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ZDF-Magazin "royal" oder "gouttière"

Jan Böhmermann – ein Tiefpunkt des deutschen Humors


Kotofeij K. Bajun

Jan Böhmermann ist kein Narr! Wir erinnern uns – der Narr, der über seinen Sarkasmus, seine Ironie, seinen Witz, gepaart mit einem profunden Wissen über das Wesen der Dinge Schwachstellen und Widersprüche in der Soziodynamik menschlicher Gesellschaften offenlegt, gehört zu den wertvollsten Vertretern der Menschheit. Er ist auf philosophischem Gebiete dem Kyniker verwandt und auf medizinischem dem Chirurgen. Beide beißen, verletzen um zu helfen, um zu heilen.

Deutschland nennt eine Reihe solcher hervorragender Narren seine Söhne. Von Dieter Hildebrandt angefangen, über Matthias Riechling, Urban Priol, Georg Schramm, Frank-Markus Barwasser (Erwin Pelzig), Michael Haubold (Olaf Schubert), Oliver Welke, Dieter Nuhr – die Reihe ließe sich sicher noch fortsetzen. Sie ließe sich gewiss auch um den Namen Harald Schmidt erweitern, der nach amerikanischem Vorbild – den Deutschen fällt diesbezüglich leider wenig ein – die erste "Late-Night-Show" im Deutschen Fernsehen etablierte.

Deren dunkler Schatten aber ist der Gruselclown, der böse Kasper. Dieser muss nicht minder intelligent sein. Ihm aber fehlt der Wille zum Konstruktiven, die Ausrichtung auf das Gute, der Anstand, die Differenzierung. Die Jünger des bösen Kaspers, des deutschen Mr. Punch, sind üble Haudraufs und nur auf die billige Herabsetzung dessen ausgerichtet, was sie aufs Korn genommen haben. Im Lateinischen nennt man sie Fatuus, den Albernen.

Stefan Raab war so einer und Mario Barth. Sie bedienten mit ihrem bösen Klamauk die niedrigen Instinkte des Proletentums. Die Prekarier sind in der Überzahl und verhalfen diesen beiden Barden der vor Dummheit brüllenden Bosheit zu großer Prominenz.

Jan Böhmermann schlug dagegen eine neue Seite desselben elenden Kapitels auf: Er kam daher als geistreicher Biedermann, der die Tradition des Harald Schmidt aufgreift. Doch nur die Fassade ähnelt der Bühne des großen Vorgängers.

Als Böhmermann den Sultan mit seinem berüchtigten Schmähgedicht angriff, schlugen ihm viele Herzen aus Sympathie entgegen. Als der Sultan – ebenfalls keine Leuchte von Weisheit und Güte – wütend zurück bellte und den kleinen, schmächtigen Böhmermann ernstlich bedrohte und sich das Ganze zur Staatsaffäre auszuweiten begann, da nahm die Karriere des vorher relativ unbekannten Böhmermann Fahrt auf.

Nun ist es rechtens, dem Sultan zu attestieren, dass man ihn für einen machtversessenen, faschistoiden Despoten und Schurken mittelalterlichen Zuschnitts hält, der das Erbe Atatürks verspielt und die Türkei zerlegt. Wer das mit kabarettistischen Mitteln zuwege bringt, dem gebührt alle Ehre. Dazu muss man aber das Verhalten attackieren, welches den Sultan charakterisiert – und dazu gehört mit Sicherheit keine Sodomie mit Ziegen. Ihm das vorzuwerfen, ist widerlich, an der Sache vorbei und bespielt lediglich die unterste Klaviatur des aus saudummen Klischees gestrickten Fäkalhumors des deutschen Prekariats.

Daher kann hier auch nicht der Schutz beschworen werden, welchen Deutschland seinen Künstlern bietet – denn eine solche blasphemische Rotzigkeit ist keine Kunst, der sie vorträgt, ist kein Künstler!

Nun arbeitete sich Böhmermann in einer seiner Sendungen (ZDF-Magazin Royal) an dem Online-Lexikon Wikipedia ab – einer wahren Segensquelle der Multiplikation von Wissen und dessen Austausch. Die Wikipedia ist eine der ganz großen Errungenschaften der elektronischen Revolution.

Böhmermann hat nichts besseres zu tun, als auf ihren unvermeidlichen Schwachstellen herumzureiten, die sich aus der Natur der Wikipedia als offene und demokratische Plattform ergeben. Was er wissentlich vergaß zu erzählen, ist, dass die Kinderkrankheiten des Lexikons überwunden sind und Beiträge längst einer scharfen und umfassenden Kontrolle der großen Gemeinde kundiger Wikipedianer unterzogen werden, so dass grober Unfug oder wirtschaftlich-politische Einflussnahmen unter den Argus-Augen der Gemeinschaft nur noch selten und in sehr begrenztem Umfang eine Chance haben.

Einer der Protagonisten dieser hochgebildeten und engagierten Wikipedianer, dessen Pseudonym sinnbildlich für Qualitätskontrolle steht, ist der Benutzer AKA, den Böhmermann in der Manier eines Giftzwergs übel angriff.

Böhmermann spricht dem kundigen Laien in Bausch und Bogen Kompetenz ab und will den Leuten vorschreiben, was sie für interessant zu halten haben und was nicht! Damit offenbart er sich selbst als stumpfsinniger Dogmatiker, spätmittelalterlicher Scholastiker und führt sein propagiertes Selbstbild des Freigeists und Libertins ad absurdum.

Insofern bewiesen sowohl dieser unsägliche Moderator als auch das seine Witzelsucht feiernde, von ihm adressierte geistige Prekariat, dass sie ferne davon sind, den Geist der Wikipedia auch nur annähernd zu erfassen. Sie alle haben sich als Töchter und Söhne der Dame Stultitia erwiesen und sollte Böhmermann nicht wissen, wer das ist – die Wikipedia hilft.

Blöderweise wird man bei Eingabe dieses Namens auf eine Seite geleitet, welche die Pflanze Orbea aus der Gattung der Seidenpflanzengewächse beschreibt. Nein, man muss schon unter dem Stichwort „Lob der Torheit“ recherchieren. Aber dazu bedarf es einer Fähigkeit, die Böhmermann so offensichtlich abgeht – die Liebe zu hintergründigem und vertieftem Wissen. Damit ausgestattet wäre er sicher gefeit vor seiner charakterlichen Degenerierung – aber angesichts der intellektuellen Zusammensetzung des deutschen Volkes längst nicht so erfolgreich – wobei – ist er das eigentlich noch? Die Sendezeiten seines Klamauk-Formats sprechen nicht dafür. Vielleicht ist das ein Hoffnungsschimmer am Horizont der Aufklärung.

Die Formate und Podien der hervorragenden Narren jedenfalls sind weitaus effektiver positioniert. Und das gibt unserer Galligkeit schon wieder eine Wendung zum Heiteren.

So wie die Wikipedia ihre Trolle ertragen muss, welches der unvermeidliche Preis für ihre Offenheit ist, so muss die deutsche Kabarettisten-Landschaft eben ihre bösen Kasper erdulden, die Läuse im Pelz. Die gute Nachricht dabei ist: Es sind diese Aberrationen, die den authentischen Nachweis, das ausweisliche Qualitätssiegel einer funktionierenden Offenheit liefern. Nur der Schatten unterstreicht die Existenz des Lichts!

 
B
13. Volumen

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19.04.2019