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Der Palästinenser, das Jugendamt und ich

S. M. Druckepennig
zu einem Artikel in der "BZ" vom 05. August 2003, Seite 7; "Prozeß geplatzt"

Auf einer Demonstration in Berlin präsentiert ein Palästinenser seine minderjährigen Kinder als verkleidete Selbstmordattentäter, um keinen Zweifel daran zu lassen, welchem Zweck er das Leben seiner Nachkommen zu weihen gedenkt.

Natürlich schreitet die deutsche Polizei und Juristerei ein. Denn was hier geschieht, ist mit dem deutschen Rechts- und Moralempfinden nicht vereinbar. Gegen den Fanatiker wird ein Prozeß eröffnet. Und das ist auch richtig so.

Wir wollen nicht in Abrede stellen, daß das Leben der Palästinenser seit der Teilung Palästinas unter Gewalt und Gegengewalt seit fünf Jahrzehnten schier unerträglich ist. Aus historischen und anderen Erwägungen heraus schlägt unser Herz für die Sache des Judentums. Doch darf man darüber nicht vergessen, daß erlittenes Unrecht kein neues Unrecht rechtfertigt. Beide Völker führen einen erbarmungslosen Überlebenskampf, der - wie es scheint - nicht mehr zu gewinnen ist, sondern Jahr für Jahr wie ein gefräßiger, alttestamentarischer Moloch Menschenleben um Menschenleben verschlingt.

Dieser Wahnsinn ist nun also schon bis dorthin eskaliert, daß Menschen nicht nur bereitwilligst ihr eigenes Leben wegwerfen, um ihren politischen Zielen näher zu kommen, sondern das ihrer Kinder gleich mit. Und das ist das Perverse an der Situation: Kinder werden zu Assassinen erzogen. Werden aufgezogen, nicht, um ihr einziges, gottgegebenes Leben zu leben und zu genießen, sondern um im Dienst einer Sache zu sterben.

Und diese Botschaft wird nun auch noch in alle Welt hinaus getragen. So, wie es beispielsweise der besagte Palästinenser tut, um den es in diesem Artikel geht.

Niemand möge auf die Idee kommen zu behaupten, der Palästinenser würde seine Kinder nicht lieben. Gott bewahre! Oder besser: Da sei Allah vor! Nein. Er liebt seine Kinder, da bin ich mir sicher. Aber die Sache fordert, daß er das Wertvollste für sie gibt - seine Kinder eben. Und er macht es.

Dabei hätte mal einer der Polizisten oder Umstehenden einem der Kinder nur ein Haar krümmen sollen! Der Palästinenser wäre wahrscheinlich Amok gelaufen! Selbstverständlich sollen die Leiber eines Tages in einem Feuerblitz in tausend Stücke gerissen werden - nichts anderes symbolisieren die Sprengstoffatrappen, die er bei dieser Demonstration seinem Nachwuchs umhing. Aber das muß im Dienste der Sache geschehen! Nur dann ist das Leid und der Tod der Kinder gerechtfertigt. Denn dann ist es ein Märtyrertod. Und darauf sind diese Wirrköpfe stolz, solche Gedanken beherrschen ihre kranken Hirne. Wir kennen diese Opferglorifizierung, diesen Blut- und Märtyrerschwachsinn aus unserer eigenen jüngsten Geschichte:

"Die Fahne, die Fahne ist mehr als der Tod..." trällerte die fröhliche, zu ähnlichem Opferdenken erzogene HJ seinerzeit. Wir erinnern uns. Und weil wir uns erinnern, wollen wir weg von solcher Haltung. Hin zu Gandhi, hin zum Gespräch, hin zu friedlichen Lösungen...

Wollen wir das wirklich?

Quatsch! Sicher, es rennen keine SA-Horden mehr durch die Straßen und keine Zähneeinschläger von der GeStaPo holen in lange Ledermäntel gewandet unschuldige Bürger des Nachts aus den Betten. Es gibt keine Todesschwadronen bei uns, die unliebsame Personen im Meer versenken. Nein, es geht auch anders. Denn der deutsche Michel ist zu einem friedlichen, zahnlosen Michel geworden. Es bedarf keiner rohen Gewalt mehr, ihn zu zähmen. Es genügt, wenn ein Richter, ein Jugendamt oder eine ähnliche Executivbehörde eine Anordnung trifft - natürlich zum Wohle aller Beteiligten - und dann wird diese Anordnung still und sanft, mit aller Gewalt und konsequent durchgesetzt. Da gibt's keine Argumentation oder Gegenrede. Vergessen Sie Formulare, die Ihnen Gelegenheit zum Widerspruch einräumen sollen: Sie sind oft nur Makulatur und von vornherein für den Papierkorb bestimmt. Die weise Obrigkeit hat entschieden und so wird's gemacht. Basta! Unrecht und Gewalt kommen oft in sehr zivilen und kultivierten Mänteln einher und es braucht seine Zeit, ehe sie diese abwerfen und unverhüllt ihre wahre, blutige Fratze zeigen.

Meine Tochter Anna beispielsweise habe ich seit dem Tage nach ihrem siebten Geburtstag, dem 10. Dezember 1996, verloren. Das geschah auf Betreiben meiner schwer paranoid-schizophrenen (dennoch innig geliebten) und mittlerweile verstorbenen Ehefrau, des Familienrichters R. vom Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg und den Mitarbeitern des Jugendamtes Lichtenberg von Berlin, hier vertreten durch die unseligen Zeitgenossen M. und G. Diese Leute haben das Kind aus meinem Leben entfernt, und zwar so gründlich, daß es für mich keinen Unterschied macht, ob sie meine Tochter vor meinen Augen erschossen hätten oder nicht. Wie schon gesagt: alles zum Wohle aller Beteiligten - versteht sich!

Grundlage dieser Entscheidung waren haltlose, auf ihrer Geisteskrankheit beruhende Anschuldigungen meiner schwerkranken Frau, die ein halbes Jahr später (trotz Eilantrag vom 12. Dezember 1996) in einem nur Minuten dauernden Gerichtsverfahren vor dem Kriminalgericht Moabit von Berlin samt und sonders vollständig widerlegt werden konnten. An der Entscheidung des Familiengerichtes und des Jugendamtes änderte dieses Ergebnis nichts!

J'accuse!

Eine weitere Rolle spielte natürlich die Ambition meiner Tochter, zu ihren Großeltern zu wollen. Nachvollziehbar, weil ein alltäglicher Vorgang. Die meisten Enkel wollen zu den Großeltern, nicht wahr? Unterscheiden sich doch die großelterlichen Ansichten zur Kindererziehung oftmals so grundlegend von den Methoden, mit denen sie ihre eigenen Kinder traktierten, als diese noch ihrer häuslichen Zucht ausgeliefert waren. Aber nun, da Alter und Erfahrung sie milde gestimmt haben, nun, da ein schlechtes Gewissen sie versuchen läßt, an den Enkeln wieder gut zu machen, was sie an den Kindern verhunzten, da werden sie auf einmal zu den lieben, gütigen Opas und Omas, denen jedes Kinderherz frohlockend und jauchzend entgegenschlägt. Ein genialer Doppelschlag: Er verschafft einerseits den Großeltern weiterhin erpresserische und gängelnde Macht über die eigenen - nunmehr erwachsenen - Kinder und er bietet seitens der Großeltern beste Voraussetzungen zur erfolgreichen Gehirnwäsche der Enkel. Die Eltern müssen im harten Alltag erziehen und zusehen, wie sie aus ihren Kindern lebensfähige Menschen machen und die Großeltern verteilen Schokolade und Tröstungen wider die unbequemen Eltern: "Die sollen sich mal bloß nicht so aufspielen, waren doch als Kinder selbst nicht besser..."

Vielen Kindern ist die Fähigkeit, kritisch zu differenzieren und ihren Vorteil im Unbequemen Weg zu suchen, noch nicht zu eigen. Wie die meisten Erwachsenen auch, suchen sie nach dem angenehmsten, sprich faulsten und süßesten Leben. Wenn ihnen verantwortungslose, von der eigenen Liebe zu den Enkeln überforderte oder einfach nur dumme Großeltern dieses Leben vorspiegeln, dann dürfte die Frage geklärt sein, wessen Loblied die Enkel anstimmen: Kinder streben im allgemeinen nach Zucker - nicht nach Zucht!

Doch kehren wir zurück von unserem kleinen Ausflug in die Dynamik innerfamiliärer Beziehungen. Sie spielen hier nicht die tragende Rolle. Unser Anliegen war ja, aufzuzeigen, nach welchen Kriterien deutsche Behörden von ihrem Machtpotential Gebrauch machen und ob alle von ihren Entscheidungen Betroffene gleichermaßen bedacht werden.

In unserem Falle stellen wir also fest: Es handelt sich hierbei um einen behördlichen Willkürakt, der sich nur dadurch vom Verbrechen der Kindesentführung unterscheidet, daß er durch staatlich legitimierte Personen begangen wurde.

Jetzt zum eigentlichen Thema dieses Artikels. Wurden dem Palästinenser die Kinder ebenfalls entzogen? Das Geschehen gäbe es dicke her. Wir wissen es nicht. Anzunehmen ist es jedoch nicht. Denn sobald rechtschaffende deutsche Beamte und Staatsdiener vermuten müssen, daß bei Dienstschluß ein paar durchgeknallte Typen auf sie warten, um sie vom Dienst abzuholen, schmilzt ihre gewohnte Härte und Unnachgiebigkeit schon mal dahin. Diese Härte, die in aller Regel als Pflichttreue deklariert wird, läßt sich selbstredend viel einfacher gegen Mitbürger durchsetzen, die von vornherein als harmlos eingeschätzt werden. Anders bei den potentiellen Bombenwerfern, denen die mediterrane Sonne gelinde gesagt das Temperament hat anschwellen lassen. Und das bis zu einem Maße, das in unseren Breitengraden als pathologisch empfunden wird. Aber da muß man dann doch Rücksichten nehmen auf den kulturellen Hintergrund und das geopolitische Geschehen. Eventuell sogar auf die staatlichen Interessen, die die Bundesrepublik in den Heimatländern der auffällig gewordenen Ausländer hegt. Vor allem aber muß man Rücksicht nehmen auf den eigenen Arsch, der in diesem Falle auf Grundeis gehen dürfte. Welch mutige Entscheidung eines deutschen Gerichtes sticht da wohltuend ab, die die "Mykonos-"Attentäter trotz mannigfaltiger Warnungen aus Teheran deutschen Gesetzen entsprechend verurteilt hat.

In diesem Falle wird jedoch berichtet, der Prozeß sei "geplatzt", um der Verteidigung Gelegenheit zu geben, sich auf neue juristische Aspekte vorzubereiten. Bravo! Wir dürfen gespannt sein, welcher Ausgang des Verfahren den Kämpfer für die Rechte des palästinensischen Volkes, seine Kinder und uns erwartet.

(Ohne, daß ich die Ansichten des Palästinenser zur Durchsetzung seiner als vital empfundenen Interessen teile, geht mir doch ein gewisses Verständnis für seine Haltung nicht zur Gänze ab, wenn ich meine eigene Situation zu der seinen in Beziehung setze.)

Deshalb werde ich bis dahin still meiner verlorenen Tochter gedenken und den Schurken, die sie mir nahmen, ganz unchristlich die Pest an den Hals wünschen.

1.Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003