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Ulla Schmidts genialer Einfall – AOK oder SVK*

Don M. Barbagrigia
Mehr als Ampelmännchen und Grüner Pfeil sollte eigentlich nicht übrig bleiben von der roten deutschen Republik. Mehr konnte man der (west)deutschen Nation nicht zumuten. Und nun holt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eine olle Kamelle aus der ostdeutschen Schublade, die einem zunächst den Atem stocken lässt: Sie träumte laut davon, das unübersichtliche Knäuel der hunderten Krankenkassen zu entwirren und den Haufen zu einer einzigen vereinigen. Guter Ansatz! Guter Ansatz?
Nun wollen wir als erstes einmal festhalten, dass es sich dabei mitnichten um eine Reminiszenz an die verblichene DDR handelt. Es ist auch nicht die Einsicht, dass die Kommunisten eben nicht immer und permanent nur blöde waren. Das waren sie auch nicht. Angesichts des Dschungels deutscher Krankenkassen hätten sie sich nur an den Kürbis gefasst und gestöhnt: Die spinnen, die Wessis! Nun ja. Für das zentralistische Plansystem der DDR wäre ein solches multiples Krankenversicherungssystem natürlich großer, teurer und unsinniger Quatsch gewesen. Die dezentrale Marktwirtschaft möchte natürlich möglichst vielen Konkurrenten den Wettbewerb ermöglichen. Das komme dem Verbraucher zugute, heißt es. Wer’s glaubt…!
Fakt ist, dass es mit dem Leistungsangebot der gesetzlichen Kassen stetig bergab ging und man nur die Wahl hatte, für einen ganz miesen Service etwas weniger zu bezahlen oder für ein etwas weniger mieses Angebot weitaus tiefer in die Tasche zu greifen.
Die Beiträge waren – egal wofür man sich entschied – entschieden zu hoch. Warum? Weil man hohe Vorstandsgehälter zu zahlen hatte; die überteuerten Medikamente abzudecken hatte, in deren Preis die horrenden Schmierleistungen der Pharmafirmen an die deutschen Ärzte und Krankenhäuser integriert waren und Verwaltungsaufwand, Verwaltungsaufwand und noch einmal Verwaltungsaufwand zu finanzieren hatte.
Warum nun will aber Ulla Schmidt eine einzige Krankenkasse? Natürlich ist es auch volkswirtschaftlich wirtschaftlicher, wenn nicht Legionen kleiner Kassen im Lande herumwuseln. Die Zone hat’s ja schließlich vorgemacht. Die wahren Gründe dürften aber an anderer Stelle zu suchen sein. Eine vereinigte, gigantische Kasse ist sowohl gegen die Pharmaindustrie, als auch gegen das Gesundheitswesen und vor allem gegen die Versicherten eine ganz andere Verhandlungsmacht. Vor allem letztere würden bei Unzufriedenheit – und dafür gibt’s täglich Gründe genug – mit ihrer Drohung, die Kasse zu wechseln, nur noch heiteres Gelächter hervorrufen. Nun könnte man richtig loslegen mit dem Erhöhen der Beiträge und dem Absenken der Leistungen. Alle Beiträge werden auf einen einzigen nivelliert: Ging es früher von, sagen wir mal 11 bis 14 Prozent, so kann man jetzt dem Michel unisono 16 Prozent aufhucken. Prima! Die Pharmafirmen werden sich schon mit dem neuen Versicherungsriesen engagieren und vereint bekommt man dann auch die aufmüpfigen Ärzte und Krankenhäuser unter die Knute, die raffgierigen wie die hart schuftenden. Das scheint uns der Hintergrund zu sein. Warum wir nicht gleichermaßen die Vorteile einer solchen Zwangsvereinigung bejubeln, wie wir über die Nachteile geifern? Weil wir befürchten, dass die Benefizien wieder einmal nicht bei den armen Teufeln ankommen werden. Weil sie wieder einmal mehr nur die Zeche zu zahlen haben werden, für Affairen, die ihnen eigentlich zugute kommen könnten und sollten. Denn weder die vielen Krankenkassen der Gegenwart noch die Superkrankenkasse der Zukunft ist ein Interessenvertreter ihrer Versicherten, von deren Beiträgen sie lebt, auch wenn sie das den armen Narren gebetsmühlenhaft einzutrichtern suchen. Sie sind Interessenvertreter in eigener Sache – und sonst gar nichts.

* SVK Sozialversicherungskasse der Deutschen Demokratischen Republik

12. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
29.10.2008