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Ein Verlag bezeigt Kulanz
Wie der VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft einen armen Sportclub aus einer Abo-Falle befreite

Michael L. Hübner
Das war einmal menschlich und vernünftig gehandelt. In einer Zeit der zunehmenden Verrohung im Umgang miteinander entschied sich der VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft für eine großzügige Lösung.
Was war passiert? Eine jüdische Einwandererfamilie mit noch sehr eingeschränkten Deutsch-Kenntnissen bekam im Frühjahr 2008 einen Werbeanruf, wie sie sogenannte Call-Center im Auftrage größerer Firmen tätigen. Geworben wurde für ein Periodikum aus dem oben angeführten Verlagshaus. Die Angerufene, Frau Zoya Y. verstand nicht alles. Nur eben, dass man ihr ein Probeexemplar zusenden wolle, völlig unverbindlich und natürlich für sie völlig ohne Risiko. –Ja gut, machen Sie das. Ende.
Das Heft kam, und – wie der Verlag erklärte – noch sechs weitere. Im Juli dann folgte die erste Rechnung über € 49,-. Viel Geld für mittellose Zuwanderer. Sie hatten kein Abo gewollt, hatten nichts unterschrieben, waren der Meinung, dadurch wäre kein Vertrag zustande gekommen. Irrtum! Es gibt auch eine stillschweigende Zustimmung im Falle des Ausbleibens eines Widerspruches. Natürlich war der Verlag nach deutschem Recht in selbigem – die zweite Mahnung, nunmehr schon über einen Betrag von € 100,- lautend wurde schon mit rechtlichen Schritten in Verbindung gebracht. Jetzt ging den armen Ostjuden denn doch schon der Puls etwas schneller.
Der Landbote versprach sich der Sache anzunehmen und setzte folgendes Schreiben auf:

Michael L. Hübner
-Journalist-
Preußischer Landbote
Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur
Notiert an der Deutschen Nationalbibliothek
ISSN 1316-8910
Willi-Sänger-Straße 52
D-14770 Brandenburg an der Havel
Fernruf (Redaktion) +49 3381 79 30 96
Fernruf (Bürgerhaus) +49 3381 73 07 67
Fax +49 3381 73 07 92
E-Mail huebner@landbote.com

Brandenburg an der Havel, den 22. September 2008-09-22

An
VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG
Zentrale
Theodor-Heuss-Straße 2-4
D-53095 Bonn


Betrifft: IHR MAHNSCHREIBEN
Kundennummer 90-286632-30
Rechnungsnummern 38-0722926 vom 25.06.2008
sowie 38-5040449 vom 27.08.2008


Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorbezeichneter Angelegenheit wurde ich von Frau Zoya Y. gebeten, mich vermittelnd an Sie zu wenden.

Ich bitte Sie auf Ihre Solidität und Kulanz rechnend,
a) das Kundenkonto von Makkabi Brandenburg e. V. c/o Frau Zoya Y. rsp. Frau Zoya Y. zu löschen und
b) von den genannten Forderungen absehen zu wollen.

Begründung

1. Zoya Y. ist eine jüdisch stämmige Einwanderin aus der Ukraine. Sie darf gemäß den nicht nachvollziehbaren Anerkennungshemmnissen der deutschen Bürokratie ihren erlernten Beruf als Sportlehrerin nicht ausüben und ist gezwungen, ihren Lebensunterhalt aus dem sozialen Sicherungsnetz der Bundesrepublik Deutschland zu bestreiten. Da Sie einen gestandenen Wirtschaftsverlag repräsentieren, erübrigt sich der Hinweis auf das damit verbundene, äußerst schmale Budget Frau Y.s. Selbst wenn Sie Ihre Forderung durchsetzten, bliebe Ihnen letztendlich kaum mehr als ein Pyrrhussieg und die Gewissheit eine mittellose Frau zur Verzweiflung gebracht zu haben. Das können Sie nicht ernsthaft wollen! Gegensätzlich dazu wäre bezeigte Kulanz Ihrem Hause mehr als zuträglich.
2. Frau Y. leitet, um einer gesellschaftlich sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, den jüdischen Sportverein Makkabi Brandenburg e. V., der ebenso mittellosen Einwanderern die Möglichkeit einer sportlichen Betätigung und Kindern einmal im Jahr ein Sportferienlager bietet. Der Mitgliedsbeitrag dieses Vereins beträgt € 1,- pro Person pro Monat. Sie mögen daraus auf die finanzielle Aufstellung des Vereins schließen. Diese ist gewiss nicht mit der eines Hamburger Golfclubs zu vergleichen. Auch bei Makkabi Brandenburg e. V. würde eine gerichtliche Bestätigung Ihrer Forderung also nicht mehr Effekt bringen als das Hornberger Schießen. Zudem würden die Kinder und Jugendlichen im nächsten Jahr wohl auf ihr Ferienlager verzichten müssen – für viele die einzige Möglichkeit, einmal etwas anderes zu sehen als Brandenburg an der Havel.
3. Frau Yatzenko versicherte mir, dass sie während eines sehr suggestiv und forciert geführten Telefongespräches auf die Möglichkeit eines Abonnements bezüglich einer Publikation Ihres Hauses informiert wurde. Ihr mangelhaftes Deutsch erlaubte ihr nicht, allen Inhalten des Werbegespräches adäquat zu folgen. Frau Y. erinnert sich jedoch an die Zusage, dass die Zusendung eines Probeexemplars für sie kein Risiko beinhalten würde. Sie willigte ihrer Aussage zufolge letztendlich in die Zusendung eines Probeexemplars ein, sagt aber, sie habe weder ein solches noch eine Widerrufsbelehrung erhalten. Eine Unterschriftsleistung bestreitet sie vehement. Die Dame ist eine russische Sportlehrerin und keine Spezialistin für das deutsche Handelsrecht. Dass sie auch angesichts solcher vom Gesetzgeber als unwirksam eingestuften Vertragsabschlüsse Widerrufsfristen zu wahren hat, war ihr unglücklicherweise unbekannt.
4. Aus diesem Mangel an Wissen Frau Y. ist Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, jetzt möglicherweise ein nur schwer anfechtbarer Anspruch entstanden. Ich bitte Sie daher, kühlen Kopfes und Geschäftssinnes zu bedenken, dass die Durchsetzung dieses Anspruchs Ihnen kaum die reflektierte Summe zubringen sondern eher darauf hinauslaufen wird, dem seriösen und grundsoliden Ruf Ihres renommierten Unternehmens schweren Schaden zuzuführen. Der Umstand, dass ein wohlsituiertes Verlagshaus auf einer Einhundert-Euro Forderung gegenüber bettelarmen jüdischen Immigranten bestehen muss, die noch dazu auf fragwürdige, wenn auch nicht vom Verlag selbst zu verantwortende Weise zustande kam, wäre kaum vermittelbar.

Da ich nicht davon ausgehe, dass Ihr Haus die Abonnements-Akquise unter dem eigenen Dach betreibt, sondern wie branchenüblich, spezialisierten Unternehmern anheim stellt, sollten diese Firmen dringendst darauf hingewiesen werden, dass eine Abonnementsgewinnung unter solchen Voraussetzungen dem beauftragenden Hause im Allgemeinen mehr schadet als nutzt. Denn der Verdacht, dass Frau Y. in eine berüchtigte Telefon-Abo-Falle getappt ist, drängt sich an dieser Stelle massiv auf.
Es wäre daher ein sehr honoriger Zug Ihres Hauses, der die von Ihnen über Jahrzehnte hinweg erworbene Tradition eines deutschen Unternehmens von Ruf fest untermauern würde, wenn Sie sich mit einer Löschung des o. g. Kundenkontos und einem Verzicht auf Ihre o. g. Forderung deutlich zu dem Sie seit Jahren begleitenden soliden und lupenreinen Ruf bekennten.

Diese Großzügigkeit bliebe darüber hinaus hinsichtlich ihres lokalen Medienechos nicht unreflektiert.

Indem ich Sie also noch einmal um eine günstige Prüfung des geschilderten Sachverhaltes bitte,

bleibe ich Sie freundlich nach Bonn grüßend

Ihr sehr ergebener

Hübner


Der Verlag entschied sich für eine Einstellung aller Forderungen gegen Frau Y. und den Sportverein Makkabi Brandenburg e. V.
Dafür sei dem sehr kulanten Verlagshaus unser Dank ausgesprochen. Wir freuen uns auf ein Unternehmen verweisen zu können, welches die besten Traditionen deutschen Unternehmergeistes noch immer wahrt und im Alltagsverkehr unter Beweis stellt. Der VNR Verlag macht stolz auf solche noch immer vorhandenen Vertreter einer Wirtschaft, die dem Lande Deutschland einst seinen so begehrten und soliden Ruf verschafften.
Das sind die Leuchttürme, die uns möglicherweise aus unserer Talfahrt durch die Schreckensozeane voller Heuschrecken und Hedge-Fonds herausholen. Auf diese kann man bauen.

12. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008