Hedwig Courths-Mahler
18.02.1867 Nebra/Unstrut- 26.11.1950
Rottach/Egern
Reichtum ist: Die Ersparnisse vieler in
den Händen eines einzelnen!
Sammle von jedem Deutschen einen Groschen ein, mein Sohn! Das tut niemandem
weh und Du bist vor Steuer achtfacher Millionär! (Dr. med. Lothar
Hübner, Brandenburg an der Havel)
K. K. Bajun
Eine Frau erobert den deutschen
Büchermarkt aus dem Sturm. Scheinbar aus dem Nichts. Sie stammt
aus einfachsten Kreisen. Sie war ein Dienstmädchen in Karlshorst.
So eines voller Hoffnungen und Träume, mit denen sie allein war
in ihrem kleinen Dachstübchen. Und dann brechen sie aus ihr heraus,
diese Dienstmädchenträume und -hoffnungen. Sie ergießen
sich über weißes, unbeschriebenes Papier und treten von dort
aus ihren Siegeszug an, quer durch das Reich. Sie verkaufen sich reißend,
diese Groschenhefte, angefüllt mit den Wunschphantasien eines Mädchens
in Stellung. Und ihre bevorzugte Klientel wird aus ebensolchen Dienstmädchen
bestanden haben, wie sie eines war. Die des selber Träumens enthoben
waren, wenn sie denn den geforderten Groschen pro Heft gaben und sich
trotzdem in den Heftchen wiederfanden. Hedwig traf den Nerv der Zeit,
den Nagel auf den Kopf – mitten ins Schwarze! Und die Konsumenten
honorierten es. Sie dankten es ihr mit einem gewaltigen Abkauf und immer
neuen Auflagen. Süßliche, unpolitische, ungefährliche
Schnulzen nach ewig sich wiederholendem Strickmuster. Hedwig wurde so
reich, daß sie sich selbst bald eine Villa kaufen konnte. Und
in der war sie dann die Herrin und beschäftigte dann ihrerseits
Dienstmädchen. Ob sie denen die auch nur teilweise Erfüllung
der Träume zugestand, die sie früher mit ihnen geteilt hatte
und die sie in ihren literarischen Werken so trefflich ausmalte? Ich
weiß es nicht. Aber ich halte es für unwahrscheinlich. Denn
Hedwig hatte die Klassenschranken überwunden. Das wird nur selten
toleriert. Aber wenn man das Glück hat in die besseren Kreise aufgenommen
zu werden, dann tut man gut daran, seine Wurzel schleunigst zu vergessen.
Denn eine solche Nostalgie wird überhaupt erst nach Jahrhunderten
akzeptiert. Man besehe das Fürstenhaus der Welfen, die sich von
einem mystischen Landmann namens Welf herleiten, von dem kein Aas weiß,
ob es den jemals gab. Und auch den Versuch, Brücken zu seiner Herkunft
zu bauen, sollte man den Romanheftchen vorbehalten. Denn dort gehört
er unbedingt hin. Märchen, die permanent wahr werden, sind Alltag.
Und der taugt keinen Pfifferling fürs Geschäft! Dafür
zahlt keiner ’was. Da wollen die Leute ja ausbrechen! Ich denke,
Hedwig hatte die Nase für diesen Sachverhalt. Wir wollen ihr den
Erfolg gönnen, auch wenn wir dem Inhalt ihrer Werke außerordentlich
skeptisch gegenüberstehen.
Meine Sache ist Prostitution nicht. So wenig es mich reizt, ihre Dienste
in Anspruch zu nehmen, so wenig drängt es mich, mich selbst zu
prostituieren. Und da ich das bestenfalls meinem Geist antun könnte,
so werde ich diesen davor zu bewahren wissen. Und dazu gehört,
daß ich im Leben nichts auf dem Altar des „Zeitgeistes“
opfern könnte. Selbst den Versuch würden die Götter an
mir strafen: Mein Ausdruck verlöre sofort an Qualität und
das bis ins Bodenlose. Die Arbeit müßte der Substanz entbehren
– wenn solche Schnulzen denn jemals welche gehabt hätten.
Mithin ist der Markt überschwemmt mit diesem Schund. Es reizt mich
keineswegs, mich mit Schreiberlingen so niedrigen Formates zu balgen
– selbst wenn diese hohnlächelnd in einer Limousine an mir
vorbei führen. Stolz hat eben seinen Preis.