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Der Deutsche Michel kämpft für den Frieden

B. St. Fjøllfross


Lieber Michel!

Ich bin's, Dein Sandmann. Schläfst Du schön? Ich erzähle Dir noch eine Gute-Nacht-Geschichte:

Mit großer Rührung sehe ich, wie Du Lichterketten bildend, betend und singend, sebstgebastelte Plakate über Deinen Kopf in die Kameras der Welt hälst, damit alle Menschen dieser Erde staunend zur Kenntnis nehmen können, wie lammfromm Du geworden bist, seit dem letzten großen Kriege.

Du trägst Markenklamotten, "simst" schnell noch ein paar "messages" an Deine daheim gebliebenen Freunde über Dein super-neues, geiles "Handy", in denen Du sie aufforderst, sich Deiner Friedensdemonstration anzuschließen. Um die Ecke sieht man noch den Kühler Deiner Familienkutsche. Noch vor der Demo mußtest Du tanken fahren und €1,19 für einen Liter Super blechen - Dir kam die Galle hoch...Das brachte Dich in die rechte Stimmung für den friedlichen Feldzug gegen den bornierten Ami.

Zugegebenermaßen ist es mir lieber, Dich in Markenklamotten zu sehen, statt in Uniform. Du machst mit einem Plakat in der Hand bessere Figur als mit einem Maschinengewehr. Und daß Dich die Fernsehbilder von leidenden Bombenopfern ankotzen, ist allemal besser, als wenn Du selbst Bomben wirfst. Das alles will ich nicht in Abrede stellen. Aber irgendwie ist da noch ein Pfefferkorn im Pudding. Mir schmeckt das alles nicht so recht. Laß uns doch mal nachdenken warum:

Michel, es ist eine Binsenweisheit, daß Reichtum die Ersparnisse vieler in den Händen weniger bedeutet. Damit wenige reiche Völker auf dieser Erde in fernbeheizten Wohnungen leben können, ein großes Auto auf der Straße zu stehen haben, Markenklamotten tragen, in deren Taschen superneue, geile "Handys" auf die nächste SMS oder den nächsten "call" warten, damit all dieser Luxus existieren kann, müssen hundert mal mehr Menschen in Lehmhütten und Slums wohnen, Lumpen tragen, barfuß laufen und wenn sie sich etwas zu sagen haben, dann müssen sie es sich zurufen. Stehen ihre Hütten auf Bodenschätzen, die für die Aufrechterhaltung Deines Standards unerläßlich sind, dann werden diese Hütten planiert - und basta. Das veranlassen die Chefs der großen Konzerne, die Ölmultis und die Kapitäne der weiterverarbeitenden Trusts. Sagen die Häuptlinge der armen Schweine dazu Ja und Amen, bekommen sie einen erklecklichen Teil vom Reichtum ab und dürfen sich zur Achse des Guten zählen.

Sagen sie aber im eigenen Namen - oder was noch schlimmer ist - namens ihrer Völker "nein!" - dann sind sie böse und verdorben, denn sie gefährden Deinen Reichtum, oh Michel! Lumumba war so ein Schelm! Aber nicht sehr lange. Dann war er weg vom Fenster.

Und Hussein? Ein orientalischer Bilderbuchdespot. Ein moderner Lahmer Timur. Und dieser Timur-lenk vom Tigris braucht nicht erst zum Verrückten zurechtpropagiert werden. Er ist es wirklich. Der Mann hat nicht alle Latten am Zaun und ist ein gemeingefährlicher Massenörder und Verbrecher. Besser gehts nicht. Ich meine, dürfte er ja auch sein! Wen interessieren denn die aufgedunsenen Leichen der vergasten Kurden? Wen die gelichteten Reihen der eigenen, irakischen Bevölkerung? Warst Du auf der Straße, Michel, als hunderttausende Irakis und Iraner in einem sinnlosen Krieg verbluteten? Hat Dich gar nicht gekratzt! Und Hussein? Seine Morde und Kriege? Könnte er alles machen. Aber sein latenter Anti-Amerikanismus, seine ständige Aufwiegelei der panarabischen Brüder gegen den Großen Bruder aller Welt jenseits des Ozeans! Und dann sitzt der Halunke auch noch zu allem Übel auf bedeutenden Ölvorkommen und droht diese für Amerika und seine Industrie zu sperren! Das geht zu weit! Etwas moderater, Saddam, und Du hättest auch jede Woche in Deinen Fußballstadien öffentlich irgendwelche Renegaten und andere mißliebige Gestalten köpfen lassen können, wie es die lieben Saudis in Riad tun. Und sie sind liebe Saudis, weil sie's mit Uncle Sam halten. Treibts Dich auch für diese armen Schweine auf die Straße, Michel?

Nein Michel, die Dinge liegen anders: Jahrelang hat Dich Uncle Sam an seinen Brüsten gesäugt und Du hast es ihm dankbar vergolten, indem Du ihm systematisch in den Arsch gekrochen bist. So sehr, daß Du verlernt hast, Deine eigene Muttersprache zu sprechen! Auf Deinen "Events" wird nur noch Dinglisch gestottert. Ja, Du erfindest sogar für die amerikanische Sprache, die Du so vergötterst, (aber leider oft nicht beherrschst), Kunstworte, die außer Dir niemanden interessieren, den Ami schon gar nicht! Na, klingelt Dein "Handy"?

Und dem Ami warst Du seit Kriegsende ein liebes, braves Kind, weil Du fleißig alles konsumiert hast, was er Dir vorgesetzt hast. Jeden Brei hast Du geschluckt, bis zum letzten Löffel. Und hast damit zum Reichtum der Breihersteller beigetragen. Das war nett von Dir! Und jetzt soll das alles nicht mehr wahr sein? Ist es auch nicht!

Natürlich sorgt Dein Gezeter in Washington für Mißstimmung. Mehr aber auch nicht. Du siehst doch: Sie gehen auch ohne Dein "Placet" rein in den Irak.

Da kannst Du zusammen mit Deinen Erbfreunden, den Franzosen, schimpfen, soviel Du willst. Ach ja, die Franzosen. Ihr Protest ehrt die Grande Nation. Besonders vor dem Hintergrund, daß alle Welt weiß, daß sie mit dem reinkarnierten Timur Ölverträge abgeschlossen haben, die natürlich nur so lange gelten, wie der Böse Kalif von Bagdad auf dem Thron sitzt. Schubsen die Amis und die Engländer ihn da runter, hat es sich mit billigem Öl für Frankreich erledigt.

Aber das muß meinem kleinen Michel keine grauen Haare wachsen lassen: er kriegt weder von denen, noch von denen was geschenkt. Er soll nur zahlen. Und das tut er, denn das ist das einzige, was er gelernt hat.

Aber jetzt mal Klartext: Wenn Dir wirklich Protest am Herzen liegt, dann hör auf, kerzenschwenkend und plakateschwingend über Deine Straßen zu trotten! Kippe den einzigen Götzen um, an dem Uncle Sam wirklich gelegen ist: den Mammon! "In Mammon we trust!" Denn nur dort wirst Du ernstgenommen. Verzichte zuerst mal auf die lange Nacht des "shoppings"! Fahre erst wieder Auto, wenn der letzte Schwarze in Afrika auch eins hat! Trage erst wieder Markenjeans, wenn die Mama in den Favelas von Sao Paulo alle ihre Kinder mit Markenjeans einkleiden kann. Und benutze erst wieder ein "Handy", wenn auch der letzte Malaye eines besitzt. Alles andere ist Heuchelei. Denn damit Dir all dieser Luxus erhalten bleibt, damit Du ihn Dir auch weiterhin leisten kannst und die armen Schweine dieser Welt auch weiterhin für Dich mit ihrer himmelschreienden Armut den Restbetrag bezahlen, dafür führen die "Global Player" diesen Krieg. Nicht, weil ihnen Dein Wohl am Herzen läge und Du ihr liebstes Kind wärst. Blödsinn! Weil sie nur reich und mächtig sein und bleiben können, wenn Du auch weiterhin brav konsumierst. Das ist der ganze Zinnober.

Und um Dir das klarzumachen, haben sie Dir diesen König Urmel II. auf den Washingtoner Thron gesetzt. Einen, der keine drei Sätze vernünftiges Englisch geradeaus sprechen kann - einen echten Mann aus dem Volke eben. Der sitzt da, damit auch der deutsche Michel endlich begreift, wer wirklich im Hintergrund die Fäden der Macht zieht und das Sagen hat. Aus diesem Grunde ist es internationaler Schwachsinn, wenn der Mob aller Welt Strohpuppen verbrennt, die er auf den Namen Bush getauft hat.

Aber keine Angst, lieber Michel! Keiner der Wirtschaftskapitäne der Ersten Welt muß sich um Dein Protestverhalten ernsthaft Sorgen machen und keiner tut es. Wenn Du genug herumgeirrt bist auf deutschen Straßen, wird Dich Dein Verbrauchertrieb schon von ganz allein wieder in den nächsten Konsumtempel führen. Dazu bedarf es nicht einmal solcher Strippen wie in der Augsburger Puppenkiste. Das ist ja das Geniale. Und übers Jahr hast Du die schrecklichen Bilder wieder vergessen, weil die neueste "Handygeneration" auf den Markt kommt.

Du wirst Dich noch ein wenig über die Arroganz des Großen Bruders ärgern und vielleicht findet Deine Kreativität auch dafür noch ein schönes neues Kunstwort. Immerhin entstammst Du ja weitläufig einem Volk der Dichter und Denker, da muß doch was hängen geblieben sein. Meinst Du nicht?

Also schlaf schön und träume süß von einer heilen Welt ohne Krieg, in der Du in aller Ruhe weiter "shoppen" und "erlebnisreisen" kannst. Wo der Buschmann aus der Dritten Welt Dir in seiner pittoresken Armut fürs heimische Fotoalbum Modell steht - und ansonsten sein Schicksal klaglos akzeptiert, während ihm Herrn in Nadelstreifen seine wenigen Bodenschätze unter dem Arsch wegziehen, damit Du auch nächstes Jahr mit dem Flieger wiederkommen und knipsen kannst. Eia popeia!

Dein Sandmännchen

1.Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003