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Brecht
und die Commerzbank,
oder Wie sich eine Staatsanwaltschaft
weigert, den Griff in fremde Taschen zu verfolgen
Michael L. Hübner. Havelsee. „Was
ist ein Banküberfall, gemessen an der Gründung einer Bank?“ Diese ausgesprochen
tiefsinnige Frage stellte einst der große Brecht in seiner Dreigroschenoper.
Wir erinnerten uns dieses epochalen Werkes, als wir jüngst eine Statue
dieser oft mit einem Tuch vor den Augen dargestellten Dame Justitia sahen,
wie sie die Waage in der einen Hand und in der andren das rächende Schwert
der Gerechtigkeit trägt.
Nun ist es ja ein Allgemeinposten, dass diese Göttin zweifelsohne das
unerlöste Aschenputtel in sämtlichen Pantheons dieser Welt ist. Kleinen
Kindern erzählt man das Ammenmärchen jenes die Augen bedeckende Tuch sei
ein Sinnbild dafür, dass Justitia ohne Ansehen der Person richte.
Ehrlich? Die Märchen vom Klapperstorch, vom Weihnachtsmann und vom Osterhasen
zeichnen sich allesamt durch ungleich mehr Substanz aus. Die Blindheit
bedeutet, dass diese Dame die eigenen juristischen Scharteken nicht zu
lesen oder zu deuten vermag, in welchen die jeweiligen Gesetzestexte verzeichnet
sind. Nur wenige juristische Konvolute oder Gesetzbücher sind in Braille-Schrift
verfasst und wenn diese Dame einen Zugang dazu fände, dann müsste sie
noch immer die Hürde der den Juristen eigenen Sprache überwinden. Denn
diese ist selbst den Göttern fremd.
Nehmen wir ein Beispiel: Ein kleiner, zweijähriger Junge bekommt von seinem
Vater dessen Sparbuch bei der Commerzbank in Kleinmachnow. Viel Geld ist
da nicht drauf. Die Banken pervertieren ja mittlerweile das Sparprinzip,
indem sie die ihnen anvertrauten Sparguthaben mittels sogenannter Negativ-Zinsen
dahinschmelzen lassen wie den Schnee in der Sonne. Ein Übriges leistet
die galoppierende Inflation. Doch das soll nicht das einzige Moment bleiben,
welches zur Vorsicht mahnt, ehe man einer Bank sein Geld oder sonst dergleichen
anvertraut.
Nun zieht dieser kleine Junge mit seinen Eltern in ein verschlafenes Nest
in ländlicher Umgebung, denn er ist schwer erkrankt und den zusätzlichen
Stress, den die Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel ihren Bürgern
angedeihen lässt, kann er nun gar nicht gebrauchen.
Der Vater des kleinen Jungen meint wohl irrtümlich, eine Bank würde sich
noch in irgendwelchen Details von einer Einwohnermeldebehörde unterscheiden.
Vielleicht denkt er auch: Was soll’s, für die Banken, den Privatbetrieb
SCHUFA, das Finanzamt, die Krankenkassen, alle anderen Ämter und Behörden
einschließlich der Polizei etc. sind wir allem Datenschutz-Kokolores der
Bundesregierung zum Trotz sowieso transparenter als die Gläserne Frau
aus dem Hygiene-Museum in Dresden …“. Oder er denkt gar nicht an dieses
Kreditinstitut und seinen anmaßenden Anspruch, stets über den genauen
Aufenthalt seiner Kunden informiert zu sein … wir wissen es nicht. Sei
es wie es sei: Er teilt der Bank seine neue Adresse nicht mit.
Wozu muss die Bank diese Adresse auch wissen? Hat sie ihm je das Geld
nach Hause gebracht? Muss jetzt der Konsum an der Ecke, bei dem er fünf
Pfund Kartoffeln holt, auch seine Meldeadresse kennen? Schließlich handelt
es sich bei dem Konsuminhaber auch streng genommen um einen kaufmännischen
Geschäftspartner.
Ach so, na ja, die Kontoauszüge. Die hat er lange nicht abgeholt für ein
Sparbuch, auf dem etwa € 30,- lagen. Ein paar Kröten, welche die bettelarme
afghanische Großmutter des kleinen Jungen für ihren kleinen Sonnenschein
entbehrte. Dafür musste die alte Frau, die von Sozialhilfe lebt, sich
bei anderen notwendigen Ausgaben arg zurücknehmen.
Aber das sind Angelegenheiten, welche Banken, die in Frankfurt am Main
enorm teure phallische Protztürme in den Hessenhimmel rammeln und in ihren
Chefetagen astronomische Boni verteilen, nicht einmal marginal interessieren.
Reichtum ist die Akkumulation der Ersparnisse vieler in den Händen weniger.
Und wie man in der Mark Brandenburg erfolgreich akkumuliert und dabei
auch noch von den Organen der Rechtspflege unterstützt wird, dass soll
unser kleiner Aufsatz verdeutlichen.
Also – der Mann meldet der Obrigkeit „Bank“ seinen Umzug nicht. Die Bank
muss zwanghaft seine neue Adresse aufspüren. Das kostet!
Wenn man schlau ist, und in den Vertrag schaut, der seinerzeit über dieses
Sparbuch geschlossen wurde, dann kostet das … - richtig! Das kostet …
einen Anruf! Denn in jenem Vertrag steht auf Seite 1 unter Punkt 4 die
Telefonnummer des Kontoinhabers. Die kann man anrufen und die Dinge klären.
Wir bewegen uns im Pfennigbereich. Wie gesagt ... wenn man schlau ist
...
Doch stelle man sich den intellektuellen Aufwand und die physische Anstrengung
vor, die es einem Banker, der tagtäglich mit Millionen und Abermillionen
fremden Geldes jongliert, abverlangt, ein paar Tasten seines Rechners
zu drücken – wohlgemerkt die richtigen! – um diesen Vertrag aufzurufen!
Das ist unmenschlich! Uns graust es. Andere Leute murmeln jetzt vor sich
hin: „Hundewelpen, Hundewelpen, Hundewelpen …“
Wir suchen auf etwas andere Art Zerstreuung und sehen uns im Fernsehen
eine Dokumentation über die Größe des Hirns bei Krokodilen im Vergleich
zu ihrer Körpergröße an. Das Archencephalon dieser Panzerechsen ist so
gesehen winzig. Maul auf, Maul zu, ein paar Drehungen um die Längsachsen
und Sexualpartner finden – damit ist der Anforderungskatalog an dieses
Organ fast erschöpfend beschrieben.
Aber wozu braucht auch ein Alligator Hirn? Die schiere Beißkraft ernährt
ihn zuverlässig, der dicke Panzer schützt ihn – und von der Natur lernen,
heißt siegen lernen. Das bringt uns wieder zu unserer Bank und ihrer Panik,
einen Kunden aus den Augen verloren zu haben.
Also beauftragen die Banker das Einwohnermeldeamt oder eine Detektei oder
eine Wahrsagerin mit Kristallkugel – wir wissen das nicht. Was wir wissen,
ist , dass die Commerzbank Kleinmachnow für diese geistige Fehlleistung
€ 20,- in Rechnung stellt. Nicht sich, wohlgemerkt – dem Kunden natürlich.
Und weil dieser ihr das Geld blöderweise anvertraut hat, greift sie zu.
Wir nennen das Diebstahl, weil es sich nach unserem Rechtsverständnis
um eine ungerechtfertigte Aneignung fremden Eigentums handelt.
Der Bestohlene stellt die Bank zur Rede und fordert sein Geld zurück.
Die Commerzbank denkt nicht einmal im Traum daran, zu reagieren. Weder
erfolgt eine Stellungnahme zu dem Vorhalt noch eine Rückzahlung des unter
den Nagel gerissenen Pfundes. Wo kämen wir denn dahin?
Diese Commerzbank lässt sich bestenfalls dazu herab, die Kunden zur Verifizierung
Ihrer persönlichen Daten nach Gutsherrenart einzubestellen und damit noch
einmal den quasibehördlichen Charakter, den sie sich offensichtlich zuschreibt,
zu betonen.
Der Bestohlene erstattet Anzeige bei der Polizei und stellt einen Strafantrag
mit der Begründung, er sähe die Tatbestände der Rechtsnormen §§ 133, 243
Abs. 1 S. 2 und 266 StGB als erfüllt an.
Die Staatsanwaltschaft in Potsdam tut das nicht und erwidert lapidar,
ein solcher Vorgang sei der zivilrechtlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten.
Sie kann partout keinen justiziablen Rechtsverstoß erkennen. Wir folgern:
Eine rechtswidrige Aneignung fremden Eigentums zu verfolgen zählt demzufolge
nicht zu den Obliegenheiten einer Staatsanwaltschaft.
Warum auch! Die Staatsanwaltschaft muss sich ja schließlich um ein paar
arme Ausländer kümmern, welche dem Jobcenter wenige Tage zu spät ihre
Arbeitsaufnahme gemeldet haben. Das ist Sozialbetrug vom Feinsten. Diese
Leute, die vom komplizierten Regelwerk ihres Gastlandes keine Ahnung haben,
schmälern zu Unrecht den Aerar. Bei diesen umgekehrten Vorzeichen wird
eine Staatsanwaltschaft schon hellhörig! Denn sie existiert ja nur mittelbar
vom Steuerzahler – unmittelbar aber von den Ausschüttungen des Schatzamtes
– so weit jedenfalls unsere bescheidene Logik.
Deshalb werden auch Parksünder und Schwarzfahrer mit immensem Aufwand
gejagt und zur Strecke bzw. vor den Gerichtsvollzieher gebracht. Wenn
der arme Kerl dann nicht blecht, dann ist sein zumindest lebenswertes
Leben mittels eines Dreißig-Jahre-Titels, der sich beliebig verlängern
lässt, verwirkt!
Wenn man dann noch öffentlichkeitswirksam ab und an mal einen Beelitzmörder
anklagen kann oder einen Spaßvogel, der in ernst gemeinter Ironie eine
Banane in die bundesdeutsche Trikolore montiert, dann ist doch der Zweck
einer Staatsanwaltschaft durchaus erfüllt. Was brauchts da noch den Schutz
der Bürger, welche auf einen Rechtsstaat vertrauen, dessen Grundgesetz
die Gleichheit aller Bürger betont? Komm’se! Hör’n se auf! Wir lachen
uns sonst noch tot ob diesen Unfugs!
Ja, so ist das mit dieser Gleichheit – ein Altbundeskanzler, der in einer
kriminellen Spendenaffäre beharrlich dicht hält – darf sich vor einer
Erzwingungshaft sicher fühlen und den Organen der Rechtspflege auf der
Nase herum tanzen. An den geht keine Staatsanwaltschaft heran! Und Bauchschmerzen
bereitet dieses Versagen der Institution schon lange nicht mehr: Ist der
Ruf erst ruiniert …
Eine Bank darf sich demzufolge auch straflos am Eigentum eines kleinen,
kranken Jungen bedienen und eine Staatsanwaltschaft braucht sich nicht
einmal mehr die Mühe machen, ihre Weigerung, die Sache zu verfolgen, in
einem Dschungel von Juristendeutsch zu verstecken, um sich wenigstens
den Anschein einer Plausibilität zu geben. Es reicht, dass sie sagt: „Nö,
wir sehen hier keinen Anhaltspunkt.“ Und fertig. … es lebt sich gänzlich
ungeniert!
Aber dafür zumindest bringen wir Verständnis auf: Wer hat schon die Chuzpe,
sich als scharfsichtiger zu offenbaren als die eigene, blinde, göttliche
Chefin! Und wenn der kleine Junge einst so groß geworden ist, dass er
in die Schule geht und ihm die Frau Lehrerin etwas von einem Rechtsstaat
Deutschland erzählt, dann müssen wir aufhorchen: Von da an bis zu den
Märchen des Kreationismus ist es nur noch ein Katzensprung. Dann rettet
uns nur noch die Sintflut!
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