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Zahlungsmoral

B. St. Fjøllfross
Dem Vaterland gehts schlecht. Die Wirtschaft steuert auf eine Rezession zu. Jeder einzelne sieht tagtäglich, wie Geschäfte dicht machen und Handwerksbetriebe aufgeben müssen. Die Leute halten ihre paar Kröten zusammen und drosseln den Konsum. Der Rest ist eine Milchmädchenrechnung: Steuerausfälle, bedingt durch vernichtete Arbeitgeberexistenzen, bedingt durch Mehrwertsteuerverlust in Milliardenhöhe durch Konsumeinbrüche u.s.w. lähmen die öffentliche Hand. Die Spirale dreht sich weiter abwärts. Auf einige Gründe dieser fatalen Entwicklung ist in den vorangegangenen Artikeln schon eingegangen worden. Die rapide nachlassende Bildungs- und Einstellungsqualität der zukünftigen "Leistungsträger" wurde sattsam besprochen. Ein weiterer böser Stolperstein ist die im Schwinden begriffene Zahlungsmoral. Eine schwache Justiz, die nur darauf ausgerichtet ist, ihr Mütchen an den Verlierern der Gesellschaft zu kühlen, steht nach eigenem Bekunden dem Problem hilflos gegenüber.

Was aber ist das Problem?

Viele kleine HANDWERKSBETRIEBE, die zu den wahren Trägern der gesellschaftlichen Ökonomie zu rechnen sind, müssen aufgeben, weil sie trotz zum Teil enormer Außenstände nicht mehr in der Lage sind, die an sie gerichteten Forderungen zu bedienen.

Auftraggeber, wie beispielsweise Bauträger, auf die ja Handwerksbetriebe essentiell angewiesen sind, stellen nach der Zahlung eines gewissen Abschlages kalkuliert alle weiteren Überweisungen ein. Sie rechnen damit, daß der unter existentiellem Druck geratende Handwerker schon irgendwann einem für ihn schadhaften Vergleich zustimmen wird, weil er den langwierigen und oft in praxi vergeblichen Weg zum Gericht scheut und ihm am Ende der Spatz in der Hand lieber sein muß als die Taube auf dem Dach. Außerdem gefährdet ja ein also querulierendes Verhalten am Ende die Erteilung von Folgeaufträgen und die Handwerksbetriebe, die oft am Rande des wirtschaftlichen Überlebens dahineiern, greifen in ihrer Not nach jedem Strohhalm, schnappen wie ein hungriger Fisch nach jedem Wurm.

Wir können feststellen, daß es oftmals blanke Gier bei den Auftragserteilern ist, die dazu führt, daß immer mehr mittelständische und Kleinbetriebe den schweren Gang zum Konkurs antreten müssen. Ein hoher Teil der grassierenden Arbeitslosigkeit dürfte diesem Phänomen geschuldet sein.

Wie nun gehen die Strolche vor? Ein beliebtes Mittel besteht darin, den Handwerkern immer wieder Mängel vorzuhalten, von deren Beseitigung man weitere Zahlungen abhängig macht. Natürlich kann man davon ausgehen, daß es dem Handwerker erst am St.Nimmerleinstag gelingen wird, dem Auftraggeber ein zufriedenstellendes Ergebnis zu präsentieren. Gutachter zählen nicht, es sei denn sie stehen auf der Gehaltsliste der Auftraggeber.

Andere sind noch weitaus kaltschnäuziger. Sie legen dem Handwerker einen Scheck vor und sagen beispielsweise: Du stellst mir, sagen wir € 35.000,- in Rechnung. Ich trage jetzt hier € 30.000,- ein und du akzeptierst, oder du läßt es bleiben. Kannst mich ja über die Gesamtsumme verklagen. Ha, ha. Das dauert und am Ende wird uns ein gütiger Richter einen Vergleich vorschlagen und dann kannst du froh sein, wenn du überhaupt noch 20T€ siehst. Und die Lumpen wissen, daß der Handwerker in diesem Augenblick gut beraten ist, zähneknirschend diesem Gaunerstückchen zuzustimmen.

Vorkasse? Kann er ja mal versuchen. Dann rückt der nächste Auftrag eben in unerreichbare Ferne!

Nun gut. Das sind erst einmal nur die Spitzen des Eisberges. Das gewöhnliche Nachlassen einer ehrlichen und kaufmännisch anständigen Zahlungsmoral beginnt schon beim Kleinkonsumenten. Es ist schon gang und gäbe, daß Otto Normalverbraucher die dritte Mahnung abwartet, ehe er daran geht, erst einmal einen Teilbetrag zu überweisen - die Rechtslage dabei gut im Hinterkopf.

Kaufmännisches Gebaren und Verlaß auf Treu und Glauben, diese Werte einer kultivierten und zivilisierten Nation mit hohem ethischem Anspruch, gehen zusehends den Bach herunter. Sie werden einer kurzsichtigen Gier geopfert, die sich oftmals hinter der Ausrede verschanzt, der Druck, der auf den Auftraggebern laste, sei so immens, daß sie zu einer solchen Verhaltensweise nachgerade gezwungen wären. Mag in dem ein oder anderen Falle sein. Aber woher stammt dann dieser selbstzerstörerische Wahn? Sind am Ende die Konsumenten schuld, die alles noch billiger und noch billiger haben wollen? Ja, auch diese Ursache ist denkbar - neben vielen anderen.

Symptomatisch jedoch ist, daß selbst öffentliche Auftraggeber oder renommierte Großunternehmen, wie zum Beispiel ein namhafter Schienen-Monopolist, solch unehrenhaftem und unkaufmännischem Gebaren zuneigen. Und da gehts nun wirklich ans Eingemachte. Wenn von Trägern mit Vorbildcharakter solche falschen Signale in einer wirtschaftlich angespannten Zeit gesetzt werden, können die Auswirkungen nur katastrophal sein.

Das Menetekel erscheint immer in dem Augenblick an der Wand, in dem sich an einem Geschäft mehr Rechtsanwälte beteiligen, als Kaufleute oder Handwerker oder Kleingewerbetreibende.

Dieser Irrsinn steuert das Reich in Richtung Bananenrepublik. Ellenbogen statt Gewissen und Verantwortung! Wie lange geht das gut? Wie lange kann das gut gehen?

Alle wollen haben! Aber kein Aas wil dafür bezahlen. Zahlen sollen immer die anderen. Das ist schon zum Volkssport geworden. Niemand empfindet es noch als Makel, als persönliche Schande, wenn er seinen eingegangenen Verpflichtungen keine oder nur unzureichend Folge leistet. Und das Schlimme ist: Keiner zeigt mehr mit dem Finger auf solche Leute, keiner boykottiert sie, wie sie es verdienen, keiner grenzt sie mehr gesellschaftlich aus.

Wir sehen an dieser Entwicklung, wie eminent wichtig das Funktionieren einer intakten und gelebten Moral in der Wirtschaft für das Funktionieren der gesamten Gesellschaft ist.

Aber was soll's? Wir wissen auch, wie schädlich das Rauchen und das Kriegeführen sind. Und trotzdem schicken wir immer wieder Soldaten ins Feld und stecken uns dabei eine an.

Zum Teufel mit der menschlichen Idiotie!

 

10. Julei 2003

1.Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003