeit Ostelbiens,
trugen erheblich zu dem außergewöhnlich schönen Erleben
bei. Keine Note ging verloren, keine Phrase, kein Akkord – alles
fand den zielgewissen Weg in die Ohren und die Seelen derer, die kamen
um zu hören.
Wir danken den beiden Künstlern, Frau Anita Carla Wolf für ihren
vollendeten Gesang und Herrn Johannes Pensler für die Kunst, einer
kleinen Orgel so große Musik mit feinfühligen Händen und
ebenso großer Liebe zu entlocken. Wir danken für eine Stunde
voller Schönheit, als sich ein diesiger Herbstabend über die
schweigenden Wälder des Flämings zu senken begann.
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