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Herr Döpfner und der Zauberspiegel

Michael L. Hübner. Rathenow. Ja, Strafe muss sein. Ich war dran mit dem Ausräumen des Radaktions-Geschirrspülers – hab’s verpeilt und es kam, was kommen musste. Auf meinem Schreibtisch lag ein Leserbrief mit einem Klebezettelchen versehen, worauf in der fein-ziselierten Handschrift des Alten nur geschrieben stand: „… und der Hauptgewinn geht an …!“

Ich weiß, dass die Kollegen eine Woche lang nach einem armen Schwein gesucht hatten, dem der Döpfner überzuhelfen war. Dann kam der Freitag, ich musste mich sputen, damit ich das Auto zum Wochenende hin noch aus der Werkstatt bekomme – der Geschirrspüler blieb unausgeräumt übers Wochenende stehen, Herr Bajun nahm sich seiner am Montag in der Frühe an und ich – hatte den Leserbrief auf dem Tisch:

„Lieber Landbote, ihr seid doch eine Stimme Ostdeutschlands. Warum liest man bei euch nichts zu den unsäglichen Tiraden des Döpfners?“

Kurze Antwort? Weil niemand von uns die Lust verspürt, über jedes Stöckchen zu springen, was uns von irgendeinem grenzdebilen Spinner hingehalten wird.

Aber der Alte gibt sich damit nicht zufrieden: „Nu, los! Mach voran! Sonst verlängert sich dein Geschirrspüler-Abonnement auf zwei Wochen!“

Na gut, also … ein altes deutsches Sprichwort besagt: „Niemand zeuget mehr wider den Toren, denn sei eigen Maul!“ Was ist dem hinzuzufügen? Der Preußische Landbote ist eine Gazette und kein Speditionsunternehmen, das seine Brötchen damit verdient, Eulen nach Athen zu kutschen.

Dass dieser trüben Funzel des deutschen Journalismus und Trump-Sympathisanten mal der ein oder andere Lichtblick glückt, sei dahingestellt. Seiner Wahrnehmung einer Tendenz zum Erfüllungsgehilfentums und zur zunehmenden Hofberichterstattung seitens der öffentlich-rechtlichen und zur unzulässigen Staatsnähe der „freien“ Presse wird von uns durchaus geteilt.

Seine pauschale Diffamierung des deutschen Ostens aber bedarf hinsichtlich ihres intellektuellen Niveuas keinerlei weiteren Kommentierung. Das spricht für sich.

Humboldt merkte bereits an, dass die gefährlichsten und dümmsten Weltanschauungen von Menschen vertreten werden, welche die Welt zumeist aus eigener Anschauung gar nicht kennten. Kennt Döpfner den deutschen Osten? Mitnichten.

Weiß der Tor Döpfner um den Wert des ostdeutschen Abiturs, der ostdeutschen Lese- und Bücheraffinität, der hochwertigen ostdeutschen Literatur? Kennt er den Fraenger, den Ausweis ostdeutscher Bildungsbürger-Bibliotheken? Weiß er überhaupt, was das ist: Zwischen den Zeilen lesen, zwischen den Worten sprechen und verstehen? Das ist eine Kunst, die dem Springerhause so fremd sein dürfte, wie die Flora eines fremden Planeten.

Nein, ein Döpfner ist unserer Beachtung nicht wert. Du lieber Himmel – nicht einmal ein satirischer Verriß dieser unsäglichen Personalie ist uns möglich, denn wie sagte unser Papa Tucholsky bereits: So tief kann man gar nicht schießen!

Bedauerlich ist, dass Döpfner über seine Krakeel-Organe großen Einfluss nicht nur auf das westdeutsche Prekariat hat, sondern auch auf die Millionen von westdeutschen Parvenüs. Es ist dieser Einfluss, der sich negativ auf die Nutzung des ostdeutschen Potentials zur Etablierung eines großflächigen ostelbischen Wirtschaftsstandorts für Primärproduktion, Forschung und Entwicklung auswirkt. Und da fängt die Sache an zu brennen! Denn hier entsteht dem gesamten Deutschland ein irreversibler Schaden.

Im Übrigen wäre es verkehrt, die Sinnfreiheit der medialen Existenz eines Herrn Döpfners in Bausch und Bogen in Abrede zu stellen. Der stellvertretende Direktor des anatomischen Instituts der Charité, Herr Professor Dr. Johannes Staudt, sagte einst zu einem seiner Studenten, der ein ebenso genialer wie unangepasster Quertreiber war: „Du bist für mich so eine Art menschliches Lackmuspapier: Ich schaue, wie die Leute auf dich reagieren, dann weiß ich, wen ich vor mir habe! Kriegen sie den klugen Kopf hinter deiner Schweijk’schen Fassade mit, dann weiß ich, dass ich es mit schlauen Zeitgenossen zu tun habe. Halten sie dich hingegen für dämlich, dann ist es für mich sonnenklar, dass sie es mit Sicherheit selbst sind!“ Das gilt im selben Maße auch für die Rezeption der ostdeutschen Bevölkerung. Man schaut sich an, wer sie wie und aus welcher Perspektive beurteilt, und man weiß um die intellektuelle Ausstattung der oder des Urteilenden. Ein Zauberspiegel, fürwahr!

Dennoch bleibe ich dabei – einem Toren zu viel Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, würde seinem Gequassel eine ungebührliche Referenz erweisen. Wenn mich das zwei Wochen Geschirrspüler kostet, dann soll das so sein. Helden leiden schweigend. Aber unser Spiegelbild wollen wir doch morgen auch noch ertragen können, gelle? Dafür sind wir eben Preußen! Dafür sind wir eben ostdeutsche Demokraten, aufrecht, tapfer, unbestechlich und eben – nicht zur Gänze unterbelichtet. Ameijn!

28. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003
26.04.2023