Omar Sy
– ein Juwel an Frankreichs Schauspielkrone
Jules-Francois S. Lemarcou. Havelsee.
Mit den Schauspielern ist es wohl so, wie mit Männern und Frauen: Gefühlt
einer von 100 ist wirklich eine oder einer – der Rest hält sich nur
dafür.
Omar Sy – das ist dieser eine von den gefühlten hundert, ach was, tausend,
zehntausend … einer von den ganz großen zumindest. Mit Aktricen der
Spitzenklasse sind unsere westfränkischen Basen und Vettern gesegnet.
Sophie Marceau, July Delpy, Isabella Adjani, Charlotte Gainsbourg …
was für ein Sternbild der Miminnen an Frankreichs azurblauem Schauspielerhimmel!
Bei den Herren wird es schon enger. Ja, Jaques Reno hätte wohl das Zeug
zu einem Achttausender. Leider zu festgelegt auf den rauen Haudrauf,
leider zu präsent bei Ron Howard und Roland Emmerich. Spektakulär ist
noch nicht unbedingt groß. Aber wer weiß … vielleicht kommt da noch
was, … der alles überragende Gerard Depardieu … Hmm, nun gut – leben
tut er ja noch, aber fett ist er geworden. Man hört seit seiner russischen
Naturalisation nichts mehr von ihm. Das ist der Preis für die Steuerflucht.
Das nehmen die Franzosen richtig übel – den dargebotenen Ruhm im Pantheon
der Grande Nation einzutauschen gegen schnöden Mammon? Nee – das geht
nicht. Wie sagte einst Graf Dracula: Es gibt Dinge, die sind schlimmer
als der Tod.
Wer aber bleibt denn dann noch übrig? Richtig! Omar Sy! OMAR SY! Ein
Gigant, ein ganz, ganz Großer – ein Überragender, ein Freude Machender,
ein Könner seines Fachs. So einer mit Tiefgang und einem hochintelligenten,
feinen, unterschwelligen Humor.
Als Charakterdarsteller spielt er die Stradivari seines Fachs. Mehr
noch: Er ist die Stradivari! Er ist eine Entdeckung, weiß Gott.
Irgendjemand sagte
mal mit einer sehr geistvollen Süffisanz: „Gott ist eine Negerin.“ Der
Landbote positionierte sich dazu mit dem Kommentar: „Klingt plausibel.“
Selbst die Yankees hatten bereits 2003 begriffen, dass da was dran sein
könnte, als sie den großen Morgan Freeman als Gottvater in der Filmkomödie
„Bruce Almighty“ inthronisierten. Sehr überzeugend, sehr authentisch.
Auch Nelson Mandela hätte dieser Rock ganz gut gestanden. Aber nein
– ER ist ja eine Frau.
Nachdem nun Omar Sy ins Rampenlicht trat, bekommt diese provokante Theologie
ein reales Fundament. Wenn es also stimmt, dass Gott den Menschen nach
IHREM Ebenbilde schuf, indem SIE den Adam aus Evas Rippe – nicht umgekehrt
– formte, dann war dieser Adam wohl niemand anderes als Omar Sy. Und
so liefert der auch seine Rollen ab – göttlich, herzwärmend, überzeugend.
Wer nach seinen Klassikern „Ziemlich beste Freunde“ oder „Heute bin
ich Samba“ noch immer von der „Überlegenheit der weißen Rasse“ – was
für ein hirnschelliger, schwachsinniger Begriff – überzeugt ist, dem
ist nicht mehr zu helfen. Der- oder diejenige deklassiert sich selbst
zu einem Furunkel am Arsch der Menschheit.
Sys leises, verhaltenes und doch so ausdrucksvolles, akzentuiertes und
ebenso unaufdringlich wie eindrucksvolles Spiel leistet mehr für die
Sache der Schwarzen als jede verkrampfte Anstrengung „politischer Korrektheit“.
Denn dieser Mann transportiert Botschaften durch sein Auftreten allein
durch das, was er mit Wort und Geste zu sagen hat. Dabei benötigt er
nicht einmal die große Rhetorik eines Dr. Martin Luther King. Nein,
es ist das Einfache und doch so Tragende, das Unaufgeregte und doch
so Tiefgründige, was er darbietet. Sollte dieser Mann im Herzen anders
sein als die Rollen, die er verkörpert, dann wäre das wohl der Nadir,
die negativste Facette einer überragenden Schauspielerei. Aber fort
mit diesem Gedanken! Das hat keinen Bestand. Das ist zu unwahrscheinlich,
um wahr zu sein. Das wäre nur ein Albtraum. Brrrrrr. Wir schütteln uns
- einen Eimer kalten Wassers über den Kopf - und gut isses wieder!
Billige Mimerei, wie in den Soaps, ist verdammenswerte Tagedieberei.
Einer der leuchtendsten Gegenentwürfe dazu ist Omar Sy. Wir wünschen
uns noch viel von ihm sehen zu dürfen.