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Dick und Dünn, Doof und Clever – Betrachtung eines Klischees

B. St. Fjøllfross
Die folgende Abhandlung befaßt sich mit der Herkunft eines Klischees. Sie erhebt keinesfalls den Anspruch auf die Erstellung allgemeingültiger Thesen. Die Zahl der Ausnahmen von den dargestellten Klischees mag Legion sein. Das kann ich nicht beurteilen. Aber Klischees entstehen ja nun mal nicht einfach so. Und so beinhaltet der nachfolgende Text lediglich den Versuch einer Erklärung.

Wo sind unsere Kiemen geblieben? Warum haben sich unsere Schwimmhäute zurückentwickelt? Was ist mit unseren Schwänzen geschehen? Irgendwann in unserer Ontogenese verfügten unsere Vorfahren über diese Körperformen. Sie wurden im täglichen Leben dringend gebraucht. Nun besagt die Evolutionstheorie, daß sich im Zuge der Weiterentwicklung der Lebewesen neue Organe oder Körperstrukturen etablierten und andere, unter den neuen Umweltbedingungen nicht mehr essentielle, verkümmerten. Sie wurden rudimentär. Rudimente! Das ist das Schlüsselwort für die nachfolgenden Betrachtungen. Rudimentäre Organe oder Körperwerkzeuge haben also ihre Funktion verloren. Und da die Natur versucht ökonomisch sinnvoll zu agieren, wird der Ballast im Laufe von vielen Generationen degeneriert.

Nun, was man in den gigantischen Zeiträumen beobachten kann, die die Evolution für sich in Anspruch nimmt, ehe sie denn signifikante Änderungen zeigt, sollte doch aber Entwicklungsgesetzen folgen, die auch kurzfristiger in Erscheinung treten.
In solchen kürzeren Epochen kann sich natürlich kein organischer Umbau manifestieren. Man kann jedoch annehmen, daß Verhaltenseigenschaften und erlernte bzw. potentiell verfügbare Fähigkeiten diesem Umbaumuster folgen.

Das zu beleuchten soll Gegenstand der folgenden Abhandlung sein.

Wie oft ist in Trick- und anderen Filmen zu sehen, daß ein dicker, großer aber etwas tolpatschiger
Charakter von einem kleinen, drahtigen und gewieften Protagonisten geführt und oft auch benutzt wird? Man denke nur an die zwei berühmtesten Vertreter der Gallier: Asterix und Obelix.
Wir wollen uns in diesem Kapitel der Frage zuwenden, woher dieses breitgetretene Klischee stammt.
Unstrittig ist, daß Leute, die schon von frühester Jugend an mit einer mächtigen Statur ausgestattete waren, im Kreise ihrer Altersgenossen verhältnismäßig wenig Probleme gehabt haben dürften, ihren Ansichten Geltung zu verschaffen. Ganz anders die Schmächtigen, die Kleinen, körperlich Zukurzgekommenen. Wollten Sie gehört werden, so mußten sie in aller Regel über Strategien nachdenken, deren Vortrag ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit sicherte.
Die einen waren also schon mit einer Eigenschaft „begabt“, die ihnen die Position in der Gruppe sicherte und waren pauschal der Notwendigkeit überhoben, angestrengt nach intellektuell anspruchsvollen Möglichkeiten zu suchen. Das hatte hinwiderum den Nachteil, daß sie den Geist nicht forderten, nicht rieben und nicht schliffen. Ein Rammbär, ein Elefant, ein Ochse braucht nicht sophistiziert zu disputieren – er geht mit dem Schädel vorweg durch die Mauern den geraden Weg.
Dem Kleinen hingegen mangelte die Masse. Um erfolgreich zu sein, mußte dieses Defizit kompensiert werden – und die einzige Möglichkeit zu einer solchen Kompensation bietet der Geist – und nur er. Also wurde der Intellekt bei diesen Charakteren zeitlebens gefordert und geprüft. Erwies sich die Strategie als passabel, so mußte man die Prüfungen als bestanden betrachten.
Nun zu den karikierten Zweckgemeinschaften zwischen groß und tumb einerseits und klein und clever andererseits:
Es sind Liaisons zu beiderseitigem Vorteil. Der „Elefant“ begreift irgendwann vielleicht intuitiv, daß ihn sein „Die-Masse-machts“ geistig retardieren ließ und zu einem bespöttelten Außenseiter macht. Er sehnt sich danach, von einem als höherwertig begriffenen Intellekt anerkannt zu werden, was ihm Zutritt zu den Kreisen verschaffen würde, die ihn zwar fürchten, aber dennoch ausgrenzen.
Der Kleine aber hat in dem „Elefanten“ eine mobile Festung, einen gewichtigen Kameraden, der seinen, des Kleinen Ideen wenn es not tut, mit Force Beachtung schaffen kann. Im Schutze dieses Fleischberges wäre der Kleine auch den üblichen Foppereien und Hänseleien nicht ganz so schutzlos ausgeliefert. Sie geben ein auf den ersten Blick kauziges, jedoch recht effektives Gespann ab.
Wir finden eine solche Rollenverteilung auch oft in der Realität. Das Klischee stammt also nicht aus dem Nirgendwo, sondern hat einen reellen Ursprung.
Bei Frauen dürften die Verhältnisse adäquat sein. Nur ist hier seit alters her das maßgebende Kriterium für Gruppenakzeptanz das Aussehen. Offen zur Schau getragene Klugheit könnte sich hier als vordergründig sogar schädlich erweisen. Denn die angepeilte Zielgruppe, die männlichen Individuen nämlich, sind naturgemäß mehrheitlich daran interessiert, schnell und ohne größere Hindernisse überwinden zu müssen, zum erstrebten Begattungs- und damit in letzter Konsequenz Fortpflanzungserfolg zu gelangen. Eine geistreiche Frau verströmt hinsichtlich dessen zunächst einmal das Odeur von qualifiziertem Widerstand, den zu überwinden eine unverhältnismäßig hohe Energieinvestition bedeutet. Zumindest sitzt dieser Gedanke in den Köpfen der meisten männlichen Nackten Affen fest. Daß Frauen auch noch anderen Kriterien der Partnerwahl folgen, darunter vielen vegetativen, deren sie sich selbst nicht einmal bewußt sind, wir dabei zunächst einmal vernachlässigt. Je blöder, desto leichter verführbar – so die gängige Vorstellung. Also wäre die ideale Paarung hübsch und doof. Raffinierte Frauenzimmer machen sich diese Erkenntnis zur Steigerung ihrer Attraktivität gekonnt zunutze.
War die Frau aber seit frühester Jugend attraktiv und strahlte sie Sexappeal aus, so ist kaum anzunehmen, daß sie von einem diesbezüglichen Leidensdruck gefordert wurde, auf Integrationsstrategien zu sinnen. Und da wären wir wieder bei dem Ursprung für die ebenfalls klischeehaften Blondinen. Verführerisch, aber hohl! Und auch hier muß sich das in punkto Schönheit vernachlässigte Mauerblümchen oder die unattraktive Frau umtun, will sie aus ihrem Leben eine lebenswerte Nische herauskämpfen und nicht als alte verschrumpelte Jungfer enden. Ein geschulter Geist ist bei dieser Gelegenheit natürlich ebenfalls ein unschätzbarer Vorteil, zumal, wenn man bedenkt, daß man mit etwas gutem Willen ein Vielfaches von dem an Esprit und Wissen erwerben kann, was sich trotz allen Bemühungen aus dem Schminkkästchen herauszaubern läßt.
Da diese gute Wille bei breiten Schichten der weiblichen Bevölkerung – genau wie bei ihren männlichen Pendants – ein sehr seltenes Gut ist, so läßt es sich die solcherart defizitär bedachte Dame häufig angelegen sein, durch exzessives Gebaren im Bett, hemmungslose Techniken und andere mit Sex verbundene Freizügigkeiten den Nachteil an natürlicher Anziehungskraft wett zu machen um den begehrten Partner dauerhaft an sich zu binden bzw. sich in gewissen Hierarchien nach oben zu schlafen. Das vulgäre Sprichwort: „Dumm fickt gut!“ wurzelt unzweifelhaft unter anderem in diesem Umstand.
Wie gesagt, die beschriebenen Vorgänge behandeln die Herkunft von verbreiteten Klischees und treffen keine kalkulierbaren Aussagen im Einzelfall. Ausnahmen bestätigen immer die Regel. Man denke an Claire aus Tucholskys „Rheinsberg“. Die Frau kann nicht aus dem Nichts heraus in das meisterliche Hirn ihres Schöpfers gesprungen sein! Es muß lebendige Vorbilder gegeben haben und geben! Das ist meine feste Überzeugung. Mögen sie noch so dünn gesät sein! Und nichts macht mich glücklicher, als die Bekanntschaft mit solchen Ausnahmeerscheinungen zu machen. Je mehr, desto besser. Amen

1.Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003