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Europa und Georgien

Zur Wahl in Tiflis

Don M. Barbagrigia. Brandenburg. Zu Georgien, Sakartwelo, wie die Georgier sagen oder Grusinien, wie die Russen es nennen, hat der Preußische Landbote nach Russland die engsten emotionalen Bindungen, die zu einer postsowjetischen Republik bestehen.

Georgien ist das Reich der Heiligen Königin Tamar, der Enkelin Davits des Erbauers aus dem Geschlecht der Bagrationen, welche die Schutzheilige des Preußischen Landboten ist. Das wunderschöne Land des Goldenen Vlieses wählte am 26. Oktober 2024 das 10. Georgische Parlament und stimmt geleichzeitig darüber ab, ob Georgien nun die Mitgliedschaft in der Europäischen Union anstreben sollte, oder eben nicht.

Das ist nun alles nicht ganz einfach. Auch uns reißt dieses Thema schier in der Mitte durch. Als bedingungslose Europäer und Herzensfreunde Georgiens würden wir natürlich dieses neue Mitglied der EU freudigst begrüßen. Pass- und visafrei nach Tiflis, Gori und Batumi – na das wär’s doch!

Leider ist das nicht so leicht. Sicher, die geografische Trennung von Europa wäre nicht das Hauptproblem. Das ist wurscht. Mit den französischen Übersee-Departements klappt’s ja auch.

An anderer Stelle drückt der Schuh. Die Kaukasusrepublik ist traditionell Moskau eng verbandelt. Und da brennt der Busch! So russenfeindlich, wie Europa gerade aus dem Hintern der Yankees heraus gegen den Bären keift und hetzt, kann der Bär kaum erfreut darüber sein, dass sich die Kaukasus-Republik zu den Feinden gesellt.

Wie überall ist es natürlich nicht mehr die hehre Fackel von Freiheit und Demokratie, welche gerade in Deutschland gegenwärtig mehr und mehr zu einer tranig flackernden Funzel verkommt, welche die Völker nach Brüssel lockt. Es ist der schnöde Mammon – sonst gar nichts.

Auch Georgien schwimmen nicht im Geld. Wir waren dort des Öfteren und glauben das so einschätzen zu können. Sich also in der Reihe der Nettoempfänger anstellen und die Subsidien aus den Brüsseler Fördertöpfen ergattern zu können, ist also die ersehnte Perspektive der Proeuropäer vom Elbrus.

Zu Recht wird der Kremlbär aber an dieser Stelle nervös. Georgien bedeutet in geostrategischer Hinsicht:

  • Rohstoffressourcen des Kaukasus
  • Ostflanke des Traditionsgegners von der Hohen Pforte
  • Südgrenze des russischen Imperiums – also ein gewaltiges, beinahe ungeschütztes Einfallstor von Süden direkt in das Herz des russischen Reiches.

Das ist auch der georgischen Regierung klar. Sie wissen nur allzu gut, was passiert, wenn man den Bären verrückt macht. Armenien gegen Aserbaidschan, Tschetschenien, jetzt die Ukraine … Dazu käme, dass ein solch gigantischer Störfaktor inmitten der ganzen unruhigen, ewig rumorenden Kaukasus-Region, der sich schlagartig mit einem abtrünnigen Georgien etablieren würde, das Fass der Geduld endgültig zum Überlaufen brächte.

Zum Leidwesen der Yankee-Vasallen in Brüssel scheint sich nun abzuzeichnen, dass die Wahlen in Georgien wohl doch im überwiegenden Maße fair und die Ergebnisse reell waren. Das Gejaule von der – unbestreitbaren – russischen Einflussnahme war ja entsprechend groß gewesen.

Was mögen die Gründe dafür sein? Nun, zunächst einmal sind die Georgier nicht doof. Mag ja sein, dass es von hier so aussieht, als läge Kolchis hinter den sieben Bergen. Trotzdem hat man auch in Georgien registriert, dass die Briten die EU mit großem Brimborium verlassen haben. Und natürlich kamen auch am Terek die Fragen nach dem Warum auf. Das europäische Syndrom der allgegenwärtigen Überregulierung, Gleichmacherei, Standardisierung … die endlosen Vorschriften, Sanktionen, Drohungen, Strafmaßnahmen – wie gegen den widerborstigen Herrn Orban, das alles kann die Vorteile von ein paar Euro schnell wieder in Frage stellen.

Im Übrigen weiß man auch in Tiflis, dass niemand auch nur einen Cent verschenkt. Für die Euros müssen sich die Georgier dann schon eine europäische Kette um den Hals legen lassen. Ketten um den Hals? Das ist denen schon seit der Zarenzeit bekannt. Das wollen die denn doch nicht.

Schön, wenn es die Freizügigkeit auch georgischen Arbeitnehmern gestattet, im europäischen Ausland Arbeit anzunehmen. Und wer bleibt dann im Lande? Die Kinder, die Alten, die Kranken? Wird Brüssel diesen Exodus kompensieren? Eher nicht, oder?

Es gibt eine Menge Für und Wider. Unser Herz schreit „FÜR!“ Aber unser Verstand maunzt leise „Wider“. Ein Beweis mehr dafür, dass wir den Georgiern sehr nahe sind. Die funktionieren nämlich erkennbar genauso.

29. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003
01.11.2024