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"Die
dunkelste Stunde"
Ein Meisterwerk im Dienst antirussischer Propaganda?
B. St. Fjøllfross. Havelsee. Nanu?
Eine Filmbesprechung im politischen Ressort des Landboten? Würde sie nicht
eher in die Joseph-Roth-Redaktion „Bücher und Kultur“ gehören? Nun, das
mag sein, dass es sich um keine Rezension dieses cineastischen Brillanten
im eigentlichen Sinne handelt.
Nur dieses in Kürze: Eine großartigere Reminiszenz und verspätete Würdigung
des großartigsten Premiers, welchen England und das Empire je in Regierungsverantwortung
wählte, hat es nie gegeben und schwerlich ist es vorstellbar, dass dieses
Werk, welches die dramatischen Tage und Wochen zwischen seiner Wahl und
der berühmten „Hügel“-Rede thematisiert, noch übertroffen werden könnte.
An diesem Film ist alles atemberaubend, und allen voran ist es Gary Oldman,
der in der Rolle Winston Churchills wieder einmal beweist, zu welchen
schauspielerischen Höchstleistungen das Inselreich fähig ist.
Es berührt und packt auch jeden Nachkommen der einstigen Aggressoren,
welcher noch nicht seine letzte Hirnwindung im braunen Sumpf versenkt
hat. „Die Insel gebiert tapfere Kreaturen“ bemerkte einst Montjoy, der
Herold Frankreichs, vor der Schlacht von Agincourt laut Shakespeare. Britanniens
Premier Churchill unterstrich in seiner Person diese Aussage mit dicken
Lettern.
Doch genug davon!
Warum zeigt der vom Preußischen Landboten hochgeschätzte Sender 3sat diesen
Film ausgerechnet am 22. April 2022, Lenins Geburtstag übrigens, zur Abendstunde?
Die Antwort auf diese Frage erklärt auch, warum dieser Beitrag im politischen
Ressort erscheint und nicht bei der Kunst.
Wollte man sublim dessen gedenken, dass auch den Befreiern Europas und
letzten Endes auch Englands, der heldenhaften Roten Arbeiter- und Bauernarmee
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken einst das Wasser bis zum
Halse stand, als sie von den Mächten der Entente und dem Weißen Terror
beinahe in die Knie gezwungen wurde?
„Klingt es auch wie eine Sage, kann es doch kein Märchen sein, Wolotschajewka
genommen, Rotarmisten zogen ein.“ … „Blut und Tod und bittere Jahre –
ewig bleibt im Ohr der Klang das Hurra der Partisanen, als der Sturm auf
Spassk gelang!“ Das Lied der Partisanen vom Amur.
Wieder macht Europa gegen Russland Front. Ja, die Sowjetunion ist untergegangen,
ja, das Minsker Abkommen hat nur noch den Wert von Toilettenpapier, ja,
Kiew, die Heilige Mutter Russlands, hat Moskau verraten, seine rechtmäßige
Regierung auf dem Maidan weggeputscht um des Judaslohns von ein paar lumpigen
Euros willen, ja, Russland ist mit Heeresmacht in die Ukraine eingefallen
und was dort passiert, lässt jeden verzweifeln, in dessen Herz noch die
rote Flagge mit Hammer und Sichel weht.
Aber warum nun zeigt 3sat gerade jetzt diesen Film aus dem Jahre 2017?
Natürlich können wir nicht in die Köpfe der Programmdirektoren hineinschauen.
Wenn wir aber DI Humphrey Goodman folgen, dann gilt: Wenn es aussieht
wie eine Ente, wenn es quakt wie eine Ente und wenn es watschelt wie eine
Ente, dann ist der Verdacht begründet, dass es sich um eine Ente handelt.
Nicht Lenins und Trotzkis Rote Armee ist es, an welche 3sat versteckt
aber ruhmreich erinnern will! So weit reicht es bei den Kollegen mutmaßlich
nicht.
Nein, vielmehr bietet es sich an die Vergangenheit Tolkiens und Churchills
wieder heraufzubeschwören, weil Mordor, der finstere Osten, wieder mobil
macht. Sauron heißt nicht mehr Hitler – heute ist es der Zar Wladimir.
Die historischen Parallelen werden nach altem Strickmuster bemüht, um
das Volk auf den Feind der Gegenwart einzuschwören.
Nun gut. Nehmen wir das mal so hin! Doch lassen Sie uns weiter denken!
Bleiben wir getrost in dieser konstruierten Parallele! Warum nicht?
Dann lassen Sie uns mal die Frage stellen: Wer hat denn Hitler in den
Sattel geholfen? Ja, die deutschen sexuell frustrierten Frauen, ja, das
deutsche Großkapital, ja, die Erbhofbauern, ja, der arbeitslose Mob, ja,
ja, ja. Aber ohne wen wäre das alles nie möglich gewesen?
Richtig! Versailles und sein Würgegriff. Diese ungeheuerliche Demütigung.
Vor dem Hintergrund dessen, was Deutschland Frankreich im ersten und im
zweiten Weltkrieg angetan hat, durchaus nachvollziehbar. Wir sind keine
unempathischen Idioten. Aber die Alleinschuldzuweisung, die internationale
Ächtung und Isolation … das war noch schlimmer als die barbarischen Reparationsforderungen.
Das barg den Keim der gnadenlosen Wut in sich, welcher Hitler eine Stimme
verlieh.
Der Westen hat nichts gelernt! Die Russen wie den letzten Dreck zu behandeln
war schon immer Staatsraison. Sie haben die Hauptlast tragend Europa vor
Napoleon gerettet. Sie haben die Hauptlast tragend Europa und die Welt
vor dem deutschen Faschismus gerettet – und wie gesagt nicht zuletzt …
die Insel! Und trotzdem gefällt sich der Westen in seiner jahrhundertealten
bornierten Arroganz darin, die „bastschuhtragenden Säufer auf ihren Lehmöfen“
als Untermenschen abzutun, wie es ein weißer, sich aristokratisch dünkender,
unterbelichteter Südstaatler mit einem Neger zu tun gewohnt ist. Internationale
Apartheid – nichts anderes hat Russland seit 1917 erfahren. Es konnte
machen, was es wollte.
Das sollte man nicht unter den Teppich kehren, wenn man schon historische
Vergleiche bemüht!
Aber wir wollen den Filmvorführern von 3sat tröstend auf die Schulter
klopfen: Es war vergebene Liebesmüh. Denn an einem Punkt divergieren die
Parallelen, laufen auseinander und verlieren sich in der Unendlichkeit:
Ihr habt heute keinen Winston Churchill, keine Bulldogge, kein unglaublich
schlaues Kampfschwein mit Herz und Charakter, mit Mumm und Courage. Ihr
nicht und England nicht und niemand in Westeuropa. Hier könnt ihr historische
Reden beschwören, wie ihr wollt. Ihr habt bestenfalls das Zeug ein Abklatsch
von Neville Chamberlain und Halifax zu sein.
Deswegen sorgte die Vorführung von „Die dunkelste Stunde“ für einen ausgefüllten
Kinoabend – für mehr aber auch nicht. Eure Kriegspropaganda ist geplatzt
wie ein Luftballon auf der heißen Herdplatte. Aber, sagen wir es in der
Sprache der Personaler: ihr habt euch Mühe gegeben!
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