Klebstoff und Traktoren
Embolie auf deutschen Straßen
Don M. Barbagrigia. Werder (Havel). Tja,
was ist denn nun der Unterschied zwischen einem quer über die Kreuzung
geparkten Traktor und einer Anzahl Klimakleber, welche ein paar Tage
zuvor dieselbe Kreuzung blockierten?
Auf den ersten Blick scheint dieser Unterschied nur in der Wahl der
Mittel zu bestehen. Die Klimakleber setzen ihre eigenen Körper ein –
die Bauern ihre Traktoren.
Möglicherweise ließe sich auch noch vorbringen, dass die Klimakleber
ihre Lobby in der gegenwärtigen Regierungspartei „Die Grünen“ wähnen,
während sich die Bauern von Gott, der Welt und Cem Özdemir verraten
und verlassen fühlen.
Aber dann beginnt auch schon die lange Reihe der Gemeinsamkeiten. Beide
Fraktionen wähnen sich existentiell bedroht: die einen durch den steigenden
Meeresspiegel und die Dürre und stärker wehenden Winde und weiß der
Teufel, was noch alles – und die anderen sehen ihre finanzielle Auskömmlichkeit
in akuter Gefahr.
Dafür legen sie beide nach Kräften den Verkehr auf deutschen Straßen
lahm, um sowohl die deutsche Bevölkerung für ihre jeweiligen Anliegen
zu sensibilisieren, als auch Druck auf den Berliner Elferrat aufzubauen.
Beide Protestgruppen setzen sich über gesetzliche Bestimmungen und Vorgaben
zu Lasten ihrer Mitmenschen hinweg – einfach, weil sie’s können. Und
beide kassieren die entsprechenden Sanktionen in mehr oder weniger gebotenem
Maße … der Schwerpunkt liegt bei dem zahnlosen „Rechtsstaat“ Bundesrepublik
Deutschland allerdings eher auf dem Komparativ „weniger“.
Das Grundanliegen ist in beiden Fällen unbestreitbar und nachvollziehbar.
Eine aber seit langem völlig schmerzbefreit agierende Berliner Regierungstruppe,
die bei einem Minimum von Anstand und Ehrgefühl schon vierzehn Tage
nach Regierungsantritt zurückgetreten wäre, lässt sich von derlei Aktionen
nicht im Mindesten beeindrucken. Die einzigen, die es mit Wucht trifft,
sind die armen Teufel, die in der Mehrheit ebenfalls unter dieser Regierung
leiden und nun noch zusätzlich durch den Protest der anderen mitbelastet
werden.
Ja, die Sympathien des Preußischen Landboten sind bei den Genossen Bauern.
Wir wissen, dass vielen von denen das Wasser bis zum Halse steht. Die
europäische Landwirtschaftspolitik hat den deutschen Höfen auf breiter
Fläche den Garaus gemacht. Der Rest frisst den Kitt aus den Fenstern
und nur wenige Landwirte können sich noch so satt und zufrieden über
den Wanst streichen, wie einst Theodor Storms Wiesenbauer aus der „Regentrude“.
Was sollen sie denn tun, um sich Gehör zu verschaffen? Sollen sie wie
1525 mit Sicheln, Sensen und Mistforken und einem Bundschuh an einer
langen Stange vors Kanzleramt ziehen? Das ging schon 1525 nicht gut
aus und heute wären die Chancen, die Dinge in ihrem Sinne zu beeinflussen,
noch miserabler. Sie haben nur ihre Traktoren. … und ihren Zorn.
Das übrigens lässt tief blicken. Abseits aller Trittbrettfahrerei kristallisiert
sich hier ein Protest, dessen Anliegen die Dieselsubventionen bereits
weit hinter sich gelassen hat. Mittlerweile heißt der auf einer breiten
Masse konsensuelle Tenor: Regierung, tritt zurück! Selbst die Spitzen
der Bauernverbände werden in ihrer Wortwahl deutlicher und konstatieren,
was auf deutschen Straßen bereits die Spatzen von den Dächern pfeifen.
Dass nämlich eine inkompetente Chaotenmannschaft in Berlin, beraten
von Schulabbrechern und Arbeitsverweigerern, die Wirtschaftsmacht Deutschland
mit Wahnsinn und Verve in die Steinzeit zurück regiert. Milliarden werden
für völlig sinnlose „ökologische“ Projekte in alle Welt hinaus geblasen
– man denke an die berüchtigten Fahrradwege in Peru – aber den Bauern
den Diesel subventionieren, damit die im europäischen Wettbewerb überhaupt
noch eine Chance haben – dafür ist kein Geld mehr da? Wir können nicht
mehr anders, als die amtierende deutsche Regierung für komplett geisteskrank
zu halten.
Den Protestierern schreiben wir jedoch das Maßhalten ins Stammbuch.
Die Bauern können viel lernen aus dem Desaster, das bereits über die
Klimakleber hinweggegangen ist wie ein gewappneter Mann. Die wichtigste
Lobby der Bauern ist das Volk – das sollte man nicht überstrapazieren.
Bislang verhielten sie sich ja auch fair – ließen größtenteils Krankenwagen
oder Hilfsbedürftige, Pflegepersonal und dergleichen mehr passieren.
Einige öffneten sogar von Zeit zu Zeit auch mal die Schleusen und ließen
ganze Kolonnen durchrutschen. Unverantwortlich wäre es gewesen, die
Leute in ihren Autos erfrieren zu lassen oder Hektoliter an Sprit in
die blaue Luft zu verbrennen, nur um die Autos für Stunden im Stand
zu beheizen. Der Wärmedurchgangskoeffizient Watt pro Quadratmeter und
Kelvin von Autos dürfte im astronomischen Bereich liegen.
Warum findet man übrigens derzeit nicht mehr so viele Klimakleber auf
deutschen Straßen … jetzt in den saukalten Wintermonaten? Verpimpelte
Kämpferlein für die Zukunft eines lebenswerten Planeten? Kommen sie
erst im Frühsommer aus ihren Löchern gekrochen um ihren Unfug weiterzutreiben?
Die Bauern halten’s doch auch aus in Frost und bibbernder Kälte! Na
ja, Bauern sind eben aus Kernholz und keine dummschwätzenden Weichwurst-Schwadronneure!
Wer spricht noch von den Klimaklebern? Und wenn – wer spricht anders
von ihnen als von einem Haufen anarchistischer, durchgeknallter Aktivisten,
von einer ideologisch verführten Bande verwöhnter Rotzgören? Das anfängliche
Verständnis wich einer geballten Front von Wut und Hass, getragen von
der Einsicht, dass Deutschland, selbst wenn es sich die Forderungen
der Kleber zu eigen machte, allein auf der Welt stünde und den Klimawandel
nicht mal zu einem Promille aufhielte.
Bei den Bauern wird das schon konkreter, greifbarer. Auch bei den Eisenbahnern,
die nun zeitgleich für bessere Arbeits- und Gehaltsbedingungen in den
Ausstand traten und damit der deutschen Verkehrsinfrastruktur einen
weiteren empfindlichen Schlag versetzten. Die Töchter und Söhne des
Geflügelten Rades, die Gefolgschaft Herrn Weselskys, haben den Zeitpunkt
in der Tat gut gewählt: … „alle Räder stehen still, wenn dein starker
Arm das will!“ Und Clausis starker Arm will es.
Die Verkehrswege eines Staates sind vergleichbar mit dem Blutkreislauf
eines Menschen. Sind diese nicht leistungsfähig, so wie das seit Jahrzehnten
auf Verschleiß gefahrene Netz der deutschen Verkehrsinfrastruktur, wie
die Ludwigshafener Rheinbrücke, der Wuster Bahnübergang oder das Jahrhundertprojekt
BAB A 14, dann bedarf es nur noch einiger weniger Blockaden bzw. eines
Stillstands – und der Personen- und Warenverkehr kollabiert. Ihm nachfolgend
bricht die Nationalökonomie zusammen, die von einem Personen- und Warenaustausch
vital abhängig ist. Der Thrombus wird zum Embolus und der Ruin des Gesamtsystems
grüßt schon von der Ferne.
Doch wie gesagt, den Berliner Elferrat bringen solche Aktionen weitaus
weniger zur Raison, als die 1989er Proteste der Montagsdemonstrationen
den Altherrenclub von Wandlitz. Dazu müsste man in der Lage sein, über
den Horizont des eigenen ideologischen Tellerrandes hinauszublicken
und eins und eins zusammenzuzählen. Als den SED-Greisen dämmerte, dass
es nun ihnen und ihren Privilegien an den Kragen geht, da begannen sie
wenigstens noch schnell das Große Kegeln in ihrer eigenen Reihe – und
den König schubsten sie als erstes um. Als der einst allmächtige Honecker
vor seinem seit 1961 eingesperrten Staatsvolk quer durchs Land flüchtete
und am Ende die größte Demütigung – das Unterkriechen beim einst verachteten
und geprügelten Feind in Lobetal – akzeptieren musste, da bewies die
DDR noch einmal eine Größe, die sie in den vierzig Jahren zuvor nie
hatte. Man stelle sich eine solche Verfahrensweise mit den Damen und
Herren Scholz, Baerbock, Habeck, Lang, Lauterbach, Faeser, Hofreiter
… vor.
Allein die Vorstellung wärmt das Herz – jedoch ist es undenkbar, dass
sich dieses Land auf diese Weise seine Würde zurückholt. An dieser Stelle
hat bereits die erste Republik versagt, als sie dem Kriegskaiser Willi
noch einen Güterzug voller wertvollem Kram ins Exil hinterherschickte.
Hier wird niemand aus dem Amt gejagt, wenn er immensen Schaden angerichtet
hat. Ein Hinwegstreicheln in einen von Hunderttausenden Euro gepolsterten
Ruhestand wäre wohl die extremste vorstellbare Maßnahme.
Rücktritt bei offenkundigem Versagen? Man höre sich nur Robert Habecks
Kommentare zu diesem Geschehen an und man meint, der Vizekanzler und
Wirtschaftsminister wäre im Eiltempo vergreist um sich zumindest in
seiner von jedem Bezug zur Wirklichkeit entkoppelten Weltsicht dem einstigen
DDR-Politbüro zu assimilieren. „Die anderen sind die Feinde der Demokratie!“
… sagt ausgerechnet er … und der glaubt sich diesen kruden Blödsinn
tatsächlich! Ein wahrer Sohn Kutte Hagers und Konsorten! Man könnte
sich vor Lachen auf dem Boden wälzen, wenn’s nicht so traurig und gefährlich
wäre.
Also, Genossen Traktoristen! Wie nun weiter? Wir sagen Euch was: Vereinzelte
Jacquerien bringen Euch am Ende gar nichts! Mit der Zeit ziehen sie,
wie oben bereits angedeutet, auch den Unmut, den Verdruss und die Wut
derer auf euch, die unfreiwillig in eure Händel mit hineingezogen werden.
Was gegen diese Regierung hülfe, wäre eine konzertierte Aktion aller
Deutschen, denen wenigstens noch ein Minimum an Verstand zur Verfügung
steht: Das Zauberwort heißt: Generalstreik! Bis diese Regierung zurücktritt.
Vielleicht ist es aber besser, noch ein wenig Geduld zu üben, bis sich
das neue Bündnis der Frau Wagenknecht konsolidiert hat. Zum jetzigen
Zeitpunkt Neuwahlen auszuschreiben, bedeutet möglicherweise, vom Regen
in die Traufe zu kommen. Das gilt auch für die Eisenbahner: Jetzt mehr
Lohn einzufordern, macht nur die Billetts teurer und heizt die Inflationsspirale
an. Das bedeutet, Pflästerchen zu kleben, aber nichts an der grundlegenden
Kausalität zu ändern. Dazu bedarf eines Korrektivs auf gesamtstaatlicher
Ebene und dieses Korrektiv bedarf einer kapablen politischen Kraft.
Die ist gerade im Werden und Entstehen.
Daher schließen wir diesen Aufsatz mit dem Rat, den uns einst die Indianer
Nordamerikas gaben: „Setz dich ans Ufer des Flusses und verharre geduldig
und du wirst sehen: Früher oder später wird dein Feind an dir vorüber
treiben.“ Und wir erinnern an die Zeile aus den „Moorsoldaten“: „Ewig
kann’s nicht Winter sein!“ Auch nicht auf deutschen Äckern, Straßen,
Schienen!
Wenn es den Ökoaktivisten nicht gelang, sich dauerhaft auf dem Asphalt
festzukleben, glaubt dann der Berliner Elferrat allen Ernstes, es gäbe
einen Klebstoff, der ihm sein ewiges Verharren auf der Regierungsbank
des Reichstages garantiere? Sooo verblödet können die doch gar nicht
sein! Denn das wäre unbestreitbar der absolute Tiefpunkt realitätsfernen
Irrsinns.