Die Alten und die Fahrerlaubnis
S. M. Druckepennig. Havelsee. Wer
einem eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. So lautet ein schönes deutsches
Sprichwort und es bewahrheitet sich immer wieder, auch wenn die Grube
manchmal zwei, drei Jahrzehnte warten muss.
Gegenwärtig ist es noch so, dass eine einmal erworbene Fahrerlaubnis
lebenslang gültig bleibt, insofern sie nicht auf Grund von kriminellem
Verhalten im Straßenverkehr oder progredienten gesundheitlichen Beeinträchtigungen
entzogen wird. Das soll sich nun ändern.
Als Risikogruppe wurden die Alten ausgemacht, deren gemutmaßte Senilität
von der Stange zu einem angeblich nicht mehr akzeptablen Verkehrsrisiko
anwächst.
Es geht die Rede, dass man die Alten alle paar Jahre zu einer neuen
Führerschein-Prüfung schicken will.
Das halten wir für Blödsinn. Es wird so laufen, wie bei den P-Schein-Verlängerungen
oder wie es bei der LKW-Fahrerlaubnisklasse schon lange üblich ist –
eine Gesundheitsüberprüfung mit Hör-, Seh- und Reaktionstest.
Das an sich ist jedoch schon schlimm genug. Das ist eine offene Diskriminierung,
die von keiner Statistik gedeckt wird. Prozentual gesehen sind die Alten
weit unterdurchschnittlich an gravierenden Verkehrsunfällen beteiligt.
Sicher, manche Meldung liest sich spektakulär, wenn eine alte Frau oder
ein alter Mann wieder einmal mit dem falsch eingelegten Gang und Karacho
durch eine Parkhauswand gebrettert ist, am Steuer einen Herzinfarkt
erlitten und infolgedessen eine Kindergartengruppe umgemäht hat, oder
dem Navigationssystem mehr vertraute als den eigenen Augen, was dazu
führte, dass das Automobil noch eine Weile rheinabwärts trieb, bevor
es in den Fluten versoff.
Doch das sind reißerische Ausnahmen. Das ist nichts im Vergleich zu
den jugendlichen Kamikaze-Piloten, deren Testosteron oder Minderwertigkeitskomplexe
oder die unselige Kombination aus beidem sie ihre gepimpten Boliden
und Eierfeilen in die Hochdrehzahlbereiche und dann in den Gegenverkehr,
über die Bürgersteige oder in die Botanik jagen lassen. Um derentwillen
ganze Straßen für Motorradfahrer gesperrt werden, weil man sonst der
Idioten nicht Herre wird. Das sind die Schwachköpfe, die sich Biker
nennen und die ganz normalen Motorradfahrer in Mitleidenschaft ziehen.
Was ist mit denen? Was ist mit den Hohlkörpern, die mit ihren aufgemotzten
PS-Monstern ihr massiv gestörtes Psychogramm für jedermann sichtbar
spazieren fahren? Warum sollen die nicht alle zwei Jahre zur Untersuchung
ihres Geisteszustands, um das Risiko bewerten zu können, diese Knalltüten
am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen?
Nun werden die gesetzgebenden Spinner abwehren: Aber für die gibt’s
doch längst die MPU! Ach was, wirklich? Dennoch bekommt man das Problem
nicht unter Kontrolle.
Müssen wir uns jetzt einen Alu-Hut über die Ohren stülpen, wenn wir
mutmaßen, dass das etwas mit der Konsumkraft der jeweiligen Zielgruppe
zu tun haben könnte? Immerhin lehrte uns Deep Throat im Zuge des Watergate-Skandals:
„Folgen Sie der Spur des Geldes!“ Tatsächlich führt diese Spur nur selten
in die Irre. Die jungen Verkehrsteilnehmer sind die vielversprechendsten
Konsumenten. Die Alten mögen ja im Laufe ihres Lebens ein bisschen Geld
auf die hohe Kante gelegt haben – aber wenn dem so sein sollte, dann
reicht es auch fürs Taxi oder einen Chauffeur, nicht wahr?
Die armen Alten sind dann eben dumm dran. Als nicht mehr relevante Wähler
ohne Lobby sind sie das seit Jahrzehnten sowieso. Der aktuell gültige
Gesellschaftsvertrag sieht das Durchalimentieren der Alten auf Sparflamme
bis zu deren seligem oder unseligem Ende vor – nicht etwa die vielbeschworene
gesellschaftliche Teilhabe oder gar Mitbestimmung. Solche Faxen waren
im traditionellen Altenteil noch nie vorgesehen. Da sei der liebe Gott
davor, oder der noch liebere Mammon! Egal!
Für diese gesellschaftlichen Fehlkonstruktionen sollen jetzt also die
Alten büßen? Die, welche ohne ihr Vehikel oftmals verloren sind bei
dem räudigen und jeden Tag mehr kollabierenden ÖPV . Es ist ein erneuter
Skandal von epochalen Ausmaßen. Wann endlich brüllt der deutsche Zipfelmützen-Michel:
„Schluss jetzt! Es reicht!“
Vielleicht nehmen
die deutsche Autonindustrie undderen Zulieferer, des Weiteren die Mineralölkonzerne
und der deutsche Fiskus dem Michel die Empörung ab, wenn sie irgendwann
mal merken, dass das Geld, was die Alten sonst in den Kauf eines Neuwagens,
dessen Betankung und Besteuerung, Werkstattkosten, TÜV und andere Ausgaben
investierten, nunmehr den Taxifahrern und dem ÖPV zugute kommt.
Die staatlichen
Wegelagerer wird's weniger stören: Die Alten sind gewiss nicht diejenigen,
denen sie aufgrund StVO-nonkonformen Verhaltens am tiefsten in die Taschen
greifen können.
Die Unfreiheit, Repression, Einengung durch ausufernde Gesetzgebung,
Restriktion und Schikane nimmt täglich exponentiell zu und das lässt
sich bei weitem nicht mehr mit der ebenfalls zunehmenden gesellschaftlichen
Komplexität begründen. Das ist nichts als Machtgehabe, oder „territorial
pissing“ – wie der Engländer sagt.
Warum wir nun am Anfang dieses Aufsatzes das deutsche Sprichwort mit
der Grube zitierten, welche des Öfteren ihre eigenen Grubengräber in
ihrem dunklen Schlunde aufnimmt? Weil die Leute, die jetzt diesen Unfug
beschließen, in zwei, drei Jahrzehnten in den Genuss der Früchte ihrer
eigenen Dummheit, Borniertheit, Kurzsichtigkeit kommen. Auf das Gezeter
dann sind wir heute schon spitz. … und vor allem auf die Volten, die
sie dann schlagen werden, um den selbst geflochtenen Fangstricken in
eigener Causa zu entgehen.
Denn es ist ja ein alter Hut. Beschlüsse lassen sich am leichtesten
fassen, wenn sie zu Lasten anderer gehen. Aber diesmal holt euch eure
eigene Blödheit ein – unweigerlich! Ohne Wenn und Aber. Und dann wollen
wir mal sehen!