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Herr Gauck
lässt frieren für die Freiheit
Hurra - Deutschland hat seine Bonzen
wieder!
Die Herren aber
machen das selber, dass ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des
Aufruhrs wollen sie nicht wegtun. Wie kann es die Länge gut werden? So
ich das sage, muss ich aufrührisch sein. Wohl hin!
Thomas Müntzer, Allstedter, 1524
Don M. Barbagrigia. Havelsee. Wer
in der DDR aufwuchs, dem rinnen sicher nostalgische Tränen über die Wangen.
Unser Wandlitz – da isses wieder! Alte, ehemals mächtige Männer, abgeschottet
von der Welt und jeder Erdung entrückt, sondern eine Logorrhö ab, bei
der man sich vor Lachen schütteln würde, wenn es einem nicht selbst brutal
an die Substanz ginge.
Der Altbundespräsident Joachim Gauck bescherte uns jüngst einen dieser
seltenen Augenblicke wehmütiger Reminiszenz, als er bei Sandra Maischberger
verkündete: „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit …“
Dieses „Wir“ aus dem 82jährigen Theologenmunde … Das kann sich doch nur
um einen Pluralis Majestatis handeln. Und nun achte man auf die Wortwahl!
Das können sie nämlich, diese Wissenschaftler, die dem Unerkannten seit
Jahrhunderten nachspüren. Das haben sie gelernt, sie, die den christlichen
Mitbruder schon wegen eines vorgeblich falsch gesetzten Akuts bereit waren
zu erschlagen, was Kaiser Julian Apostata nur zu ungläubigem Kopfschütteln
veranlasste.
Also spricht der Herr Pastor Gauck von der Bundeskanzel herab: „WIR KÖNNEN
…“ Natürlich kann Seine Exzellenz! Muss er aber nicht. Tut er auch nicht.
Er, der seine Ruhebezüge nicht durch Hartz IV aufstocken muss. Er, der
nicht als Alleinverdiener seine Familie durchbringen muss. Alleinverdiener
oder Familien in quasiprekären und prekären Verhältnissen, deren Zahl
mittlerweile in der Bundesrepublik Legion ist, um mal vorwitzig im Duktus
seiner protestantischen Majestät zu bleiben.
Alleinverdiener und Familien, die seit Jahren auf Kante wirtschaften müssen.
Die dürfen von Gottes und seines irdischen Stellvertreters Herrn Gaucks
Gnaden ebenfalls frieren für die Freiheit.
Freiheit – ach, Du dehnbarer Begriff, den jeder ein wenig oder auch ganz
anders interpretiert. Die Wikipedia versucht sich in einer Definition:
Freiheit (lateinisch libertas)
wird in der Regel als die Möglichkeit verstanden, ohne Zwang zwischen
unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen und entscheiden zu können.
Der Begriff benennt in Philosophie, Theologie und Recht der Moderne allgemein
einen Zustand der Autonomie eines Subjekts.
Na, das ist doch doll! Da haben wir’s doch. Wir dürfen uns entscheiden,
ob wir für Herrn Gaucks Freiheit frieren wollen oder ob wir für Herrn
Gaucks Freiheit frieren wollen. Moment! Was sagen Sie? Das sei doch dasselbe!
Nu ha’m Se sich mal nicht so kleinlich!
Schließlich hat sich Herr Gauck doch zu Wandlitzer Zeiten und danach,
nach der Wende, dafür eingesetzt, dass dieses System erst abgeschafft
und nun wieder – quasi durch viele kleine Hintertürchen – durch Wandlitz
II ersetzt wird.
Wieder haben die Deutschen die Wahl, in einem der Regierung genehmen „Mainstream“
mitzustimmen, sich in ihren Nischen einzurichten, wie Herr Gauck das ja
noch aus der DDR kennt, oder ausgegrenzt, diskriminiert, angefeindet,
niedergebrüllt, als Faschisten diffamiert und letztendlich in ihren Existenzen
bedroht zu werden. Wieder haben sie die Wahl, ihre Filme aus Hollywood
zu beziehen und ihre Nachrichten aus einer proskynetischen Medienlandschaft,
oder sich abzuschotten, sich mit den wirklichen Nazis gemein zu machen
(pfui Teufel!) oder darüber zu verzweifeln, dass deutsche Regierungen
seit sieben Jahren das Grundgesetz zum Toilettenpapier degradieren, andere
Gesetze nach Gusto aushebeln, gesetzgebende Organe entweder ignorieren
oder sich deren Zustimmung nach Volkskammermanier einholen und keine Gewaltenteilung
der demokratischen Welt diese Leute irgendwie auch nur ansatzweise ausbremst.
Heilige Locke und Montesquieu – de profundis clamamis!
Ja Past‘er Gauck, uns gefriert das Blut in den Adern ob deiner Freiheit,
arme Menschen öffentlich so kaltschnäuzig und dummdreist verhöhnen und
demütigen zu können.
Uns gefriert das Blut in den Adern, wenn wir sehen, dass der kleine, zweieinhalbjährige,
schwer nierenkranke Sohn eines unserer Redakteure statt deiner frieren
muss, für die Freiheit ertragen zu dürfen, wie der Staat, dem du vorstandest,
seiner afghanischen Mutter eine Naturalisation und damit die Existenz-Sicherheit
verweigert, die du so tränenreich für die Ukrainer einforderst, diese
Unschuldslämmer, die doch nur ein bisschen an den Geldzitzen Europas saugen
wollten und dafür bereit waren, den Kremlbären zur Weißglut zu reizen,
so wie es deine Gesinnungsgenossen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
getan haben, nach Schukows Ansicht auch aus Rache dafür, dass euch das
Bärchen von den Faschisten befreit hat.
Die afghanische Mutter des kleinen Jungen bekommt keinen Pass von ihrem
kriegszerstörten und von Verbrechern und Frauenverächtern usurpierten
Land, sie bekommt keine Freifahrt mit der Bundesbahn (sie wurde nicht
aus Afghanistan abgeholt, sondern musste mit ihren 17jährigen Füßen 5.000
km laufen mit der alten Mutter und dem geistig behinderten Bruder, mein
allerchristlichster Freund Joachim!), keine Sonderförderung und keinen
ad-hoc-Kindergartenplatz, der Junge keine deutsche Geburtsurkunde, obwohl
er seines Vaters wegen einen deutschen Pass besitzt. Keine Gesetze werden
für sie mal eben so außer Kraft gesetzt, weil es politisch gewollt ist.
In deinem Antidiskriminierungsparadies ist sie ein Flüchtling dritter
Klasse, du falscher Prophet! Warum?
Weil sie euch daran erinnert,
welche abgrundtiefe Schande ihr mit eurem Treiben am Hindukusch auf euch
geladen habt, als ihr dort auch irgendeine ominöse „Freiheit“ verteidigen
wolltet und stattdessen ein ganzes Volk ins Elend gestürzt und verraten
habt, als ihr vor ein paar Steinzeitbanditen geflohen seid, wie der Teufel
vorm Weihwasser oder wie wir, wenn du zu deinem Sermon anhebst, Past’er
Joachim.
In Kabul waren die Mädchen und
Frauen frei, so wie in Teheran unter Mossadegh. … wo der Westen übrigens
so frei war, einzumarschieren und die Regierung zu stürzen, weil er sich
in seinen Interessen bedroht fühlte. … so wie im Irak, so wie in Serbien,
so wie in Libyen, so wie in Vietnam nach der Tonkin-Kriegspropagandalüge.
Ihr verfluchten Heuchler!
Ist es nicht genau das, was ihr
jetzt den Russen vorhaltet? Aber wenn die Russen so frei sind, so zu handeln,
wie ihr seit Jahrzehnten, ach was, seit Jahrhunderten (Versklavung Afrikas
und Lateinamerikas, Niederschlagung des Boxeraufstands, Ausrottung der
Indianer) – dann hört die Freiheit aber auf, nicht wahr? Was Freiheit
ist, das bestimmen wir. Seit dem fetten Morphinisten-Hermann lassen wir
uns die Lufthoheit über unsere Deutungsgewalt nicht mehr nehmen. Wir erinnern
uns, Reichsjägermeister Hermann Meier reklamierte ja bereits für sich
und seine Clique, zu bestimmen, wer Jude sei und wer nicht.
Und langsam beginnt uns zu dämmern, für welche Freiheit du uns frieren
lassen willst. Für die Freiheit, zusehen zu dürfen, wie demokratische
Errungenschaften wieder auf dem Altar politischen Willens geschlachtet
werden, wie ein Rechtsstaat vor unseren Augen zertrümmert wird, wie unser
Grundgesetz zerfleddert wird und niemand aufsteht, es zu verteidigen,
weil ihr euch anmaßt zu entscheiden, wann und von wem dieses Grundgesetz
bedroht ist und wann nicht. Bedroht ist es natürlich nur, wenn man euch
in den Arm fällt! Schon klar. … Orwell, Farm der Tiere: … und langsam
wurden sie zu denen, die sie einst bekämpften. Mit jedem Tag wurden sie
ihnen ähnlicher und ähnlicher, bis man sie nicht mehr von ihren einstigen
Gegnern unterscheiden konnte.
Vielleicht ist in der Waldsiedlung noch ein Häuschen frei, Herr Past’er!
Gut geheizt, versteht sich – denn frieren – das sollen ja schließlich
immer die anderen! Möge dich dein theologisch begründbares Fegefeuer wärmen,
während wir hier auf Erden auf dein Geheiß hin frieren! Und vorher verklage
uns noch rasch wegen Majestätsbeleidigung! Das ist der § 188 StGB! Amen. |