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75 Jahre DDR

Zwei Fragen lassen sich bezüglich der DDR mit einem klaren NEIN beantworten: Die Frage, ob wir sie zurückhaben wollen und die Frage, ob wir unsere Geschichte in ihr gegen irgendetwas anderes eintauschen würden.

Michael L. Hübner. Havelsee.Vor 75 Jahren ließ die Sowjetunion auf dem von ihr besetzten Teil Mitteldeutschlands den Staat „Deutsche Demokratische Republik“ gründen. Das war die glasklare Antwort auf die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Nicht etwa spontan oder unüberlegt, oder gar übers Knie gebrochen. Bewahre!

Die treuen Vasallen um Väterchen Stalin, welche dieser mit der Gruppe Ulbricht nach Kriegsende mit dem Auftrag nach Deutschland geschickt hatte, dort die Installation eines kommunistischen Gesellschaftssystems nach sowjetischem Muster vorzubereiten, hatten ganze Arbeit geleistet.

Mit den Kalaschnikows und den Panzern der Roten Armee im Rücken machten sich die Genossen daran, den stalinschen Vorstellungen von einem Arbeiter- und Bauernparadies Geltung zu verschaffen.

Wer das Maul darwider aufriss, wurde alsbald zu einem aus seiner Erdhöhle gekrochenen, das Kriegsende widerrechtlich überlebt habender Nazi oder Werwolf abgestempelt, den sich das NKWD vorknöpfte, um ihn bestenfalls nach ein paar Foltersitzungen zu liquidieren.

Ein paar Jährchen später waren es dann die Agenten des zum Untergang verurteilten, verfaulenden Kapitalismus, welche unters Fallbeil zu schicken man dann schon der bösen Hilde Benjamin überantwortete. Diese lebendige Antwort der Kommunisten auf Roland Freisler kam nie über den Verlust ihres geliebten Mannes hinweg und tobte sich an allen aus, welche sie auch nur ansatzweise mit dessen Tod in Verbindung bringen konnte – das mochte so hanebüchen konstruiert sein, wie es wollte: Ihr Mann wurde von den Faschisten ermordet; wer sich gegen die DDR stellte, war ein überwiesener Faschist und damit mittelbar ein Mörder ihres Mannes. So muss das unter ihrer zopfumkränzten Schädeldecke ausgesehen haben.

Nun ja, seien wir gerecht: Angriffe gegen die DDR, Boykott und Sabotageakte gab es genug und reichlich. Dass die Kommunisten gegen die KgU mit aller Wucht zurückschlugen, war keine blanke Paranoia. Das kam erst später.

Doch wie wild sich die DDR-Funktionäre auch gebärdeten – sie brauchten keine Zweifel an sich heranzulassen. Immerhin waren die Sieger des Krieges ja erwiesenermaßen auch die Sieger der Geschichte und konnten damit die Zukunft getrost für sich beanspruchen. Die deutschen Troßknechte der Kriegs- und Geschichtssieger nahmen dieses Privileg quasi als ererbt gleich mit in Anspruch und warum auch nicht: Wer die Macht hat, der hat Recht. ... natürlich nur, solange er sie hat ...!

Viele echte Nazis kamen im neuen Parteiapparat bedenkenlos unter, denn die Kommunisten hatten, wie Jutta Maron sich einst ausdrückte, „ … die Methoden ihrer einstigen Peiniger übernommen und sublimiert“. So wandelten sie denn des fetten Morphinisten und Reichsluftmarschall Meyers berüchtigtes Zitat „wer Jude ist, bestimmen wir“ süffisant in ein „wer Nazi ist, bestimmen wir“ um und verpassten den nützlichen Altnazis, die opportunistisch genug waren, sich in die neuen Strukturen dienstbar einzufügen, eine Persilweste. ...Womit in der Regel für beide Seiten keine sonderlichen Probleme verbunden waren: Dazu waren sich die Organisationsformen nur allzu ähnlich. Nur das Vokabular der Propaganda-Losungen musste geringfügig angepasst werden.

Für manche ging das in die Hosen - nämlich für diejenigen, welche in Auschwitz an der Rampe selektierten - wie der Lumpen-Doktor SS-Hauptsturmführer Horst Fischer - oder im Warschauer Ghetto kleinen Jungens die Maschinenpistole an den Kopf hielten, weil sie blöderweise dem Stamme Davids angehörig waren. Wenn man dann noch bei diesen monströsen Verbrechen ein ikonisches Foto von sich schießen ließ, was für die DDR-Propaganda in ihrem steten Kampf mit den "Bonner Faschisten" so etwas wie der Eichel-Unter im Blatt war, dann wurde man natürlich öffentlichkeitswirksam abgeurteilt und liquidiert. Wenngleich der Preußische Landbote ein Gegner der Todesstrafe ist, dem Schweinehund SS-Rottenführer Josef Blösche weinen wir keine Träne nach. Das kreiden wir den Kommunisten nicht an, dass sie den aus der Welt geschafft haben. Verachtenswert ist nur, dass diese Maßnahme korrumpiert wurde durch das verlogene Theaterbrimborium, mit dem sich die DDR eine saubere Weste überziehen wollte.

Doch zurück in die Gründerjahre: Wie immer strömten große Teile der begeisterungsfähigen Jugend mit. Galt es doch nun schon zum zweiten Male, aus einem deutschen Trümmerhaufen eine lichte Zukunft zu gestalten. Und wohin der Schäfer mit dem neuen Mäntelchen sein Stöckchen weist, dahin rennt die Schafherde immer gerne mit frohem Jauchzen und Blöken. Führet er sie doch alleweil auf frische Weiden, … oder nach Stalingrad, in den Kursker Bogen oder eben in ein unbezahlbares Proletarier-Paradies voller Plattenbauten, Mangelwirtschaft, Bigotterie, Heuchelei und Minenfeldern an der Staatsgrenze zum Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet.

Dem eigenen Zynismus wollen wir jedoch Grenzen setzen: Es gab viele Leute, die an das Projekt eines besseren, von Ausbeutung des Menschen durch den Menschen freien Systems dachten und sich mit aller Kraft eben dafür einsetzten. Diese Leute waren zugegebenermaßen hoffnungslos naiv. Sie hatten nichts aus dem Scheitern großer Gesellschaftsreformansätze wie dem Christentum, der französischen Revolution und auch leider der Oktoberrevolution gelernt, deren Versagen in den Terrorjahren unter Bernardo Gui, Robbespierre, Marat, Väterchen Stalin, Jagoda, Jeschow und Consorten kulminierte.

Bei den Kadern, die aus den Schützengräben des spanischen Bürgerkriegs und dann aus Moskau mit heiler Haut zurückkehrten, war diese Naivität jedoch besonders verwerflich. Sie hatten noch immer die Schweißperlen der Angst auf der Stirn, aus den Nächten des Hotel Lux, wenn wieder einmal die Schritte der Tschekisten über die nächtlichen Flure hallten und man betete, das Klopfen möge nicht an ihrer Tür erfolgen. Nicht heute, oh HErr! Die Spanienkämpfer die genau wussten, dass die meisten Interbrigadisten nicht von den Franco-Faschisten und der Legion Condor erledigt wurden, sondern vom sowjetischen Geheimdienst im Rücken der eigenen Front. Trotzdem der gerechten Sache zu vertrauen, hatte schon etwas von der Gläubigkeit der frühen christlichen Märtyrer.

Doch um all das soll es an dieser Stelle nicht vordergründig gehen. Was den Preußischen Landboten anwidert, ist die Art und Weise, wie von westdeutscher Seite medial auf diesen 75. Geburtstag der einst größten DDR der ganzen Welt eingegangen wird. Der antike Sagendichter Aesop äußerte sich voller Verachtung über den Esel, der mutig nach dem toten Löwen tritt.

Nicht, dass Sie uns missverstehen: Wir würden die DDR nicht unbedingt mit einem Löwen gleichsetzen wollen. Das war sie nun weiß Gott nicht. Dennoch zeugt dieses „Erinnern“ in seiner Gesamtheit von einer epochalen Unanständigkeit.

De mortuis nihil nisi bene! Natürlich ist es erforderlich, alle Dynamiken aufzuzeigen und zum Allgemeinwissen zu erheben, die in der menschlichen Natur verankert sind und ihrem Wesen nach immer in Richtung Diktatur tendieren. Eine solche fundierte Aufarbeitung ist für die Immunisierung von Demokratien unerlässlich, ja nachgerade zwingend.

Pausenlos aber selbsternannten „Opfern der DDR“ ein Podium nach dem anderen für deren Larmoyanz zu geben, erfüllt uns mit Ekel. Haben die früher das Maul auch so weit aufgerissen und sich über den „antifaschistischen Schutzwall“ mokiert, und das große Freiluftgefängnis „DDR“, in das man sie vierzig Jahre zu Unrecht eingeknastet hatte?

Natürlich ist das alles richtig. Uns ging das ja nicht anders. Dieses undifferenzierte Geplärre und Gegreine jedoch ist nervtötend.

Die DDR hatte ihre Zeit und sie hatte in ihrer Zeit ihre Berechtigung. Sie hat viele Menschen und deren Vorstellungen vom Leben auch abseits hohler Phrasen und Parolen geprägt.

Was sollen diese von westdeutschen Medienmogulen lancierten Jammer-Ossis beim Volke erreichen? Das wir alle wohlig aufstöhnen: „Gott sei Dank, der Spuk ist aus! Gelobt seien alle Besser-Wessis, die uns die Freiheit brachten, endlich auch mal soziale Unsicherheit kennenlernen zu dürfen! Oder die Freiheit, nach London und Paris fahren zu können, es aber dann doch nicht zu können, weil kein Geld da ist … Trotzdem, lasst uns auch noch mal nach 35 Jahren missglückter Einheit die Stiefel unserer einstigen Möchtegern-Befreier küssen und ihnen ein freudiges Hosiannah jauchzen!“?

Diese selbstgefällige Arroganz eines vermeintlichen Siegers der Geschichte stinkt zum Himmel. Und sie verseucht das demokratische Grundempfinden vieler ehemaliger DDR-Bürger ohne Not. Denn hier wird nicht nur ein Unrechtsstaat abgekanzelt, sondern gleich noch die Identität von 17 Millionen Menschen in einem Aufwasch.

Warum viele Leute im Osten AfD wählen? Nein, daran sind nicht nur die Grünen schuld, sondern auch und gerade jene, denen es aus ideologischen Gründen unendlich schwer fällt, der DDR in ihrer Gesamtheit eine ausgewogene, differenzierte und den historischen Kontext immer im Auge behaltende, geschichtswissenschaftlich fundierte Aufarbeitung zuzugestehen.

Wir wollen die DDR auch nicht zurückhaben. Da sei der Liebe Gott davor! Aber sie auf einen Unrechtsstaat zu reduzieren und dann auf die Schmuddelseiten der modernen Geschichtsschreibung zu verbannen – das ist inakzeptabel Das ist abstoßend. So verprellt man frühere Sympathisanten und treibt sie konsequent ins Feindeslager.

Man könnte es wissen, wenn im Oberstübchen wenigstens noch einige Neurone Lebenszeichen von sich geben sollten – denn, wenn man sich genauer mit der DDR befasst, dann stößt man früher oder später unweigerlich auf den Umstand, dass die dasselbe in Rot gemacht hat.

Wie das ausging, das wissen wir ja. Eine unaufgeregte, von Nostalgie aber auch von pauschaler Verdammung freie Beschäftigung mit dem ersten Arbeiter-, Bauern- und Bonzenstaat auf deutschem Boden wäre das Zeichen einer gefestigten rechtsstaatlich ausgerichteten Demokratie.

Was wir aber statt dessen erleben, ist das würdelose Gekeife eines absaufenden Staatsunwesens, welches seinen eigenen schleichenden Untergang vor dem Schreckbild der bereits begrabenen bösen DDR weichzuzeichnen versucht. Ein erbärmliches Possenspiel fürs doofe Volk – sonst gar nichts.

29. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003
08.10.2024