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Offener Brief an die Journalistin Julia Encke

* 1971 in Celle, Niedersachsen

Die Redakteurin des Feullitons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frau Julia Encke, titelte einen ihrer systemkonformen Beiträge mit der Überschrift: "Sie nennen es Freiheit".

Monika Maron, Steiftochter des DDR-Innenministers Karl Maron, die 1988 in die Bundesrepublik zurücksiedelte, wird die Erkenntnis zugeschrieben, die Kommunisten hätten die Methoden ihrer einstigen Peiniger (der Nazis, Anm. Bajun) übernommen und sublimiert.

An diese Sentenz fühlte sich unser Redakteur Herr Hübner erinnert, als er den gegen die Corona-Widerspenstigen, die monentan etwa ein Viertel bis ein Drittel der deutschen Bevölkerung ausmachen, gerichteten Beitrag von Frau Encke las. Nun gilt für Frau Encke das, was die Neue Zürcher für den Großteil aller Wessis attestierte: Sie hätten im Gegensatz zu ihren ostdeutschen Landsleuten keine Erfahrung mehr mit einer Diktatur und müsste diese erst mühsam wieder erwerben, um den Wert ihrer geschenkten Demokratie ermessen zu können.

Er wandte sich daher mit dem folgenden Brief an Frau Encke:

 

Liebe Frau Encke, eines vorweg, ich bin kein Corona-Leugner, Querdenker, Faschist, Alu-Hut-Träger oder „Reichsbürger“, oder wie die Spinner alle heißen. Meine Frau und ich hatten Corona (aber wie Millionen unserer ebenfalls infizierten Mitbürger haben wir nichts davon mitbekommen, bis wir im Nachhinein positiv getestet wurden - na ja, das darf eigentlich gar nicht sein ... Also sagen Sie’s um Himmels Willen niemandem, sonst erschlägt man uns, weil wir das Bild vom Schwarzen Tod stören. Und dann wären wir doch noch – zumindest mittelbar – der Seuche zum Opfer gefallen. Heilige Lauterbach, Spahn und Drosten, behütet unsere armen Seelen!) Also: die gute Seite an Corona ist: Dahinter lässt sich so prima verstecken, wie das bundesdeutsche Gesundheitssystem über Jahrzehnte hinweg systematisch an die Wand gefahren wurde. Nicht die ökonomische Devastierung der Kliniken durch die Kassen mit Deckung durch die jeweilige Bundesregierung ist schuld – sondern die Seuche! So wie am Kollaps der DDR nicht die miserable Planwirtschaft schuld war, sondern der Klassenfeind.

Aber das ist alles nebensächlich. Ich, der ich blöderweise unfreiwilliger Gast im Gewahrsam des Ministeriums für Staatssicherheit war, weil ich das Grundgesetz und den Gedanken an die deutsche Einheit so umwerfend gut fand, stelle nun mit ein wenig ostalgischer Erleichterung fest, dass die unselig dahingeschiedene DDR nunmehr wenigstens zu denen Untoten gezählt werden und vielleicht sogar ihrer Reinkarnation entgegensehen kann. Man hängt ja doch irgendwie noch ein bisschen an ihr. Ach, des Menschen Herz ist doch ein merkwürdig Ding.

Deshalb war ich so entzückt, als ich die Überschrift Ihres Beitrags las, die da lautete: „Sie nennen es Freiheit …“ Das roch so schön nach Muckefuck, Kettwurst, Soljanka, Broiler und Grilletta. Die Bolschewisten schrieben – damals allerdings in Ihre Richtung: „Freiheit, die sie meinen …“ Vorsicht, Vorsicht vor unautorisierten Anleihen bei der journalistischen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig, dem Neuen Deutschland und der Jungen Welt, liebe Frau Encke! Solange die DDR in ihrer Gruft ruht, ist da keiner, der Sie deswegen vor einen Kadi zitieren kann. Solange mögen Sie sicher sein. Aber sollte die DDR wieder fröhliche Auferstehung feiern – und mit der gegenwärtigen Umgangskultur in unserer Gesellschaft wird ihr mit jedem Tag wieder mehr Leben eingehaucht – dann sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen. … oder beizeiten umschwenken. Ich kenne die Bolschewisten.

Bei und von ihnen habe ich viel gelernt. Unter anderem, dass sie, wenn es um Westgeld geht, keinen Spaß verstehen und auch nicht davor zurückschrecken, ihre eigene Großmutter zu verticken, die volkseigenen Museen für westdeutsche Auktionshäuser auszurauben, politische Gefangene als Lohnsklaven für Neckermann und Co. auszubeuten, (damit Ihr Wessis Eure Klamotten und andere Konsumgüter schön billig einkaufen könnt und nicht noch hohe Transportkosten berappen müsst wie heute, wo die armen Teufel in Bangladesch und noch weiter weg für Euch malochen) und sogar an den Klassenfeind Waffen zu verkaufen. Um wieviel mehr wären Sie gefährdet, wenn die Roten bei Ihnen eine Urheberrechtsverletzung wittern, die man in Bezug auf Devisenbeschaffung durchaus in harte Dollars umrubeln kann. Ich meine es nur gut mit Ihnen.

Ja, ja, das Fach Geschichte ist schon ein dröger Stoff und völlig überbewertet. Keine Angst, liebe Frau Encke, das Volk ist doof und hat nur ein kurzes Gedächtnis. Die Gefahr, dass Ihnen neben mir noch mehr Leute auf die Schliche kommen, ist überschaubar. Und wenn Sie nicht petzen, dass ich Corona überlebt habe, halte ich die Schnauze, dass Sie ein bisschen unvorsichtig im DDR-Propaganda-Wäldchen wildern.

Indem ich Sie herzlich in die Hauptstadt grüße,
bleibe ich Ihr sehr ergebener


Michael L. Hübner
Chefredakteur a. D.

26. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
30.11.2021