Johannes Lehndorf
Mann des Glaubens, Mann der Tat
Michael L. Hübner
Wenn in der christlichen
Religion von Wundern die Rede ist, so denkt man gemeinhin an
Blinde, die plötzlich wieder sehen, Lahme die auf einmal
wieder gehen können. Die Heilige Elisabeth von Thüringen
hatte wunderbarer Weise Rosen in ihrem Korbe statt der verbotenen
Brote für die Armenspeisung, der Heilige Benno von Meißen
marschierte einst stracks über die Elbe und ließ
Frösche verstummen, weil sie ihn im Gebet störten.
Die geschändeten Hostien zu Wilsnack bluteten – Wunder
über Wunder. Wir können sie glauben oder es bleiben
lassen. Eines aber, das spielt sich direkt vor unseren Augen
ab, in unserer Heimatstadt Brandenburg an der Havel, das lässt
sich nicht bezweifeln, das kann man nicht wegreden: Da baut
sich ein tüchtiger Unternehmer über Jahrzehnte hinweg
eine Firma auf, führt sie zum Erfolg, verkauft sie in seinem
70. Lebensjahr. Das Geld könnte seine Alterssicherung sein,
eine Weltreise wäre drin, ein großes Automobil. Wofür
entscheidet er sich nun? Für einen Hort! Ja, Sie lesen
richtig. Er entscheidet sich für Kinder. Fremde Kinder.
Brandenburger Kinder, die einen Hortplatz benötigen. Er
übereignet das Geld einer Stiftung, kauft ein Haus, baut
es in Rekordzeit um. Niemand glaubt an den Erfolg dieser aberwitzigen
Vision. Er aber glaubt an seinen Gott und an seine Gemeinde
– und vor allem glaubt er an sich selbst, und alle drei
zusammen, Gott, evangelisch-freikirchliche Gemeinde und der
Christ Johannes Lehndorf stemmen das Projekt. Sie reden nicht,
sie missionieren nicht, sie packen es einfach an! Und die Altersicherung?
„Ach was, Gott hat mich so reich beschenkt in meinem Leben,
er wird auch weiter für mich sorgen…!“ Das
ist keine Phrase, das klingt nicht pathetisch – für
den Christen Johannes Lehndorf ist das ganz normal. Für
uns, die wir in einer täglich mehr vereisenden Ellenbogengesellschaft
leben, in der es nur noch heißt: ich, ich, ich –
für uns ist eine solche Einstellung ein wahres Wunder!
1937 ist er in Brandenburg geboren. Mutter und Sohn blieb nicht
viel Zeit für einander: Die junge Frau starb bei der Niederkunft.
Johannes aber ging hier zur Schule und gerne hätte er das
Abitur abgelegt. Die junge deutsche Arbeiter- und Bauernmacht
aber, die angetreten war, die Welt zu verbessern, kehrte die
verhassten Verhältnisse einfach nur um und verwehrte ihrerseits
auch klugen Köpfen die Wege zu höherer Bildung, wenn
die Eltern der Kinder Selbständige, Mittelständler
oder Intellektuelle waren. „Fleischer kannste werden,
oder Textilkaufmann!“ „Na, dann lieber Textilkaufmann“,
sagte der junge Lehndorf und für einige wenige Jahre arbeitete
er auch in diesem Beruf. Das füllte ihn alles nicht so
recht aus. Fernstudium, Diplomingenieur-Ökonom, Anwendungstechniker
im Bereich Lacke und Farben, ein DDR-weit gefragter Spezialist
auf diesem Gebiete, und schließlich Restaurator für
Möbel und Oberflächen. 1989, noch vor der politischen
Wende, macht er sich selbständig. Später, nach der
Wiedervereinigung, gründet er eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts, eine GbR, volle persönliche Haftung, ohne Netz
und doppelten Boden. Parkette, Fenster, Türen - was soll
schon passieren, sein Gott ist doch mit ihm. Und richtig! Was
er anfasst, der Johannes Lehndorf, das hat Erfolg, das bringt
Geld ein. Doch das ist für ihn nicht so interessant. Das
steht nicht an erster Stelle. Wichtig sind ihm seine Mitmenschen.
Für diese hat ein Christ Verantwortung. Für die, die
nicht so stark sind, nicht so agil, nicht so gesegnet. An diese
denkt der Unternehmer Johannes Lehndorf, die lässt er nicht
zurück. Und vor allem die Kinder! Lassen wir ihn selbst
zu Wort kommen: „Kinder sind ein großer Schatz,
der größte Schatz, den eine Familie, eine Gemeinde,
eine Stadt oder ein ganze Nation hat. Hierin zu investieren
mit Werten lohnt sich immer. Als Christ und Vater von vier Kindern
und Großvater von zwölf Enkelkindern möchte
ich dazu beitragen, dass christliche Werte vorgelebt und vermittelt
werden. Ich habe durch meinen Glauben und persönliche Beziehung
zu Gott und Jesus Christus Halt und Geborgenheit sowie Hoffnung
und Zuversicht und konkrete Hilfe in schwierigen Situationen
erfahren. Für alles Gute und den Segen in meinem Leben
möchte ich ein Zeichen des Dankes setzen. Hierbei erfahre
ich eine große Unterstützung durch die Mitglieder
der Gemeinde.“ Hört sich großartig an? Sie
können es glauben: Jedes dieser Worte hat sich in einen
Stein des neuen Hortes verwandelt. Jedes einzelne Wort gibt
einem Kind der Stadt Brandenburg einen Platz zum Lernen und
zum Spielen, einen Hort, einen Platz der Geborgenheit. 520 qm
Nutzfläche im Häuserkomplex auf dem Mühlendamm,
800 qm Platz im Garten. Für 50 Kinder konzipiert kann das
Haus im Bedarfsfall bis zu 75 Kinder aufnehmen und außerschulisch
betreuen. Keine großen Willenserklärungen, Begründungen,
kein Palaver – die Kinder brauchen einen Platz, sie brauchen
ihn zum Beginn des neuen Schuljahres und Johannes Lehndorf,
seine Gemeinde und ihr Gott sorgen dafür, dass die Kinder
diesen Platz bekommen. „Arche Domlinden“ heißt
das Haus und wenn es nach dem Willen der Gemeinde gegangen wäre,
dann hätte das Gebäude auch an die Form von Noahs
Schiff erinnert. Da wäre gut und gerne Potential zu einem
architektonischen Highlight der Havelstadt drin gewesen, ein
Blickfänger, aber so liberal ist das deutsche Baurecht
nun auch wieder nicht. Ja, wenn Hundertwasser den Entwurf eingereicht
hätte… Macht nichts, ist auch nicht so dramatisch.
Die Kinder müssen ihren Hort haben, das ist das Einzige
was zählt für den Johannes Lehndorf und seine Gemeinde.
Und da knien sie sich rein, da geben sie was sie geben können,
still, bescheiden, mit einem Lächeln im Herzen und auf
den Lippen. „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret
ihnen nicht“, verkündet die Jesusfigur vom Südportal
der Gotthardtkirche und Luther setzt noch einen drauf: „Wenn
du ein Kind siehst, begegnest du Gott auf frischer Tat.“
Das ist es, was Johannes Lehndorf und seine Gemeinde glauben.
Nicht die Kinder sich selbst, dem Fernseher und der Playstation
überlassen! Sich mit ihnen beschäftigen, ihnen Werte
vermitteln, ihre heranwachsenden Seelen mit Inhalten füllen,
die sie stark machen und gut und fähig und die sie später
zu geachteten Persönlichkeiten werden lassen. „Wenn
man Kinder in ihren frühen Tagen vernachlässigt, das
kann man bei den Jugendlichen dann kaum noch korrigieren.“
Und alle können sie in diesen Hort kommen, wenn sie wollen:
Christen, Atheisten, Muslime, Juden, Heiden – ganz egal.
Hauptsache, man achtet den Anderen.
Gertragen von diesem Glauben haben sie das große unternehmerische
Wagnis geschultert, der Johannes Lehndorf und seine Gemeinde.
Eine halbe Million müssen sie noch zusammenkriegen. Irgendwie.
Eine halbe Million?! „Na klar, wird schon, keine Frage…“
Da ist es wieder, dieses stille Lächeln, dieses unendliche
Gottvertrauen und das Wissen um die eigene Kraft und Stärke.
Mit über siebzig Jahren, die man ihm weder ansieht noch
zutraut, hat der Mann noch einmal eine Firma gegründet
in Waltersdorf bei Schönefeld, in einem Alter, wo andere
nur noch das Leben „genießen“ wollen.
Aber er genießt es ja, der Johannes Lehndorf. Er sieht
„seinen Hort“ und denkt an die Kinder, die das Leben
in dieses Gemäuer hineintragen und es erfüllen werden
mit ihrem Lachen und er ist glücklich. Sie sind schon ein
prima Team, ein starkes Gespann, der Johannes Lehndorf, seine
Gemeinde und ihr gemeinsamer Vater im Himmel!