Baaks

zurück zum Landboten

 

Krisenjammerer

Kotofeij K. Bajun
Da sitzen sie, die bibbernden Gestalten, die das deutsche Publikum ausmachen. Sonst hocken sie bei Jauch und Gottschalk, spannen durch die televisionären Schlüssellöcher. Nun hocken sie bei den Fernseh-Wirtschafts-Diskussionsrunden. Und sie klatschen, wenn ein Tribun zur Bestrafung der kriminellen, gierigen Superzocker aufruft. Aber wage sich einer, sich an diesen Mob zu wenden und ihm zu sagen: Wer hat sich denn von denen Drückern im Nadelstreifen durch Renditeversprechen zu Beteiligungen an hochprofitablen Hedge-Fonds verführen lassen? Wer hat die denn gefüttert, die Finanzjongleure, die Lumpen, die Banditen? Mit wessen Geld haben die denn gezockt? Wem glühte denn die eigene Gier aus den Augen am Beratungstisch im Hinterzimmer der Bank, als der Banker ein „Produkt“ mit der Gewinnaussicht von acht Prozent vorlegte. Todsicher! Die sind absolut solide aufgestellt! Die haben Erfahrung! Die sind global aktiv! Da sind Sie auf der sicheren Seite! Kaufen Sie Lehmann Bros.! Investieren Sie in Heuschrecken! Na klar. Greifen wir zu! Wie die ihre Kohle machen, ist uns doch scheißegal. Dass der uns in Aussicht gestellte Profit mit dem verkauften Häuslebauer-Kredit unseres Nachbarn „erwirtschaftet“, nein, ergaunert wurde, ist uns ebenfalls wurscht. Was geht uns schließlich fremdes Elend an! Jeder für sich und Gott gegen alle! Außer gegen uns! Bis die Blase platzt. Bis die gediegen gierige Heidemarie Lehmann ihre Piepen in den Sand gesetzt hat. Bis sie es ist, die abgezockt wurde, die jetzt pleite ist. Bis sie es ist, von deren Geld andere fett werden. Dann erinnert Durchschnitts-Heidemarie sich an ihre verschüttete soziale Ader. Dann heißt es: Pest und Fluch auf die großkopferten Betrüger! Dann schreit sie: „Warum hilft der Staat den Super-Verbrechern und nicht mir?“ Denn darum geht es. Um sie! Um Heidemarie Lehmann und Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher und wie sie alle heißen. Und wieder ist ihnen der kranke Nachbar scheißegal, um dessen erholsame Nachtruhe der große, gütige Träumer von Wandsbeck noch vor zwanzig Jahrzehnten in seinem Lied an den aufgegangenen Mond so glaubwürdig bat. Sie widern einen an, die Jammerheinis, die vorher den Hals nicht voll genug bekommen konnten. Die sich an die Brust klopften und brüllten: „Mit unserem Fleiß haben wir die Bundesrepublik groß und reich gemacht!“ Nein, das waren die armen Schweine in dieser Welt, die Neger und die Indios und die Kulis und die Inder, die sich den Buckel für euch krumm geschuftet haben, während die fette Heidemarie über die Basare der Dritten Welt schlenderte und sich noch darin gefiel, dem Turbanträger, durch dessen Rippen schon das Vaterunser blies, sein bisschen Gelumpe noch herunterzuhandeln. Ihn noch mal zu betrügen und übers Ohr zu hauen. Ihn ein zweites Mal auszubeuten. Sollen sie zum Teufel fahren, dieses bigotte, egoistische Packzeug! Jetzt trifft es sie, Gott will es! Wir spucken ihnen vor die Füße!

12. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
21.10.2008