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König
Artus
eine Kinoverfilmung aus dem Jahre 2004
K. K. Bajun
Es ist wie mit der Titanic: Sie
lassen den Dampfer einfach nicht absaufen. Und wenn, dann nur, um ihn
stantepede an endlos langen Zelluloidfäden vom Grunde des Ozeans
wieder empor zu zerren – und nach ein paar rührseligen Szenen
geht die Reise wieder abwärts.
So ähnlich ergeht es auch dem britannischen Heros König Arthur,
dessen Andenken seit der Erfindung des Filmes wieder und wieder und wieder
bemüht wurde. Wenn ich nur an die Schmachtschinken der Fünfziger
und Sechziger Jahre denke, mit denen Hollywood die Welt gemartert hat,
dann wird mir speiübel: dieses süßlich-verlogene Mittelalter,
das es so nie gab, die auf Hochglanz polierten Diven, die einem Blinden
auffallenden Schurken, die Burgen aus riesigen Quadern von Pappmachee,
die unvermeidlichen Duelle mit positivem Ausgang, der züchtige Abschlußkuß
– es war ja sooooooo ermüdend.
Sollte das ewig so weitergehen?
Nein, sollte es nicht! Das Jahr 2004 brachte die Wende: King Arthur in
einer sehr bemerkenswerten Neuverfilmung. Nun gut, auch hier kam man um
Klischees nicht gänzlich herum. Gut und Böse mußten wiederum
postuliert und polarisiert werden (wenn auch etwas dezenter als bei den
alten Schinken), und wieder mußte ein Elitekommando mit einer Mission
betraut werden, die uns sehr an die „Sieben Samurai“ oder
das „Dreckige Dutzend“ gemahnte.
Doch der Rest war stimmig. Artus wurde in die historisch wahrscheinliche
Epoche des sterbenden Imperium Romanum eingeordnet. Der mutmaßliche
Sohn einer Britannin und eines römischen Offiziers wuchs zu einem
Soldaten mit charismatischem Auftreten heran. Ob er denn wirklich zu den
ersten Christen zählte, sei dahingestellt – aber das sind unwichtige
Details! Fakt ist, der Film schuf mit seiner Kulisse ein authentisches
Bild des in seinen letzten Zügen liegenden Rom. Die Legionen wurden
aus der Provinz Britannien abgezogen. Die Pikten aus dem Norden strömten
über den Antonius- und den Hadrianswall, die kriegerischen Sachsen
bedrängten ständig die Küsten des Inselreiches, das diesen
brutalen Räubern nicht viel entgegenzusetzen hatte.
Aber noch war die Zeit der Sachsen nicht gekommen. Denn zwischen ihnen
und dem Land, das sie zu erobern trachteten, stand Artus. Dieser in der
damals weltbesten Armee ausgebildete Offizier verstand es, das Vakuum,
das durch den Abzug der römischen Legionen entstand, mit seiner Tatkraft
auszufüllen. Er scharte die keltischen Ureinwohner, die Briten bis
hin zu den scotischen Pikten um sich und leistete den sächsischen
Expeditionscorps erbitterten Widerstand. Selbst eine Art Reichseinigung
sprang dabei heraus. So wurde dieser dux belli, dieser Kriegsherzog oder
Warlord zum ersten, wenngleich noch immer hypothetischen König Britanniens.
Nachdem die Archäologen, Historiker und nicht zuletzt die Filmemacher
die mythischen Deckschichten der folgenden Jahrhunderte vorsichtig abgelöst
hatten, gelang es ihnen, ein cineastisches Werk vorzustellen, das an Authentizität
und Anschaulichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Kamen
noch die „Nebel von Avalon“ auf halbwegs märchenhaften
und etwas feministisch eingefärbten Schuhen einher, so begegnen wir
hier einer machtvollen Erzählung, deren gehaltvolle und nichts aussparende
Szenerie uns wahrhaft siebzehn Jahrhunderte zurückversetzt.
Der allgegenwärtige Dreck, die bettelnde Armut und die räudigen
Lebensumstände der einfachen Menschen, die dazu kontrastierenden
römischen Außenposten der Kultur mit ihren Villen und Castellen
– das alles war beeindruckend.
Der legendäre Zauberer Merlin wird uns als weitsichtiger piktischer
Clanchief oder aber Clanberater vorgestellt, der wenig mit dem Magier
der späteren Jahrhunderte zu tun hat. Die Magie dieses Merlin besteht
in seinem politischen Geschick und seiner Weitsicht.
Die Kirche der Anfangsjahre ihres globalpolitischen Wirkens wird uns vorgestellt
– ohne Schmus und ohne Schmand! Klar und deutlich erkennen wir die
gnadenlosen klerikalen Querelen um die Vorherrschaft inner- wie außerhalb
der Kirche. Nach nur fünfundvierzig Jahrzehnten hat sich diese Institution
schon weit, weit entfernt von jenem Felsen, auf dem Petrus nach seines
Meisters Willen das irdische Haus Gottes errichten sollte. Lakonisch der
süffisante Einfall, gerade einen jungen Papstthronprätendenten
von der Eliteschar um Artus retten zu lassen: während der christliche
Offizier Artus in einer für einen gestandenen Krieger etwas weltfremden
Manier noch den frühchristlichen Idealen nachhängt, muß
er sich von diesem jungen Mann belehren lassen, daß der früherer
Erzieher des Artus, Pelagios, von innerkirchlicher Konkurrenz bereits
wegen häretischer Ansichten im wahrsten Sinne des Wortes kalt gestellt
wurde. Nüchtern belehrt der junge Papsteleve den Krieger an seiner
Seite über das wahre Wesen dieser Welt und reißt ihm sozusagen
die rosarote Brille von den Augen, ohne jedoch das fundamentale Gerechtigkeitsempfinden
des Artus zu trüben.
Bemerkenswert auch, daß die Filmemacher den Bezug des realen Geschehens
um Artus zu den Gefilden nördlich des Schwarzen Meeres einflechten.
So lassen sie eine der Zentralgestalten der Artussage, Lancelot vom See,
aus Sarmatien stammen, von wo aus er als junger Bursche noch zum Dienst
in die Legionen Roms gepreßt wurde. Wie mutig von dem von mir besprochenen
Film, wie aufrichtig, diesen Lanzelot an der Seite Gawains (Gawans) bei
der Schlacht mit den sächsischen Eindringlingen fallen zu lassen.
Nix mit der weltberühmten Tafelrunde unter dem König Arthur!
Die spätere Königin Guinivere (keltisch Guanhamara, später
Namensmutter aller Jennifers) läßt der Regisseur als keltische
Amazone für Britannien fechten, nachdem sie von Artus aus dem Kerker
jenes römischen Edlen und Scheinchristen befreit wurde, dessen Familie
zu retten der Zweck des filmfüllenden Himmelfahrtskommandos war.
Nun ja, die Verquickungen… und ein bißchen spannend und romantisch
zugleich soll’s ja auch sein – die Realität bleibt oft
hart und farblos genug!
Apropos Romantik: mit der obligaten Erotik geht der Film sehr sparsam
um. Die einzige Liebeszene beschränkt sich auf eine rauhe Kriegerhand,
die das Kleid der späteren Königin vor sich her nach oben schiebt
und dabei den Blick auf einen wohlgeformten Schenkel freigibt. Ich bin
der Ansicht, damit hat man das rechte Maß durchaus getroffen. Wer
mehr will, soll sich in die einschlägigen Porno-Schuppen bewegen.
Für diese Klientel schreibe ich ohnehin nicht.
So bleibt unter dem Strich ein sehr aufgeräumter, spannender und
authentischer Film, den als kleines Kunstwerk zu adeln keineswegs anmaßend
sein dürfte.
Er ragt weit über die üblichen Vertreter dieses Genres hinaus,
so weit zumindest, wie sein Held über den Rest Britanniens. Wir werden
ihn, wenn er denn im Handel erhältlich sein wird, unserer privaten
Cinethek hinzufügen.
Mit einem kleinen Seitenblick auf Herrn Tolkien, der ja mit seinem „Herren
der Ringe“ den Engländern ein komplettes Nationalmythos aus
dem Nichts heraus erschaffen wollte, bin ich jedoch versucht zu sticheln,
daß Britannien im echten Artus bereits über ein solches verfügte.
Wenngleich Herr Tolkien eventuell den vom Staub und den Verdrehungen der
Jahrhunderte unkenntlichen Hintergrund dieser Geschichte nicht mehr zu
sehen vermochte und das auf ihn überkommene Zerrbild ablehnte –
von dieser Interpretation wäre auch er begeistert gewesen –
da bin ich mir sicher.
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