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Wider den Selbstmord Ja, dieser Wahrheit bin
ich ganz ergeben, S. M. Druckepennig Kein Leiden rechtfertigt! Es mag brutal sein, wie es will. Und niemand komme auf das schmale Brett zu glauben, ich wüßte nicht haargenau, wovon ich spräche. Ich weiß von unendlichem Leid mehr als die meisten von euch! Meine Prinzessin konnte sich auch nicht umbringen, so krank, wie sie war! Sie hätte, wenn sie es denn gekonnt hätte, auch keinen Gedanken an diese Option verschwendet. Denn sie dachte wertfrei und erfüllte den Willen ihres Schöpfers bis zu ihrem letzten Atemzug. Wer glaubt, er sei am Ende, der gedenke der hungernden Neger in Eritrea, die zu schwach sind, sich die Fliegen aus den Augen zu wischen! Er denke an das Elend in Kambodscha und in Ceylon, in den Slums von Sao Paulo und die Hölle von Los Angeles South Central! Bringen die sich auch alle um? Nein, die kämpfen! Die kämpfen um ihr armseliges, gequältes und geschundenes Leben! Aber die aus den reichen Ländern, die mit einem goldenen Löffel im Munde geboren wurden, die zögern nicht, diesen abzugeben, wenn man ihnen diesen nicht noch mit Platin veredelt und mit Diamanten besetzt. Sie wollen mehr und mehr und kriegen den Hals nicht voll. Sie haben Krebs, Aids oder ALS? Sie sind Apalliker mit riesigen Dekubita, in denen Pilze gegen das langsam sterbende Leben wüten? Ab da wird das Leben sinnlos? Weil es keine Kultur des Lebens mehr gibt und somit auch keine Kultur des Sterbens. Weil es nicht ins Konzept der "Fun-Gesellschaft" paßt - der Schmerz, das Ertragen des Leides, das Erdulden. Schnell eine "Pille" eingeworfen, ein Mittelchen geschluckt, eine Spritze gegeben - damit der Spaß weitergehen kann. Natürlich, hier geht's nicht mehr um Spaß! Hier geht's um die unerträglichen Schmerzen! Und was erträglich ist, mag jeder für sich entscheiden, nicht wahr? Ihr Lumpen! Ihr spuckt Euren Altvorderen ins Gesicht, die in ihren Viten gelitten haben, daß die Welt darüber zerbersten möcht' - damit sie überleben konnten, damit Ihr leben könnt! Denn hätten sie so gedacht, wie Ihr, es hätte euch nie gegeben, Eure Kinder nicht und Eure schönen Stunden, die ihr ja wohl auch bar jeden Zweifels hattet! Aber zurück zu den Kuren und den Pillen, den Therapien und den Wundern der Medizin. Wenn das alles nicht hilft, kann man ja den Doktor verklagen! Sollte das auch nicht zu dem gewünschten Erfolg führen - na dann ist das Leben halt Scheiße. Dann muß es weg! Dann kaufen wir uns im Supermarkt eben ein Neues. Haben wir doch immer so gemacht. Mittwochs, bei ALDI im Sonderangebot! Nee, Freunde! Hier hört der Spaß auf. Hier funktioniert das Ganze nicht mehr! Hier ist Ende! Wenn ihr dieses eine Leben wegschmeißt, dann war's das! Ein für allemal! Dann ist dunkeltuten! So, wie in den sechzehn Milliarden Jahren seit dem Beginn der uns bekannten oder auch nicht bekannten Welt. Laßt Euch doch nicht darauf vertrösten, daß danach eine bessere Welt kommt, oder ihr auch nur eure "Ruhe" habt! Scheiß auf diese Friedhofsruhe! Es ist keine Ruhe. Es ist das Nichts! Macht Euch klar, was das Nichts ist! Es ist nicht mal schwarz. Denn schwarz ist etwas. Es ist kein Schlaf. Es ist nicht mal der große Bruder des Schlafes, wie einige unverbesserliche Romantiker behaupten. Es ist das absolute Ende! Und wenn es in dieser Welt voller Relativität eine wahres Absolutum gibt, dann ist das der Tod und seine Unumkehrbarkeit! Nicht einmal Gott ist so absolut. Und nicht einmal Gott -( liebe Juden, Katholiken, Orthodoxe, Muselmänner, oder andere Recht- und Bibelgläubige: vergebt mir!)- kann einen Toten wieder ins Leben zurückrufen. Nein! Kann er NICHT! Werdet bescheiden und demütig dem unermeßlichen Wunder des Lebens gegenüber! Und begreift, daß jede Form des Lebens in seinem Ursprung und seinem Wesen nach aberwitzigen Kampf in jeder Sekunde des Daseins bedeutet. Gepaart mit einer Lotterie, die nur Sechser und Verlierer kennt. Selbst in den stinkreichen, parasitären und dekadenten Staaten, in denen die Kinder nicht im Hafen nach Plastikmüll schwimmen müssen, um sich auch an Land über Wasser zu halten, wie in Manila gang und gäbe, macht ihr vollgefressenen Wänste mit euren Diätproblemen und kleinen Zänkereien am Arbeitsplatz nur Urlaub von jenem ehernen Gesetz des Lebens. Diesem Gesetz, das existentiellen Kampf zur Grundlage hat. Und selbst für Euch kann nur gelten, daß es auch für Schmarotzer ein leicht verschobenes Verhältnis von Leid und Glück geben kann - niemals aber ein einklagbaren Anspruch auf Sonnenschein von der Wiege bis zur Bahre. Werdet Euch dessen bewußt und lebt! Durchlebt die Schattenseiten des Lebens mit der selben Intensität, dem selben Bewußtsein, dem selben Stoizismus, wie die paar glücklichen Minuten, die Euch gewährt sind. Lernt endlich auszuhalten, statt Phantomen hinterherzuhecheln, deren Nichterreichbarkeit Eure paar irdischen Minuten nur mit galliger Enttäuschung vergiftet. Euer Leben hat bis zu dem Punkte, da Ihr Euch umzubringen trachtet, vielen anderen Kreaturen, Pflanzen wie Tieren, das Ihrige gekostet. Ihr habt auch diesen gegenüber eine Verantwortung. Das mag Euch lächerlich vorkommen. Wenn Ihr aber gütigst in Betracht ziehen wolltet, was es Euch bedeuten würde, müßtet ihr Euer Leben lassen, nur um eine andere Kreatur zu sättigen, dann wird Euch dieser Gedanke schon etwas klarer. So klar, daß Eure gepeinigte Phantasie Euch zwingt, Horrorfilme und Gruselschinken zu produzieren oder zu konsumieren, die dieses Thema verarbeiten. Merkt Ihr jetzt Eure gottverdammte Schizophrenie? Auch ein Leben unter immensen Schmerzen, seelischen oder physischen, ist immer noch ein Leben! Es ist mit Fühlen verbunden und mit ERLEBEN. Niemand hat ein Recht, diese Gabe eigenmächtig zu verwerfen. Wer es dennoch tut, der ist verworfen. Ich sage dies in unendlichem Schmerz um meine Mutter, meine Frau, meinen geistigen Vater Kurt Tucholsky und alle anderen, die ihr LEBEN vor der Zeit endigten. Was wußtet denn Ihr, was Euer Gott, den ihr vielleicht nicht einmal kanntet oder kennen wolltet, noch mit Euch vorhatte? Wer gab Euch das Recht, die Wendungen des Lebens zu beurteilen, von denen ihr wohl wußtet, wie wunderbar sie - zwar selten genug, aber doch immerhin - sein können? Ihr habt Eurem Schöpfer ins Handwerk gepfuscht! Und daher wird, was die Beurteilung des Lebens und all seiner Facetten betrifft, immer meine kleine vierpfotige Gefährtin meine untrügliche Führerin sein, mein Psychopompus (Seelenführer - Beiname des griechischen Gottes Hermes, der die toten Seelen in den Hades (die Unterwelt) geleitete) in der Dunkelheit der Nacht des Leidens - und nicht Ihr, die Ihr es hättet sein können. Sie hat dieses Recht teuer erkauft und die furchtbare Probe mit Bravour bestanden. Sie ist legitimiert, wo Ihr versagt habt. Ich werde Euch in ehrender Erinnerung behalten, Euch in anderen Dingen folgen - hier seid ihr aus dem Spiel! Das Leben erheischt Demut und Achtung vor sich selbst und der Mitkreatur. Wer dazu nicht in der Lage ist, an den hat das Leben sich verschwendet. Der braucht sich jedoch aus dieser Erkenntnis heraus nicht davonzustehlen. Der möge sich bessern! Das ist die einzige akzeptable Konsequenz.
Nein, der Tod, der soll uns nicht
geniren. Komme er, wann er will! Aber das Leben, so lange wir's haben,
das wollen wir festhalten; und ausnützen; und wollen uns abringen
und uns abkämpfen; damit vielleicht, wenn es geht, eine Spur unseres
Daseins zurückbleibe; ein Fußstapf auf dem Boden, wo wir gewandelt,
sichtbar werde. Wie dann der Tod, wenn es aus ist, Hand an uns legt, das
ist gleich.
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1.Volumen |
© B.St.Ff.Esq.,
Pr.B.&Co,2003 |