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Savonarolas unwürdige Erben
oder der unvermeidliche Lohn der Bildungsferne Don M. Barbagrigia. Havelsee. Geschichte ist ein dröges Fach, nicht wahr? Sie hilft nur denjenigen, die sich mit ihr befassen, anhand der von ihr gesetzten Präzedenzen zu erkennen, welche Fehler in der Vergangenheit begangen wurden und daher in der Gegenwart billig vermeidbar sind. Doch die ungestüme Jugend, die zur Zeit das Ruder des absaufenden Deutschlands lenkt, hält dieses Wissensgebiet für durchaus verzichtbar - … wie übrigens beinahe jede andere Wissensdisziplin auch. Wenn die Berliner minderbeschulten Politikstrategen nur die mindeste Ahnung von der Historie hätten, und sich nicht so fanatisch auf ihre totalitäre, feministisch-woke Welterlösungsphilosophie konzentrierten, dann wüssten sie, wie substanzlose, mit Ideologien aufgeladene Phantastereien in aller Regel ausgehen. Am 23. Mai 1498 hatten die Einwohner des mächtigen Florenz die Schnauze gestrichen voll von ihrem geistlichen Obermimen Girolamo Savonarola. Sie hängten ihn über einem großen Feuer auf und verbrannten den Burschen kurzerhand. 1495 begann er, seine persönliche Idee von einem züchtigen, puritanisch anmutenden Gottesstaat in die Tat umzusetzen und ließ von seinen – meist kindlichen oder jugendlichen Schergen, „Fanciulli“ genannt – alle Requisiten des Vergnügens und der Kunst zusammentragen und auf einem Scheiterhaufen der Eitelkeiten mitten auf der Piazza della Signoria verbrennen. Unersetzliche Kunstwerke wurden neben Spielkarten, Musikinstrumenten oder Schmuck zum Opfer der Flammen. Der Brandstifter bemerkte in seiner quasireligiösen Raserei dabei nicht einmal ansatzweise, dass er mittlerweile als Moral-Diktator von eigenen Gnaden selbst zum Sinnbild der Eitelkeit verkommen war. Nun kam seine Motivation keineswegs aus dem Nichts. Natürlich war das Renaissance-Florenz unter den Medici ein extrem gefährlicher Ort für jeden seiner Einwohner und Gäste. Die Missstände, welche Savonarola auf’s Korn nahm, waren real. Die Leute hurten, soffen, spielten, gingen mit ihren Dolchen aufeinander los, die Gaken jeden Standes putzten sich äußerlich auf Teufel komm raus und waren innerlich genauso hohl wie ihre Urenkelinnen unserer Tage. Den Greisen von Wandlitz ging es 1989 übrigens ähnlich und einige von Ihnen stürzten aus den Höhen der Macht unvermittelt in die vergitterten Zellen westdeutscher Gefängnisse, wo sie Zeit gehabt hätten, über die unübersehbaren Parallelen aller ideologisch motivierten Revolutionen dieser Welt nachzudenken. Ob und wenn ja, in welchem Umfang sie es taten, entzieht sich unserer Kenntnis. Man beließ ihnen jedoch wenigstens noch die Chance zu derlei Reflexionen, im Gegensatz zum „Titanen der Karpaten“ und seiner Ehefrau, der dummen Elena. Auch den Herren Robespierre, Danton, Marat, Saint-Just, Bucharin, Kamenew, Kossior, Sinowjew, Radek, Trotzki, Tuchatschewski, Blücher und Jegorow, Slansky und wie sie alle hießen, wurde diese Zeit der Besinnung nicht mehr zugestanden. Sie alle scheiterten daran, dass sie den Rat des berühmtesten Detektivs der Weltgeschichte entweder nicht kannten oder in gnadenloser Überheblichkeit in den Wind schlugen, gerade so, wie die grün-scheinrote Regierungstruppe heute. Sherlock Holmes lehrte uns nämlich, dass die Kunst des wahren Künstlers darin bestünde, zu wissen, wann man aufhören muss. Unser medizinischer Allvater Paracelsus fasste dieselbe Erkenntnis in die knappen Worte: Dosis facit venenum. Es hätte Savonarola und Konsorten mutmaßlich nichts genutzt, wenn diese beiden Granden der Weisheit vor ihnen gelebt und ihre Weisheit unters Volk gebracht hätten. Mutmaßlich verfügte das Volk ohnedies wahrscheinlich sogar bereits damals über ähnliche Erfahrungen und goss diese in nur geringfügig andere Merksätze. Nun formulierte jedoch der große Lichtenberg, dass dem Menschen die Augen nichts nützen, wenn er sich denn weigere, mit ihnen zu sehen. Für die Ohren gilt dies gleichsam. Leute wie Savonarola, Robespierre, der mit seinem Wohlfahrtsausschuss ganz ähnliche Ziele verfolgte, oder eben heutzutage die Grün-Woke Blase – wir weigern uns, diese Leute als links zu bezeichnen, denn das sind sie definitv nicht – verkennen in ihrem Alleinvertretungsanspruch in Sachen der Moral und Ethik, dass sie dem Volke nicht zuviel auf einmal zumuten sollten. Und vor allem keinen hanebüchenen, kruden, krankhaften, abstrusen und lächerlichen Blödsinn! Die Quittung ist am Ende immer dieselbe. Die Geschichte hat nun einmal, wie es uns die Kommunisten lehrten, nicht nur die Eigenschaft, sich spiralförmig durch die Zeit zu bewegen und alleweil auf einem höheren Niveau jedesmal aufs Neue zu wiederholen wie eine Wendeltreppe, sie perpendikuliert dabei auch kontinuierlich, ja beinahe sinusförmig um eine gedachte Mittellinie. Es ist ein stetes Auf und Ab gemäß Newtons „actio es reactio“: Auf die spießigen und noch sehr von der Autorität der Kaiser- und späteren Nazizeit geprägten 50er des 20. Jahrhunderts folgte explosionsartig das Aufbegehren der 68er Jugend. Die Haare der Männer wurden länger, die Röcke der jungen Frauen wurden extrem kürzer, in der Kommune 1 wurde die sexuelle Befreiung vorexerziert. Die DDR feierte trotz der zugeknöpften Genossen im Politbüro die Freikörperkultur. Merkwürdigerweise sind es genau diese jungen Frauen, die Vorkämpferinnen einer Spielart der Emanzipation, welche ihre BH in Flammen aufgehen ließen, die und deren Enkelinnen heute eine rasantere und radikalere Kehrtwendung hinlegen, als es die profiliertesten Wagenlenker des Circus Maximus je vermochten. Diese jedoch riskierten bei ihren Manövern nur ihren eigenen Hals. Die Rot-Grünen reißen uns alle in den Abgrund! Das Land beginnt erneut in Spießigkeit zu erstarren und die Töchter der Dummheit predigen nunmehr, dass der sexuell befreite Körper der Frau wieder den lüsternen Blicken der Männer entzogen werden sollte, weil eine Frau nun mal kein Lustobjekt ist. Pfui FKK-Strände! Auf ins Paradies der Burkas und Tschadors! Die Taliban und die Mullahs lassen grüßen. In der Sache mögen die selbsternannten Beschützerinnen der Frauen ja recht haben. Allerdings ist diesen Dummköpfen nicht klar, mit wem sie sich da in Wahrheit anlegen: Die Göttin Evolution hat die Gesetze geschrieben, nach welchen sich auch der Nackte Affe zu richten hat, wenn er denn überleben will. Diese Gesetze sind gut und gerne dreieinhalb Milliarden Jahre alt. Welches Alter setzen die Verfechterinnen einer „feministischen, wertegetragenen“ Außenpolitik und ihre Gesinnungsgenossinnen dagegen? Warten Sie, wir müssen uns von dem Lachkrampf erst wieder erholen! Dazu kommt, dass die Anforderungen des Lebens für die überwiegende Masse der Menschen so hoch gesteckt sind, dass ihre zugegeben oft in ihrer Banalität und kulturellen Geistesferne erschreckenden Vergnügungen eine obligatorische Kompensation darstellen. Den meisten Menschen bereitet nun mal Sex mehr Vergnügen – siehe Gesetze der Evolution – als ein Museums-, Opern- oder Galeriebesuch. … noch dazu, wenn Tizians Venus in der Mitte schamhaft verhangen wird, mag sie ihre Hand vor den nach ihr benannten Venushügel halten oder auch nicht. Goyas angekleidete Herzogin Maja könnte bei anhaltender Tendenz ihres unbekleideten Pendants im Prado beraubt werden – was für ein Unglück ganz im Sinne eines Savonarola. Dessen Bilderstürmerei und Kulturbarbarei findet seine Entsprechung in der Gegenwart unter andrem in dem grenzdebilen Gendergesülze und den anderen schwachsinnigen Albernheiten der „politischen Korrektheit“. Hier landet eine ganze Sprache als eine der höchstrangigen Kulturerrungenschaften der Menschheit auf dem „Scheiterhaufen der Eitelkeiten“. Darüber aber vor Zorn zu platzen, lohnt jedoch nicht. Wir, die wir die Geschichte mit ihrem zuverlässigen und berechenbaren Pendelkurs kennen und lieben und darüber hinaus mitbekommen, wie der Widerstand sich bereits auf immer breiter werdender Form zu formieren beginnt, können mit unserem Perspektiv das Licht der Befreiung von diesem Irrsinn am Ende des Tunnels bereits erkennen. Das ist nicht von Dauer. Was an den Stammtischen nicht zu bestehen vermag, ist dem Untergang geweiht. Ja, ja, das kommt von hochnäsiger und abgehobener Arroganz, die aus dem Worte Populimus ein Schimpfwort der Verachtung macht. Dabei ist diese Negativzuschreibung an das Wort „Populismus“ nachgerade eine Majestätsbeleidigung. Denn – ist das Volk, und nichts anderes bedeutet das lateinische Wort „populus“ schließlich – nicht der Souverän in einer rechtsstaatlich verfassten Demokratie? Sagten die Alten nicht: vox populi vox DEI est!? Wie können dann dessen Meinung und Ansichten mit einer solchen Geringschätzung abgewertet werden! Noch dazu von jenen, die sich durch eben dieses Volk in ihre hochdotierten Positionen haben wählen lassen! Ist das nicht eine klassische contradictio in suo? Wenn ein den Populismus verachtender Abgeordneter der Ansicht ist, dass Hänschen Meier und Lieschen Lehmann per se dämlich und ihre Handlungen von Irrationalität geprägt sind, muss das dann nicht auch logisch zwingend für den Akt des Wählens gelten, mit dem die tumben Gesellen den Herrn Abgeordneten oder die Frau Abgeordnete ins Amt bugsierten? Oder ist der Bruch der logischen Konsistenz an dieser einzigen Stelle zum Wohle der gewählten Personen gerechtfertigt, weil die zukünftigen Entscheidungsträger ja sonst ihrer legitimen Machtstellung und den damit verbundenen Diäten entbehren verlustig gingen? Unsere Nachtigall von Wittenberg hielt jedenfalls noch recht viel davon, dem Volke aufs Maul zu schauen. Er wusste, dass es ein sinnloses Unterfangen ist, sophistizierte Diskussionen im Elfenbeinturm zu führen. Denn ohne Volkes Wille
und Zustimmung ist man an den Schalthebeln der Macht nichts anderes
als nur ein Despot, Diktator oder Autokrat! Doch vor diesem Theorem
behüte uns der liebe Herre Grüne Gott! Das alles hätte die Grüne und scheinrote Regierungskamarilla durchaus wissen können, wenn deren Mitglieder ihre Hausaufgaben im Fache Geschichte gemacht hätten. Weniger Ideologie und dafür mehr Studium der Ökonomie, der Geschichte und der Mathematik wären der Erhaltung der Macht über die nächste Legislaturperiode hinaus durchaus förderlich gewesen. Doch es ist, wie uns Clio lehrt: Die Weltverbesserer aller Epochen waren allesamt im selben Maße von sich überzeugt und davon, den Stein der Weisen gefunden zu haben, bis sie sich mit ihren über den Wolken schwebenden Nasen zuverlässig und regelmäßig am Ende im gleichen Misthaufen wiederfanden, dort hineingestoßen von ihrer eigenen Arroganz der Ignoranz. Tucholsky fasste das in seine berühmten Zeilen: … und immer ist schon einer dagewesen, und immer sind da schon Spuren im Schnee … Ja, aber wozu sich mit den Namen Savonarola und Robespierre herumplagen, wozu das Scheitern der Gracchen studieren, wozu von Conan Doyle, Paracelsus,Tucholsky, Heine oder Wilde lernen, wenn man Hofeiter, Baerbock, Habeck, Lang, Faeser, Pistorius, Lauterbach, Merz … heißt? Man ist sich doch schließlich selbst genug. Man hat doch die Weisheit mit Löffeln gefressen …! Dummes Volk – zu blöde zu begreifen, dass das Erreichen einer staatstragenden Machtstellung bereits ausweislich für die Güte und Qualität der exponierten Person steht! Faseln die Kerls und Gören da was von „Negativ-Auslese“, Unbeschulbarkeit und Bildungsferne! Da lachen ja die grünen Hühner. Aber zum Nachtisch für solche faulen Früchte des Strebens nach der Macht, die das Sprichwort „Hochmut kommt vor dem Fall“ für sich nicht gelten lassen wollen, gibt es – wie wir dank Savonarolas flammend leuchtendem Beispiel wissen – „merde en feu“. … zum Nachtisch für gewöhnlich als Henkersmahlzeit. |
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B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003 14.10.2024 |