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Bananen, Republiken und Pässe
Don M. Barbagrigia. Havelsee. Erinnern Sie sich an die Menschenschlangen vor dem Konsum oder der HO, wenn es Bananen gab oder seltene Schallplatten oder sonst irgendeine Bückware? So etwas passiert, wenn etwas Seltenes, Begehrtes auf den Markt kommt, etwas, was viele haben wollen, aber nur wenige bekommen können. Deutsche Staatsangehörigkeitsbehörden sind hoffnungslos überlastet. Ausländer stehen Schlange, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen. Der Ansturm auf den deutschen Pass ist gewaltig, die Untätigkeitsklagen nehmen zu, weil die Ämter überlastet sind oder keine Lust haben oder politisch motiviert auf die Bremse treten oder was es noch für Gründe gegen mag. Warum wollen die Ausländer nur alle diesen Pass? Sicher, dieser Pass zählte einmal zu den wertvollsten der Welt. Aber das ist lange her. Das war in den Siebzigern und vielleicht noch in den frühen Achtzigern des letzten Jahrhunderten. Doch das ist vorbei. Aus und vorbei! Es ist wie im April 1912 an den Southampton-Docks, als sich die Passagiere rühmten, ein Billett auf der Titanic ergattert zu haben, bevor sie den todbringenden Dampfer bestiegen. Der Eisberg war da schon unterwegs. Das aber konnte damals niemand ahnen. Der Seelenverkäufer, der nagelneu von der Werft aus Belfast herüber geschippert kam, galt ja immerhin als unsinkbar. Menschliche Hybris in Reinkultur. Was aber Deutschland betrifft, man müsste vollkommen unterbelichtet sein, missdeutete man die gegenwärtige Entwicklung Deutschlands. Es geht abwärts im freien Fall. Was um Himmels Willen reitet also die Ausländer, sich um diese Staatsangehörigkeit zu reißen? Sind die blind? Leben die in der Vergangenheit? Haben diese Aspiranten noch immer nicht begriffen, wo sie hier sind? Die Sozialtransfersysteme knirschen in allen Fugen. Das geht nicht mehr lange gut. Überall brechen die Finanzierungen weg. Kürze den Leuten die Einkünfte, dann bricht die Hölle los. Was allein übrigbleibt, ist, die Notenpresse anzuwerfen. Die zu erwartende Hyperinflation lässt grüßen. Dieses Land hat sich selbst in die Dritte Welt geschossen. Und wir wissen alle, wie es in der Dritten Welt zugeht. Instabilität und Erosion der gesellschaftlichen Ordnung, Willkürjustiz, Korruption, Autokratie, … die Clanterritorien werden dann auch für die Allgemeinheit sicht- und vor allem fühlbar. Aus solchen Verhältnissen sind die meisten der Staatsangehörigkeits-Aspiranten nach Deutschland gekommen. Sie tauschen perspektivisch also ihre alte Staatsangehörigkeit gegen ihre – boshaft gesprochen – nach wie vor alte in einem neuen Pass. Ganz Großes Kino! In der Zwischenzeit, während sie auf die Bearbeitung ihrer Staatsangehörigkeitsanträge warten, könnten sie demzufolge schon wieder ihre Koffer packen. Denn ehe sie sich’s versehen, haben sie hier exakt die Verhältnisse etabliert, vor denen sie einst geflohen sind. Und wohin soll’s dann wohl gehen? Welches Erdenland könnte wohl noch einmal so verrückt sein, seine Tore einer unkontrollierten Zuwanderung zu öffnen? Die Amerikaner waren’s einmal. Aber die haben ganz fix die Grenzen dicht gemacht, als es ihnen zu bunt wurde. Nun besehe man sich die Grenze am Rio Grande! Mr Trump will ja die Mauer noch ein bisschen höher ziehen. Warum nur? Die soziale Hängematte ist ja, verglichen mit der deutschen, doch sehr, sehr weitmaschig. Einer der wertlosesten Pässe ist der afghanische. Es wird nicht lange dauern und dann macht der deutsche Pass dem Reisedokument der Paschtunen ernsthafte Konkurrenz. Nun ist es eine alte dialektische Wahrheit, dass jede Sache zwei Seiten hat. Nach der guten Seite des Wertverlustes des deutschen Passes brauchen wir nicht lange zu suchen: Die Bearbeitungszeiten beim Wunsch nach Naturalisation werden sich signifikant verkürzen und die Untätigkeitsklagen werden abnehmen. Das ist doch mal eine gute Nachricht. |
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B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003 23.10.2024 |