Religion, Märtyrer und Fanatismus
David M. Katz. Havelsee. Eine
damals zwanzigjährige Afghanin sagte einst zu Herrn Druckepennig, man
habe Allah entweder im Herzen und im Kopf, oder man habe ihn überhaupt
nicht. Wer ihn im Munde führe, der hätte ihn gar nicht, sondern verstecke
seine Ziele nur hinter des Höchsten Namen.
Welch eine großartige Theologie aus dem Munde einer zwanzigjährigen
jungen Frau, die sämtliche Theosophistereien der Ecclesia, der Ayatollahs
und des Rabbinats über den Haufen wirft.
Wer eine Religion oder eine Ideologie missioniert, der missioniert den
eigenen Machtanspruch – ganz klar. Er will nicht die Menschheit erlösen,
es sei denn, es handelt sich um Verrückte, die mit sich selbst nicht
zurande kommen und sich daher mit ihren kruden Weltverbesserungsfantasien
an ihren Mitmenschen austoben wollen. Von denen ist die Welt allerdings
voll und wir werden auf diese Leute später noch zu sprechen kommen.
Nein, es geht immer nur im ganz irdischen Sinne um Macht und Mammon,
Einfluss und Meinungsdiktatur – und um nichts anderes. Gott oder jedwedes
Pantheon haben damit nichts zu tun.
Nun sagte der Zahnarzt Dr. Torsten K. aus D. einst, er hielte Religiöse,
die eines Gottes bedürften, für Menschen, denen trotz ihres biologischen
Alters der Sprung ins Erwachsenenleben nicht geglückt sei und die deshalb
noch einer Vater- oder Mutterfigur bedürften, an die sie sich in kindlicher
Manier wenden und denen sie den Verlauf ihres Schicksals überantworten
würden. Leute also, die unfähig sein, Verantwortung für sich allein
zu übernehmen. Auch das ist eine im Landboten unbestrittene These.
Anlass zu diesem Aufsatz bot eine Dokumentation über die Heilige Perpetua
und ihre Sklavin Felicitas, die in Karthago einen grausamen Märtyrertod
suchten und fanden. Beide waren junge Mütter in den Anfängen ihrer zwanziger
Jahre. Beide ließen ihre kleinen Kinder allein zurück in der Welt um
ihres fanatischen Glaubens willen.
Glauben heißt nicht wissen. Eine höchst irdische Verantwortung einem
kleinen Menschlein gegenüber wegzuwerfen um eines metaphysischen Spuks
willen, halten wir für ein Verbrechen und es wäre uns eine Genugtuung
zu erfahren, dass es eine Hölle für Missetäter wirklich gäbe. Denn diese
beiden Frauen wüssten wir nicht im Himmel zur Rechten des Vaters, sondern
genau in jener Hölle – denn sie begingen die schlimmsten Sünden überhaupt:
Sie versuchten, den armen Galiläer Jeshua, der ans Kreuz genagelt wurde
und dort elend sterben musste, mit in die Verantwortung für ihr Verbrechen
zu ziehen, ihre Kinder allein in der Welt zurückzulassen und ihnen die
Mutter zu nehmen. Denn angeblich ließen sie sich für IHN in SEINEM Namen
martern und töten.
Das aber hat ER nicht gewollt. ER wollte, dass die Menschen gottgefällig
leben und ER sagte, gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was
Gottes ist. Warum verweigerten dann die beiden Fanatikerinnen und ihre
Entourage dem Kaiser das geforderte Weihrauchopfer? Der Rabbi wollte
nie, dass andere für ihn sterben. Er wollte mit seinem Tod dem Leid
ein Ende machen und es nicht anfachen. Armer Rabbi! Mit deinem Tode
ging der Terror erst richtig los!
Umberto Eco ließ im „Namen der Rose“ seinen klugen Franziskaner William
von Baskerville sagen: „Hüte dich vor Leuten, die sagen, es lohne für
eine Sache zu sterben. Meistens schickten diese Leute andere Menschen
vorher oder gar an ihrer Stelle in den Tod.“ So ist es. Diese armseligen
Torfköpfe lassen sich um ihr einziges Leben betrügen, damit andere Macht
generieren können um es sich selbst wohl sein zu lassen auf Erden. Das
ist die simple Wahrheit.
Von dem morbiden Brimborium, den diese Machtmenschen dann zum Beispiel
im katholischen Christentum um die Leichenteile der Verrückten machen,
sie nennen es Reliquienkult, haben diese dann auch nichts mehr. Die
Knochen als materielle Überbleibsel dienen dann nur noch anderen abergläubischen
Schwachköpfen zur Disziplinierung – die Seele der Märtyrer aber hat
sich in Äonen aufgelöst und existiert Gott sei Dank nicht mehr. Es reicht,
dass sich deren unseliger Geist fortpflanzt und weiter seine verderbliche
Wirkung auf unterbelichtete, simple Gemüter entfaltet.
Insofern wäre es die schlimmste denkbare Strafe, wenn es dieser Seele
nach dem Verlassen des irdischen Leibes noch vergönnt wäre, zu erkennen,
dass sie sich haben um ihr Paradies betrügen lassen; dass da nichts
mehr ist außer endlose Leere und dass ihre irdischen Atome nunmehr von
Kreaturen im ewigen Zirkel des Lebens inhaliert werden, welche den Namen
Gottes nicht kennen, ihn nicht zu kennen trachten sondern einfach SEINEN
Plan leben, so lange es ihnen gewährt ist.
Doch selbst wenn Gott sie in SEINEM unerfindlichen Ratschlusse zu SEINER
Rechten sitzen ließe, so entkämen sie der Hölle doch nicht. Müssten
sie doch mitansehen, dass ihre unerträgliche Marter nur dazu diente,
dass Erzbischof Günther II. von Magdeburg am Heiligen Abend 1415 das
Dorf Schmerzke niederbrannte und dessen Einwohner, insofern sie nicht
bei dem Überfall umkamen, einem grausamen Hunger- und Erfrierungstod
überantwortete, weil er dem Ritter Rochow eins überbraten wollte. …
oder dem Kloster Lehnin oder weiß Gott wem. Sie müssten mitansehen,
wie im Namen ihres Glaubens im Dreißigjährigen Kriege gehauen und gebrannt,
gestochen und vergewaltigt und gestorben und verreckt wurde, was das
Zeug hielt.
Sie wären Zeuge, wie „Christen“ die Indianer von Feuerland bis in die
kanadische Arktis schlugen, versklavten, töteten und ausrotteten, deren
Kultur vernichteten und unter ihr Joch zwangen. Sie müssten zur Kenntnis
nehmen, wie zehntausende unschuldige Frauen, Männer, Kinder und Tiere
einem grausamen Tod auf dem Scheiterhaufen nach vorherigen grässlichen
Folterqualen erleiden mussten im Namen ihres Christentums. Sie kämen
nicht um die Erkenntnis herum, dass sie sich von den Römern grausam
hatten zu Tode martern lassen, damit christliche Nonnen jungen Mädchen
die Kinder wegnahmen und verkauften ad maiorem DEI gloriam und christliche
Priester, Bischöfe und Erzbischöfe Chorknaben, Ministranten, junge Mönche
und so weiter sexuell missbrauchten, dass kein Auge trocken blieb. Ja,
diese Höllenqualen hätten sie um ihres fanatischen Irrsinns mehr als
verdient, denn sie waren sich dessen wohl bewusst, dass das Christentum
sein Gebäude auf ihren Knochen aufbauen würde.
Aber wie es so schön heißt: Wen Gott hasst, dem erfüllt er seine Wünsche.
Der Wunsch dieser Fanatiker wurde erfüllt. Mögen sie dafür im Feuer
ihrer Schuld und Verbohrtheit brennen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Kennt der Landbote keine Heiligen? Oh doch. Sogar christliche Heilige.
Die Heilige Tamar, Königin von Georgien, Tochter Davids des Erbauers,
beispielsweise. Eine wunderbare, kluge, starke Frau, die ihrer Zeit
um Jahrhunderte voraus lebte und das einzige Martyrium, das ihr zuteilwurde,
war die Ehe mit dem ihr aufgezwungenen russischen Ehemann – einem versoffenen,
prügelnden Idioten, derer sie sich jedoch entledigen konnte. Wir kennen
Friedrich von Spee, den mutigen Hexenanwalt und wir kennen Pater Rupert
Mayer aus Bayern, der den Nazis die Stirn bot.
Und wir kennen
den Kinderarzt Dr. Janusz Korczak, der mit den ihm anvertrauten Kindern
gemeinsam 1942 in Treblinka ins Gas ging , obschon man ihm den freien
Abzug angeboten hatte. Man vergleiche deren Viten mit denen der katholischen
Märtyrer und Märtyrerinnen und man weiß, warum uns wer imponiert und
nachstrebenswert erscheint. Und nota bene: Die meisten der von uns genannten
Heiligen erfuhren nie eine Kanonisierung durch die katholische Kirche.
Das sagt alles.
Ja, wir bezeichnen jeden Kult despektierlich als Brimborium. Und wir
haben die Ehre, den blitzgescheiten und klugen syrischen Petroingenieur
Mahmud M. zu zitieren, der sich voller Reue und Bedauern über die Zirkumzision
seines Sohnes ausließ. M. sagte: "Wer sind wir, dass wir mit dieser
Entfernung des Präputiums eines kleinen Jungen in Gottes Architektur
eingreifen? Es folgt doch glasklarer Logik, dass wir damit unmissverständlich
zum Ausdruck bringen, dass wir Gott für einen Dilettanten und Pfuscher
halten, den wir, SEINE Schöpfung, korrigieren müssen. Welche wahnwitzige
Anmaßung!"
Dass die Beschneidung vor dreitausend Jahren unter den feuchtwarmen
Bedingungen der Levante mit ihrem notorischen Mangel an sauberem Wasser
eine hygienische Notwendigkeit war, um nicht nur den Mann, sondern die
mit ihm nolens volens verkehrende Frau zu schützen, weil das Smegma,
welches sich unter der Vorhaut ansammelte, gefährliche bakterielle Infektionen
erzeugen konnte, ist kein Gegenstand unserer Kritik. Wenn aber eine
solche Maßnahme über die Generationen hinweg ungefragt tradiert und
zu einem sinnentleerten Kult erhoben wird, dessen einzige Berechtigung
darin besteht, dass man die Vorhaut einem Bund mit dem Schöpfer opfere
und nur durch dieses Opfer in die Gemeinschaft der von Gott anerkannten
Schöpfung aufgenommen werde, dann ist das ein ausgemachter Schwachsinn.
Und hier zeigt sich – zumindest kurzfristig gesehen – tatsächlich ein
Mangel in der Architektur der Schöpfung: Gott hat dem Menschen in der
Masse eindeutig zu wenig kritischen Verstand und Urteilsvermögen mitgegeben.
Tatsächlich aber ist auch dieser vermeintliche Fehler ein geniales Puzzleteil
der Evolution. Denn es ist der Keim des Untergangs des Nackten Raubaffen,
der zehntausend Jahre lang die Erde zu tyrannisieren und kaputtzuwirtschaften
Gelegenheit hatte. Nun sollen auch andere wieder ans Ruder kommen und
das Rad der Evolution soll sich eine Weile ohne Theokratie und Theologie
weiterdrehen können. Der Garant dafür ist die menschliche Dummheit,
die Gott so genial installierte, und gegen die kein Kraut gewachsen
ist.
Aus diesem Grunde zitieren wir die einzige theosophische Stelle der
Bibel, die uns des Zitierens wert ist. Sie findet sich beim Propheten
Micha in Kapitel 6 Vers 8 und lautet: „Es ist die gesagt, Mensch, was
gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich dieses: Gottes Wort
halten, Liebe über und demütig sein vor deinem Gott.“ Und sonst gar
nichts, denn alles andere ist von Übel. AMEN