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111 Orte, die man in Brandenburg gesehen haben muss – zum Zweiten!

Kotofeij K. Bajun. Havelsee. Rike und Tom Wolf hatten ihrem Büchlein seinerzeit denselben Titel gegeben. Nun hätte der Stänner Paul ruhig noch eins draufpacken und aus den 111 Orten einhundertundzwölf machen können. Für den 112. Ort nennen wir jedenfalls unbedingt den Holzhändler von Damsdorf, der ein weiser Mann ist. Sprach er doch einst: „Merke Dir, Sohn, in Deutschland muss man nur zwei Dinge: Sterben und Steuern zahlen – der Rest ist freiwillig.“

Ergo kann von dem „… gesehen haben muss“ gar keine Rede sein. Dennoch formidable Anregungen beinhaltet dieser kleine Baedeker der besonderen Art auf jeden Fall.

Auf den ersten Blick möchte man sagen, hmmm, das ist natürlich schwer, wenn man haargenau dasselbe Feld beackert wie schon einer davor … und dann auch noch so ein Titan wie Preußen-Krimi-Autor Wolf und dessen damalige Gattin.

Aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Brandenburg – und das sagen wir Herrn Reinald Gräbe mit kalter Verachtung – ist ein Zauberland an überbordender Schönheit und kulturellem Reichtum. Für uns brandenburger Preußen nach Bornholm das schönste der Welt. Das hält Stoff für 1111 Orte parat und damit wäre das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht.

Das Konzept ist bewährt: Kurzer Text auf der einen – ein schönes Bild zum Anfüttern auf der anderen Seite. Das soll Appetit machen und genau das tut es.

Um mit Altvater Goethe zu sprechen: "Warum auch in die Ferne schweifen – „... Sieh, das Gute liegt so nah.“ Und ehe wir auch nur einen Pfennig für so einen drögen Kreuzfahrtdampfer ausgeben, der uns durch endlose Wasserwüsten pflügt – nehmen wir also Herrn Stänners Büchlein aus dem Emons-Verlag zur Hand und los geht’s!

Des Autors Stil ist prägnant, eingängig und er beherrscht die Kunst, das Wesentliche auf dem bisschen Platz unterzubringen, den ihm der knausrige Verleger zugestanden hat. Weiterführende Informationen entnehmen Sie bitte … Das geht in Ordnung.

Die Auswahl … Wir glauben, darin liegt die wahre Kunst bei diesem Überangebot, wie wir es weiter oben schon andeuteten. Wie macht man das? Arbeitet man sich von Nord nach Süd, von Ost nach West? Oder in konzentrischen Spiralen um das Zentrum herum, das für uns Lokalpatrioten natürlich nur Brandenburg an der Havel heißen kann. Pardon, liebe Residenz – aber das geht nun nicht anders. Ihr habt genug Platz abbekommen und der Wolf hat ausschließlich euch bei Emons auch ein eigenes 111-Orte-Büchlein gewidmet.

Dem in der Mark „landfremden“ Sohn der Stadt Münster/Westfalen, Paul Stänner, aber wollen wir für seine kenntnisreiche und die originäre Tonalität der Landschaft sensibel erfassende Beschreibung der brandenburgischen Reiseziele unseren Respekt zollen.

Störend wirken in diesem Büchlein wie überall auf dem märkischen Sande die offensichtlich unverzichtbaren Anglizismen. Dass man deren in steigendem Maße überdrüssig geworden ist, hat sich bis zum Autor noch nicht herumgesprochen. Da ist von einem „Shelter“ die Rede, von „Lost Place", einem „Blockhaus-Feeling“ und von „out of Weimar“. Selbst unser Autokorrekturprogramm protestiert mit wütenden roten Schlangenlinien.

Mag er von Chausseen reden, von Paraplüs und Portemonnaies, Pavements und Chaiselongues – die Mark hat die Hugenotten nun einmal aufgenommen, das kann man entschuldigen. Unserethalben auch von Subbotniks, Datschen und Dostoprimetschatjelnostis. Auch die Russen, nicht nur die Sowjets, haben Brandenburg seit Jahrhunderten mit ihren Spuren geprägt.

Aber was soll diese nach der Wende über die Elbe geschwappte dinglishe Radebrecherei? Cecilienhof, die Automobile der alliierten Militärmissionen und die Bebauungslücken, welche von den angloamerikanischen Luftflotten gerissen wurden, als es galt, Deutschland das Böse auszutreiben – viel mehr Bezüge gibt es hierzulande kaum zum Englischen. Und zu den Yankees schon mal gleich gar nicht.

Kann man die Schönheit einer Kultur und Landschaft beschreiben, indem man ihre Sprache vergiftet, sie gleichsam ohne Not amputiert? Die deutsche Sprache hält ein so immenses Vokabular bereit, welches ein solches Kauderwelsch durchaus verzichtbar macht. Das ist der Wermutstropfen. Sie mag der Sozialisierung Herrn Stänners geschuldet sein, der aus dem tiefsten Westen stammt, in welchem manche Vertreter der Nachkriegsgeneration alles angloamerikanische noch immer für eine anbetungswürdige Offenbarung halten. Der Osten schüttelt sich. Hierzulande wirkt eine solche Artikulation eher degoutant. So, nun haben wir auch ein paar der deutschen Sprache fremde Vokabeln in den Text gedroschen. Wenn der Genosse Walter „Zicke“ Ulbricht einmal recht hatte, dann mit seiner Erkenntnis, dass man mit dieser Unsitte doch „Schluss machen sollte“.

Ansonsten haben wir diesen durchaus anspruchsvollen Reiseführer mit großem Vergnügen studiert. Nähme man sich für jedes Wochenende eines der beschriebenen Reiseziele vor, so würde der eigene Geldbeutel geschont - denn, obschon Brandenburg nicht eben zu den kleinen Bundesländern zählt, so schlägt seine Erkundung inklusive der Investition für den kleinen Reiseführer doch weitaus billiger zu Buche, als eine Expedition ins australische Hinterland oder ein Wochenende auf der Avenue des Champs d’Élysées – und die nächsten zwei Jahre wären ausgefüllt.

Ja, es ist Herrn Stänner gelungen, Brandenburger Preziosen aufzuspüren, deren allgemeiner Bekanntheitsgrad eher gering eingeschätzt werden muss, die eines Besuches aber durchaus wert sind. Damit hat er viel für diese Orte getan, für deren Anwohner, für unsere Allgemeinbildung, für sein Salair und wir hoffen, dass der Emons Verlag von seinem Gewinn dem Verfasser des Buches auch einen kleinen Schampus spendieren kann. Verdient hat er’s.

111 Orte in Brandenburg die man gesehen haben muss
Stänner, Paul
Emons Verlag GmbH Berlin 2023
ISBN 978-3-7408-1714-5
EVP € 18,- (Österreich € 18,60)

 
B
13. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

27.03.2023